"Wachstum war nie mein Ziel"
Warum Design-Studenten Philosophie pauken sollten
Prof. Karin-Simone Fuhs gründete vor 20 Jahren die "ecosign" - die Akademie für nachhaltiges Design. Sie ist mit dem Konzept bis heute international eine Ausnahme. Zwar erfreut sich nachhaltiges Design zunehmender Beliebtheit, aber Fuhs hinterfragt auch, welcher Produkte es überhaupt für eine zukunftsfähige Gesellschaft bedarf. Das scheint vielen noch zu radikal.
Gibt es "das" rundum nachhaltige Produkt? Kann es das geben?
Das ist eine gute Frage! - Nein, meiner Meinung nach nicht. Ein Produkt steht immer im Kontext zu seiner Zeit und dem jeweiligem Erkenntnisstand. Ein Produkt, das wir heute als vollständig ökologisch und sozial einschätzen, kann in 100 Jahren ganz anders beurteilt werden. Fakt ist, dass wir von zu vielen Produkten umgeben sind. Wir sollten uns wirklich fragen, ob das Lebensqualität ausmacht! Ich bin in Kairo, Ägypten aufgewachsen. Dort ist der Lebensstil, wie wir ihn in den europäischen Ländern kennen, für viele Menschen nicht vorstellbar. Die Konsumfrequenz der Menschen in den Industrieländern ist sehr hoch. Jeder sollte darüber nachdenken, ob er ein Produkt persönlich besitzen muss, oder ob es andere Lösungen und Möglichkeiten gibt. Deshalb beschäftigen wir uns an der ecosign unter anderem mit Suffizienz.
Vor knapp 20 Jahren haben Sie die ecosign gegründet. Worauf blicken Sie stolz zurück?
Ich habe alles aus eigener Kraft und ohne Fördermittel gestemmt, darauf bin ich sehr stolz. Zur Zeit freue ich mich sehr darauf, dass unser Buch "Die Geschichte des nachhaltigen Designs" auf den Markt kommt. Das Buch will Denkanstöße für das Themenfeld "Nachhaltigkeit und Design" bringen, denn die Begrifflichkeiten sind nicht immer ganz klar - gerade der Begriff "Nachhaltigkeit" wird oft nur als oberflächliche Worthülse verwendet. Es gibt international zum Thema nachhaltiges Design meines Wissens weder ein vergleichbares Standardwerk, noch eine Ausbildungsstätte wie die ecosign. Darauf können wir stolz sein, gleichwohl wir uns natürlich Nachahmer wünschen.
Und Ihre Studenten?
Auf die blicken wir natürlich auch voller Stolz. Besonders unsere Absolventen bewegen so einiges - auch international. Über 250 sind es inzwischen. Manche beschreiten auch Wege jenseits des klassischen Designers, z.B. ging eine Studentin in den Senegal, um dort soziale Projekte gestalterisch und mit Marketingwissen zu unterstützen. Eine andere Absolventin hat im Laufe des Studiums an der ecosign festgestellt, dass sie nichts lieber will, als Menschen zu helfen. So ergab sich für sie ein interessantes Thema im medizinischen Bereich: Sie beschäftigte sich in ihrer Abschlussarbeit mit den Problemen zu früh geborener Babys. In Zusammenarbeit mit einem internationalen Unternehmen entwickelte sie eine medizinische Matte, die sich dem zu früh geborenen Baby so gut anpasst, dass es das Gefühl hat, noch im Bauch zu sein. Inzwischen konzipiert sie als Produktmanagerin in deutschsprachigen Ländern gemeinsam mit Ärzten Konzepte für Produkte, die Menschen das Leben retten. Zwei andere Studierende sind Teil des Labels "Schöne Neue Welt delüx!" - einem Konzept-Shop für Produkte, die Produkte abschaffen. Dort gibt es z.B. ein Accessoire, das bei uns vier Fünftel aller Studenten bereits nutzen: Einen Aufkleber, den man auf seine Flasche klebt, um zu zeigen, dass man Leitungswasser trinkt. So wird Leitungswasser kurzerhand zum Markenprodukt.
