Wie ein Landkreis sich "erneuert"
Aus dem Leben eines Klimaschutzmanagers
Hans Gröbmayr setzt sich in seiner Region für moderne Windanlagen, vernünftige Biogasnutzung, dezentrale Energieerzeugung , Energieeffizienz und vor allem eine konstruktive Gesprächskultur vor Ort ein - im Landkreis Ebersberg, südöstlich von München. forum-Herausgeber Fritz Lietsch hat ihn besucht.
Wir treffen uns im Landratsamt, in dem soeben ein neuer Landrat das Zepter übernommen hat. Klimaschutzmanager Gröbmayr, eher zierlich und zurückhaltend, setzt auf regionale Fakten und arbeitet unbeirrt seine Agenda-Punkte ab. Gröbmayr hat ein großes Ziel und noch viele Schritte auf dem Weg vor sich.
Die Vision: 100 Prozent bis 2030
Seit dem 01.09.2011 arbeitet Gröbmayr als Klimaschutzmanager für den Landkreis Ebersberg südöstlich von München. Das gesteckte Ziel ist hoch: 100 Prozent Versorgung mit regenerativen Energien bis 2030 hat der Kreistag als Marschrichtung beschlossen. Drei Jahre hat Gröbmayr um diese Vision auf den Weg zu bringen. Der Landkreisbeauftrage ist als Umweltaktivist ein erfahrener Kämpfer und setzt auf eine solides Bündel von Aktivitäten. Energie einsparen und effizient nutzen steht dabei an erster Stelle. "Was wir nicht einsparen können, sollten wir in einem Mix aus allen zur Verfügung stehenden regenerativen Energieformen erzeugen", umreißt Gröbmayr seine Strategie. "Natürlich achten wir dabei besonders auf Dezentralität, Regionalität und die Nachhaltigkeit der Energieerzeugung".
Lieblingsbeschäftigung am Morgen: Haken machen
Gröbmayr schmunzelt bei der Frage, womit er seinen Arbeitstag im Büro beginnt. "Mit abhaken". Damit meint er seine wöchentliche Aufgabenliste die zur Realisierung der Vision 2030 viele praktische Aktivitäten umfasst: Er ist zentraler Ansprechpartner für alle Fragen zur Energiewende sowohl innerhalb des Landratsamtes als auch für Bürgermeister und Gemeinderäte und nicht zuletzt für alle Bürger. Gleichzeitig stellt er Informationen und Kontakte für die einzelnen Aktionskreise in den Kommunen her und hilft, konkrete Projekten anzustoßen und umzusetzen. So hat der Landkreis auf seine Initiative gemeinsam mit regionalen Heizungsbauern den Wechsel von stromfressenden zu stromsparenden Heizungspumpen gefördert. Im Moment engagiert sich Gröbmayr für eine Energieberatung einkommensschwacher Haushalte. "Strompreiserhöhungen kommen sicher und treffen besonders die ärmeren Bevölkerungsschichten. Hier wollen wir mit unserem Beratungsservice vorbauen."
Gröbmayrs persönliche Ziele sind die interkommunale Zusammenarbeit in den Bereichen Konzentrationsflächenplanung, die Gründung eines regionalen Energieversorgungsunternehmens, ein Bürger- und Kommunalbeteiligungsmodell als Genossenschaft und ein Energienutzungsplan. Die morgendlichen Haken zeigen die positiven Abstimmungsergebnisse der Gemeinderatssitzungen, die er an vielen Abenden besucht und stehen somit nicht für buchhalterisches Abhaken sondern eine neue Form der Zusammenarbeit auf Landkreisebene. Gröbmayr will, dass die Energiewende nicht nur zerredet, sondern konkret gehandelt wird. Dabei erfährt er Unterstützung vor Ort: "Die Energiewende ist im Landkreis Ebersberg Tagesthema und wird von allen politischen Parteien unterstützt. Besonders freue ich mich über die hervorragende Zusammenarbeit mit den Bildungsträgern der Erwachsenenbildung, super motivierte und ausgebildete Praktikanten und die vielen Bürger, die bei der Umsetzung der Energiewende in einer Genossenschaft 'dabei sein' möchten."