Zwei Jahrzehnte sind auch eine Zeit, in der man eine Menge dazulernt. Was würden Sie heute anders machen?
Da fällt mir besonders eine Sache ein. Wir haben einen mitarbeiterorientierten Führungsstil. Das heißt, die Mitarbeiter haben großen Handlungs- und Gestaltungsfreiraum und tragen demnach auch viel Verantwortung - man sieht sich als Team. Doch ich habe festgestellt, dass Mitarbeiter, die aus hierarchisch-patriarchisch straff organisierten Institutionen kommen, oft Schwierigkeiten haben, diese Verantwortung zu erkennen und zu tragen. Diese Fähigkeit braucht erst etwas Übung und Selbstvertrauen.
Außerdem habe ich gelernt, dass Selbstvertrauen die einzige Möglichkeit ist, ein großes Projekt wie die ecosign zu erschaffen. Hätte ich dieses Vertrauen in mich und meine Mitmenschen nicht gehabt, wäre es - bei allen kleinen und großen Hürden, die sich mir in den Weg gestellt haben - sicherlich nicht so erfolgreich gelaufen.
Welche Hürden stell(t)en sich Ihnen beim Aufbau der Design-Schule in den Weg?
In erster Linie finanzielle. Ich stemme das ganze Projekt "ecosign" bis heute aus eigenen Mitteln - und das ist schwer. Unser Gesellschaftssystem ist auf ökonomisches Wachstum ausgelegt. Ich möchte mit der Schule zeigen, dass es keines permanenten ökonomischen Wachstums bedarf, um in der Gesellschaft zu bestehen. Das ist ein Experiment. Man hat mir das "Nicht-Wachstum" oft vorgeworfen: Warum nicht mehr Studenten? Warum keine weiteren Studiengänge? Nach gängiger Auffassung müssen Unternehmen wirtschaftlich ständig auf Wachstumskurs sein. Dieses Wachstum war aber nie mein Ziel. Denn "Nicht-Wachstum" im ökonomischen Sinne ist nicht gleich Stagnation. Es geht um eine nicht wachstumsorientierte Entwicklung, bei der die Qualität im Mittelpunkt steht. Dabei ist die Ökonomie zwar eine Säule neben der Ökologie und den sozialen Aspekten, aber eben nicht die einzige.
Mit welchen Einrichtungen arbeiten Sie noch zusammen?
Unsere Kooperationen sind sehr bunt gemischt und es werden ständig mehr. Ich persönlich bin z.B. im Beirat des "Bundespreis Ecodesign" tätig, einem 2011 vom Bundesumweltministerium und dem Umweltbundesamt ins Leben gerufenen Wettbewerb zur Auszeichnung innovativer Produkte und Konzepte unter ästhetischen und ökologischen Gesichtspunkten. Außerdem kooperieren wir eng mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie sowie dem Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP). Auch Firmen aus Industrie und Handel zählen zu unseren Kooperationspartnern. Diese bunte Mischung bietet unseren Studierenden die Möglichkeit, schon während des Studiums wichtige Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen, die für den Einstieg in das Berufsleben existenziell sind.
Wenn die Ecosign so erfolgreich läuft - warum findet sie dann bisher keine Nachahmer?
Nachhaltiges Design war lange Zeit nicht gesellschaftsfähig. In den 1990er Jahren interessierte das Thema noch niemanden wirklich. Meine Studierenden und ich wurden lange Zeit nicht ernst genommen. Seit dem 11. September 2001 gab es jedoch einen Paradigmenwechsel in der Gesellschaft. Die Menschen begannen die Frage nach ihrer eigenen Handlungsfähigkeit und dem eigenen Spielraum im Kontext der Gesellschaft zu stellen. Spätestens seit der Wirtschaftskrise von 2008 sind es nicht nur Privatpersonen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Die Nachfrage seitens der Unternehmen bezüglich nachhaltiger Lösungen für Produkte und Services nimmt stetig zu. Ein Resultat daraus ist beispielsweise der Bundespreis Ecodesign. Die größte Herausforderung der Zukunft ist es jedoch, die Strukturen, die wir geschaffen haben, zu hinterfragen. Das ist keine leichte und schnell zu lösende Aufgabe. Das kennt jeder: Man versucht Sicherheit zu finden, erschafft sich ein System, das zur Stagnation verführt und dadurch mehr blockiert als bewegt.