Die Energiewende als Partnervermittlung: "Man muss die richtigen Leute zusammenbringen"
So ist der Klimaschutzmanager nach zweijähriger Amtszeit gezwungenermaßen auch Kommunikationsprofi geworden. Denn er muss nicht nur als Mediator von Auseinandersetzungen bei der Planung von Windkraft- oder Biogasanlagen einspringen, sondern hat sich auch bei der örtlichen Presse als der Ansprechpartner für die Energiewende vor Ort etabliert. Man sieht Gröbmayr die Anstrengung seines vielseitigen Jobs an. "Es ist nicht leicht zwischen all den divergierenden Interessen zu vermitteln und trotzdem sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren", seufzt er. "Nach dem Floriansprinzip kann man eine Energiewende einfach nicht umsetzen. Das Zusammenbringen der Leute, die zur erfolgreichen Umsetzung eines Energieprojektes miteinander reden sollten, gehört somit sicher zu meinen wichtigsten und schwierigsten Aufgaben". Mehr Unterstützung wünscht sich Gröbmayr vor allem von Regierungsstellen. "Die Energiewende wird noch viel zu freudlos einfach als 'mehr Arbeit' gesehen", weiß der engagierte Klimamanager. "Ich sehe sie dagegen als wunderbare Chance für unser Land und unsere Bürger. Sie ist der Königsweg zu einer günstigen, nachhaltig die Umwelt schonenden und unsere wirtschaftliche Basis sichernden Energieversorgung".
Klimaschutz darf bitte nichts kosten
Doch es gibt auch Hürden auf dem Weg zu "100 Prozent regenerativ". Bei der finanziellen Situation der Gemeinden und ihren vielen "Pflichtaufgaben" gehört die Energiewende nach dem Verständnis vieler Gemeinderäte nicht zu den Prioritäten und kosten darf sie möglichst: nichts. Manchmal verhindern diffuse Ängste und kommerzielle Interessen eine regenerative Lösung. Beispiel: Wird ein Nahwärmenetz gebaut, verliert ein Kaminkehrer und evtl. auch ein Heizungsbauer viele Kunden. Nicht alle unterstützen deshalb die umweltfreundlichere Lösung. Auch kosten die Abstimmungsprozesse bei Gemeinden mit Lokaler Agenda 21 und die dazugehörigen Verwaltungsprozesse auf Grund der ausufernden Vorschriften viel Energie und Zeit. Selbst die Bürger sind nicht immer einfach zum Mitmachen zu bewegen, wenn Fukushima erst wieder in Vergessenheit gerät.
In kleinen Schritten zum Ziel
Seine Marschrichtung hat Gröbmayr in drei Hauptbereiche gegliedert: Strukturen schaffen, die Kommunikation optimieren und strategische Partnerschaften schließen (siehe Checkliste für 2013 im Infokasten). Von einem Umweltminister wünscht sich Gröbmayr, "dass er die Energiewende nicht auf die Höhe des Strompreises reduziert, sondern die grandiosen Chancen der Energiewende und die positive Grundstimmung im Land kommuniziert". Persönlich wünscht er sich, sobald es das private Budget zulässt, ein e-Mobil: "Meine Fahrt ins Amt und in die Gemeinden kann ich leider nur mit einem Auto zurücklegen und da wäre ein kleiner Zweisitzer mit wenig Gewicht und mittlerer Reichweite absolut ausreichend. Um seinem Traum näher zu kommen, veranstaltet Gröbmayr e-Mobil-Abende in seiner Heimatgemeinde. Und so freut er sich auf das Jahr 2030, in dem sich seine Vision realisiert hat: "Die 'Ebersberger Strom und Wärme' hat sich als Marke etabliert, die Netze sind in der Hand des 'Regionalen Ebersberger Energieversorgungsunternehmens', das die Energie vermarktet, die wir im Landkreis benötigen und regenerativ selbst erzeugt haben".
Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr setzt sich im Landkreis Ebersberg im Süden Bayerns für erneuerbare Energien ein. |
Die Vision: 100 Prozent bis 2030
Seit dem 01.09.2011 arbeitet Gröbmayr als Klimaschutzmanager für den Landkreis Ebersberg südöstlich von München. Das gesteckte Ziel ist hoch: 100 Prozent Versorgung mit regenerativen Energien bis 2030 hat der Kreistag als Marschrichtung beschlossen. Drei Jahre hat Gröbmayr um diese Vision auf den Weg zu bringen. Der Landkreisbeauftrage ist als Umweltaktivist ein erfahrener Kämpfer und setzt auf eine solides Bündel von Aktivitäten. Energie einsparen und effizient nutzen steht dabei an erster Stelle. "Was wir nicht einsparen können, sollten wir in einem Mix aus allen zur Verfügung stehenden regenerativen Energieformen erzeugen", umreißt Gröbmayr seine Strategie. "Natürlich achten wir dabei besonders auf Dezentralität, Regionalität und die Nachhaltigkeit der Energieerzeugung".
Lieblingsbeschäftigung am Morgen: Haken machen
Gröbmayr schmunzelt bei der Frage, womit er seinen Arbeitstag im Büro beginnt. "Mit abhaken". Damit meint er seine wöchentliche Aufgabenliste die zur Realisierung der Vision 2030 viele praktische Aktivitäten umfasst: Er ist zentraler Ansprechpartner für alle Fragen zur Energiewende sowohl innerhalb des Landratsamtes als auch für Bürgermeister und Gemeinderäte und nicht zuletzt für alle Bürger. Gleichzeitig stellt er Informationen und Kontakte für die einzelnen Aktionskreise in den Kommunen her und hilft, konkrete Projekten anzustoßen und umzusetzen. So hat der Landkreis auf seine Initiative gemeinsam mit regionalen Heizungsbauern den Wechsel von stromfressenden zu stromsparenden Heizungspumpen gefördert. Im Moment engagiert sich Gröbmayr für eine Energieberatung einkommensschwacher Haushalte. "Strompreiserhöhungen kommen sicher und treffen besonders die ärmeren Bevölkerungsschichten. Hier wollen wir mit unserem Beratungsservice vorbauen."
Gröbmayrs persönliche Ziele sind die interkommunale Zusammenarbeit in den Bereichen Konzentrationsflächenplanung, die Gründung eines regionalen Energieversorgungsunternehmens, ein Bürger- und Kommunalbeteiligungsmodell als Genossenschaft und ein Energienutzungsplan. Die morgendlichen Haken zeigen die positiven Abstimmungsergebnisse der Gemeinderatssitzungen, die er an vielen Abenden besucht und stehen somit nicht für buchhalterisches Abhaken sondern eine neue Form der Zusammenarbeit auf Landkreisebene. Gröbmayr will, dass die Energiewende nicht nur zerredet, sondern konkret gehandelt wird. Dabei erfährt er Unterstützung vor Ort: "Die Energiewende ist im Landkreis Ebersberg Tagesthema und wird von allen politischen Parteien unterstützt. Besonders freue ich mich über die hervorragende Zusammenarbeit mit den Bildungsträgern der Erwachsenenbildung, super motivierte und ausgebildete Praktikanten und die vielen Bürger, die bei der Umsetzung der Energiewende in einer Genossenschaft 'dabei sein' möchten."