Ein Beispiel, bitte.
Beim Umzug der Schule in unser neues Gebäude mussten wir auf Grund der Anzahl von Studierenden und Mitarbeitern eine festgelegte Anzahl an Parkplätzen vorweisen. Das hätte uns finanziell fast ruiniert. Wir konnten zwar durch eine Evaluation nachweisen, dass über 95 Prozent der Dozenten und Studierenden mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Rad zur Akademie kommen. Trotzdem brauchten wir mehr Parkplätze. Der Vermieter musste ein Grundstück inklusive Gebäude zukaufen - das letztlich teurer war, als das Akademiegelände selbst - damit wir die offizielle Eintragung als Schule bekamen. Fazit ist, dass uns jetzt zu viele Parkplätze zur Verfügung stehen, die zum großen Teil nicht besetzt sind - Carsharing schon rausgerechnet. Wir hätten so gern einen Park an dieser Stelle angelegt, wo der Mensch sich aufhalten kann - und nicht das Auto. Solche Regelungen in Systemen findet man immer wieder. Leider wird dem Mensch untersagt, in solchen Situationen flexibel auf einen Werte- und Bewusstseinswandel zu reagieren - selbst wenn er es möchte.
Woran können sich Entscheider in der Wirtschaft orientieren und wo informieren, wenn sie ihre Produkte rundum verantwortungsvoll gestalten wollen?
Nachhaltige Produktgestaltung setzt Komplexitätskompetenz voraus: Der ganze Produktlebenszyklus von den Rohstoffen bis hin zur Entsorgung bzw. Weiterverwendung muss be- und durchdacht sein. Dafür kann man zum Beispiel eine Art Matrix entwickeln, die viele Faktoren berücksichtigt. Für unsere Studierenden spielen dabei Begriffe wie Effizienz, Effektivität und Suffizienz eine sehr große Rolle. Im Zentrum steht allerdings bei allen Designentscheidungen die grundsätzliche Frage: Ist das Produkt überhaupt sinnvoll? Über Sinnhaftigkeit zu diskutieren geht aber über die Betrachtung von Wertschöpfungsketten und die Anwendung des reinen Fachwissens hinaus, sondern setzt weitaus tiefer an. Deshalb bestehen fast 50 Prozent unserer Unterrichtsmodule aus Kulturwissenschaften und Philosophie. So lernen die Studierenden, über den Tellerrand hinauszublicken und entwickeln Urteilskraft und Verantwortungsbewusstsein für die eigenen Entscheidungen.
In Unternehmen ist es wichtig, dass die Entwickler Freiheiten von der Geschäftsführung bekommen, in alle Richtungen denken zu dürfen. Einige Firmen gehen in diesem Bereich bereits auf beeindruckende Weise voran - hier kann man sich zum Beispiel von den Gewinnern des Bundespreises Ecodesign inspirieren lassen.
Um tiefer in die Materie einzutauchen, gibt es keine allumfassenden Antwortkataloge. Ohne die Bereitschaft zu ständiger Weiterentwicklung geht es nicht. Ab 2014 werden wir z.B. für Entscheider aus der Wirtschaft Weiterbildungsseminare anbieten. In dem Fachbuch "Die Geschichte des nachhaltigen Designs" beteiligen sich rund zwanzig renommierte Fachleute verschiedenster Profession an der Diskussion um nachhaltiges Design. Wer sich grundsätzlich mit Designkritik beschäftigen möchte, dem empfehle ich Victor Papaneks Buch "Design for the Real World: Human Ecology and Social Change". Es hat seit 1971 nichts von seiner Aktualität eingebüßt.
Sie wollen kein Wachstum um jeden Preis. Was sind denn Ihre Pläne für die Zukunft?
Ich träume davon, dass Köln-Ehrenfeld ein nachhaltiges Design-Quartier wird und sich nachhaltiges Design von diesem Standort aus so rasant verbreitet wie ein unwiderstehliches Produkt - nur, dass es dabei Menschen, Natur und Kultur bewahrt, statt sie zu zerstören.
Zum Weiterlesen:
Die Geschichte des nachhaltigen Designs
Herausgegeben von Simone Fuhs und anderen
2013, 384 Seiten, EUR 59,00
ISBN: 978-3-88864-521-1
Bestellen
Prof. Karin-Simone Fuhs im Gespräch mit Tina Teucher. |
Das ist eine gute Frage! - Nein, meiner Meinung nach nicht. Ein Produkt steht immer im Kontext zu seiner Zeit und dem jeweiligem Erkenntnisstand. Ein Produkt, das wir heute als vollständig ökologisch und sozial einschätzen, kann in 100 Jahren ganz anders beurteilt werden. Fakt ist, dass wir von zu vielen Produkten umgeben sind. Wir sollten uns wirklich fragen, ob das Lebensqualität ausmacht! Ich bin in Kairo, Ägypten aufgewachsen. Dort ist der Lebensstil, wie wir ihn in den europäischen Ländern kennen, für viele Menschen nicht vorstellbar. Die Konsumfrequenz der Menschen in den Industrieländern ist sehr hoch. Jeder sollte darüber nachdenken, ob er ein Produkt persönlich besitzen muss, oder ob es andere Lösungen und Möglichkeiten gibt. Deshalb beschäftigen wir uns an der ecosign unter anderem mit Suffizienz.
Vor knapp 20 Jahren haben Sie die ecosign gegründet. Worauf blicken Sie stolz zurück?
Ich habe alles aus eigener Kraft und ohne Fördermittel gestemmt, darauf bin ich sehr stolz. Zur Zeit freue ich mich sehr darauf, dass unser Buch "Die Geschichte des nachhaltigen Designs" auf den Markt kommt. Das Buch will Denkanstöße für das Themenfeld "Nachhaltigkeit und Design" bringen, denn die Begrifflichkeiten sind nicht immer ganz klar - gerade der Begriff "Nachhaltigkeit" wird oft nur als oberflächliche Worthülse verwendet. Es gibt international zum Thema nachhaltiges Design meines Wissens weder ein vergleichbares Standardwerk, noch eine Ausbildungsstätte wie die ecosign. Darauf können wir stolz sein, gleichwohl wir uns natürlich Nachahmer wünschen.
Und Ihre Studenten?
Auf die blicken wir natürlich auch voller Stolz. Besonders unsere Absolventen bewegen so einiges - auch international. Über 250 sind es inzwischen. Manche beschreiten auch Wege jenseits des klassischen Designers, z.B. ging eine Studentin in den Senegal, um dort soziale Projekte gestalterisch und mit Marketingwissen zu unterstützen. Eine andere Absolventin hat im Laufe des Studiums an der ecosign festgestellt, dass sie nichts lieber will, als Menschen zu helfen. So ergab sich für sie ein interessantes Thema im medizinischen Bereich: Sie beschäftigte sich in ihrer Abschlussarbeit mit den Problemen zu früh geborener Babys. In Zusammenarbeit mit einem internationalen Unternehmen entwickelte sie eine medizinische Matte, die sich dem zu früh geborenen Baby so gut anpasst, dass es das Gefühl hat, noch im Bauch zu sein. Inzwischen konzipiert sie als Produktmanagerin in deutschsprachigen Ländern gemeinsam mit Ärzten Konzepte für Produkte, die Menschen das Leben retten. Zwei andere Studierende sind Teil des Labels "Schöne Neue Welt delüx!" - einem Konzept-Shop für Produkte, die Produkte abschaffen. Dort gibt es z.B. ein Accessoire, das bei uns vier Fünftel aller Studenten bereits nutzen: Einen Aufkleber, den man auf seine Flasche klebt, um zu zeigen, dass man Leitungswasser trinkt. So wird Leitungswasser kurzerhand zum Markenprodukt.