Die Energiewende als Partnervermittlung: "Man muss die richtigen Leute zusammenbringen"
So ist der Klimaschutzmanager nach zweijähriger Amtszeit gezwungenermaßen auch Kommunikationsprofi geworden. Denn er muss nicht nur als Mediator von Auseinandersetzungen bei der Planung von Windkraft- oder Biogasanlagen einspringen, sondern hat sich auch bei der örtlichen Presse als der Ansprechpartner für die Energiewende vor Ort etabliert. Man sieht Gröbmayr die Anstrengung seines vielseitigen Jobs an. "Es ist nicht leicht zwischen all den divergierenden Interessen zu vermitteln und trotzdem sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren", seufzt er. "Nach dem Floriansprinzip kann man eine Energiewende einfach nicht umsetzen. Das Zusammenbringen der Leute, die zur erfolgreichen Umsetzung eines Energieprojektes miteinander reden sollten, gehört somit sicher zu meinen wichtigsten und schwierigsten Aufgaben". Mehr Unterstützung wünscht sich Gröbmayr vor allem von Regierungsstellen. "Die Energiewende wird noch viel zu freudlos einfach als 'mehr Arbeit' gesehen", weiß der engagierte Klimamanager. "Ich sehe sie dagegen als wunderbare Chance für unser Land und unsere Bürger. Sie ist der Königsweg zu einer günstigen, nachhaltig die Umwelt schonenden und unsere wirtschaftliche Basis sichernden Energieversorgung".
Klimaschutz darf bitte nichts kosten
Doch es gibt auch Hürden auf dem Weg zu "100 Prozent regenerativ". Bei der finanziellen Situation der Gemeinden und ihren vielen "Pflichtaufgaben" gehört die Energiewende nach dem Verständnis vieler Gemeinderäte nicht zu den Prioritäten und kosten darf sie möglichst: nichts. Manchmal verhindern diffuse Ängste und kommerzielle Interessen eine regenerative Lösung. Beispiel: Wird ein Nahwärmenetz gebaut, verliert ein Kaminkehrer und evtl. auch ein Heizungsbauer viele Kunden. Nicht alle unterstützen deshalb die umweltfreundlichere Lösung. Auch kosten die Abstimmungsprozesse bei Gemeinden mit Lokaler Agenda 21 und die dazugehörigen Verwaltungsprozesse auf Grund der ausufernden Vorschriften viel Energie und Zeit. Selbst die Bürger sind nicht immer einfach zum Mitmachen zu bewegen, wenn Fukushima erst wieder in Vergessenheit gerät.
In kleinen Schritten zum Ziel
Seine Marschrichtung hat Gröbmayr in drei Hauptbereiche gegliedert: Strukturen schaffen, die Kommunikation optimieren und strategische Partnerschaften schließen (siehe Checkliste für 2013 im Infokasten). Von einem Umweltminister wünscht sich Gröbmayr, "dass er die Energiewende nicht auf die Höhe des Strompreises reduziert, sondern die grandiosen Chancen der Energiewende und die positive Grundstimmung im Land kommuniziert". Persönlich wünscht er sich, sobald es das private Budget zulässt, ein e-Mobil: "Meine Fahrt ins Amt und in die Gemeinden kann ich leider nur mit einem Auto zurücklegen und da wäre ein kleiner Zweisitzer mit wenig Gewicht und mittlerer Reichweite absolut ausreichend. Um seinem Traum näher zu kommen, veranstaltet Gröbmayr e-Mobil-Abende in seiner Heimatgemeinde. Und so freut er sich auf das Jahr 2030, in dem sich seine Vision realisiert hat: "Die 'Ebersberger Strom und Wärme' hat sich als Marke etabliert, die Netze sind in der Hand des 'Regionalen Ebersberger Energieversorgungsunternehmens', das die Energie vermarktet, die wir im Landkreis benötigen und regenerativ selbst erzeugt haben".
Von Fritz Lietsch
Bausteine der Ebersberger EnergiewendeCheckliste des Klimaschutzmanagers - zur Nachahmung empfohlenStruktur
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Quelle:
Umwelt | Klima, 27.10.2013
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