Zwei Jahrzehnte sind auch eine Zeit, in der man eine Menge dazulernt. Was würden Sie heute anders machen?
Da fällt mir besonders eine Sache ein. Wir haben einen mitarbeiterorientierten Führungsstil. Das heißt, die Mitarbeiter haben großen Handlungs- und Gestaltungsfreiraum und tragen demnach auch viel Verantwortung - man sieht sich als Team. Doch ich habe festgestellt, dass Mitarbeiter, die aus hierarchisch-patriarchisch straff organisierten Institutionen kommen, oft Schwierigkeiten haben, diese Verantwortung zu erkennen und zu tragen. Diese Fähigkeit braucht erst etwas Übung und Selbstvertrauen.
Außerdem habe ich gelernt, dass Selbstvertrauen die einzige Möglichkeit ist, ein großes Projekt wie die ecosign zu erschaffen. Hätte ich dieses Vertrauen in mich und meine Mitmenschen nicht gehabt, wäre es - bei allen kleinen und großen Hürden, die sich mir in den Weg gestellt haben - sicherlich nicht so erfolgreich gelaufen.
Welche Hürden stell(t)en sich Ihnen beim Aufbau der Design-Schule in den Weg?
In erster Linie finanzielle. Ich stemme das ganze Projekt "ecosign" bis heute aus eigenen Mitteln - und das ist schwer. Unser Gesellschaftssystem ist auf ökonomisches Wachstum ausgelegt. Ich möchte mit der Schule zeigen, dass es keines permanenten ökonomischen Wachstums bedarf, um in der Gesellschaft zu bestehen. Das ist ein Experiment. Man hat mir das "Nicht-Wachstum" oft vorgeworfen: Warum nicht mehr Studenten? Warum keine weiteren Studiengänge? Nach gängiger Auffassung müssen Unternehmen wirtschaftlich ständig auf Wachstumskurs sein. Dieses Wachstum war aber nie mein Ziel. Denn "Nicht-Wachstum" im ökonomischen Sinne ist nicht gleich Stagnation. Es geht um eine nicht wachstumsorientierte Entwicklung, bei der die Qualität im Mittelpunkt steht. Dabei ist die Ökonomie zwar eine Säule neben der Ökologie und den sozialen Aspekten, aber eben nicht die einzige.
Mit welchen Einrichtungen arbeiten Sie noch zusammen?
Unsere Kooperationen sind sehr bunt gemischt und es werden ständig mehr. Ich persönlich bin z.B. im Beirat des "Bundespreis Ecodesign" tätig, einem 2011 vom Bundesumweltministerium und dem Umweltbundesamt ins Leben gerufenen Wettbewerb zur Auszeichnung innovativer Produkte und Konzepte unter ästhetischen und ökologischen Gesichtspunkten. Außerdem kooperieren wir eng mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie sowie dem Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP). Auch Firmen aus Industrie und Handel zählen zu unseren Kooperationspartnern. Diese bunte Mischung bietet unseren Studierenden die Möglichkeit, schon während des Studiums wichtige Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen, die für den Einstieg in das Berufsleben existenziell sind.
Wenn die Ecosign so erfolgreich läuft - warum findet sie dann bisher keine Nachahmer?
Nachhaltiges Design war lange Zeit nicht gesellschaftsfähig. In den 1990er Jahren interessierte das Thema noch niemanden wirklich. Meine Studierenden und ich wurden lange Zeit nicht ernst genommen. Seit dem 11. September 2001 gab es jedoch einen Paradigmenwechsel in der Gesellschaft. Die Menschen begannen die Frage nach ihrer eigenen Handlungsfähigkeit und dem eigenen Spielraum im Kontext der Gesellschaft zu stellen. Spätestens seit der Wirtschaftskrise von 2008 sind es nicht nur Privatpersonen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Die Nachfrage seitens der Unternehmen bezüglich nachhaltiger Lösungen für Produkte und Services nimmt stetig zu. Ein Resultat daraus ist beispielsweise der Bundespreis Ecodesign. Die größte Herausforderung der Zukunft ist es jedoch, die Strukturen, die wir geschaffen haben, zu hinterfragen. Das ist keine leichte und schnell zu lösende Aufgabe. Das kennt jeder: Man versucht Sicherheit zu finden, erschafft sich ein System, das zur Stagnation verführt und dadurch mehr blockiert als bewegt.
Ein Beispiel, bitte.
Beim Umzug der Schule in unser neues Gebäude mussten wir auf Grund der Anzahl von Studierenden und Mitarbeitern eine festgelegte Anzahl an Parkplätzen vorweisen. Das hätte uns finanziell fast ruiniert. Wir konnten zwar durch eine Evaluation nachweisen, dass über 95 Prozent der Dozenten und Studierenden mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Rad zur Akademie kommen. Trotzdem brauchten wir mehr Parkplätze. Der Vermieter musste ein Grundstück inklusive Gebäude zukaufen - das letztlich teurer war, als das Akademiegelände selbst - damit wir die offizielle Eintragung als Schule bekamen. Fazit ist, dass uns jetzt zu viele Parkplätze zur Verfügung stehen, die zum großen Teil nicht besetzt sind - Carsharing schon rausgerechnet. Wir hätten so gern einen Park an dieser Stelle angelegt, wo der Mensch sich aufhalten kann - und nicht das Auto. Solche Regelungen in Systemen findet man immer wieder. Leider wird dem Mensch untersagt, in solchen Situationen flexibel auf einen Werte- und Bewusstseinswandel zu reagieren - selbst wenn er es möchte.
Woran können sich Entscheider in der Wirtschaft orientieren und wo informieren, wenn sie ihre Produkte rundum verantwortungsvoll gestalten wollen?
Nachhaltige Produktgestaltung setzt Komplexitätskompetenz voraus: Der ganze Produktlebenszyklus von den Rohstoffen bis hin zur Entsorgung bzw. Weiterverwendung muss be- und durchdacht sein. Dafür kann man zum Beispiel eine Art Matrix entwickeln, die viele Faktoren berücksichtigt. Für unsere Studierenden spielen dabei Begriffe wie Effizienz, Effektivität und Suffizienz eine sehr große Rolle. Im Zentrum steht allerdings bei allen Designentscheidungen die grundsätzliche Frage: Ist das Produkt überhaupt sinnvoll? Über Sinnhaftigkeit zu diskutieren geht aber über die Betrachtung von Wertschöpfungsketten und die Anwendung des reinen Fachwissens hinaus, sondern setzt weitaus tiefer an. Deshalb bestehen fast 50 Prozent unserer Unterrichtsmodule aus Kulturwissenschaften und Philosophie. So lernen die Studierenden, über den Tellerrand hinauszublicken und entwickeln Urteilskraft und Verantwortungsbewusstsein für die eigenen Entscheidungen.
Das Buch "Die Geschichte des nachhaltigen Designs" können Sie bereits hier bestellen. |
Um tiefer in die Materie einzutauchen, gibt es keine allumfassenden Antwortkataloge. Ohne die Bereitschaft zu ständiger Weiterentwicklung geht es nicht. Ab 2014 werden wir z.B. für Entscheider aus der Wirtschaft Weiterbildungsseminare anbieten. In dem Fachbuch "Die Geschichte des nachhaltigen Designs" beteiligen sich rund zwanzig renommierte Fachleute verschiedenster Profession an der Diskussion um nachhaltiges Design. Wer sich grundsätzlich mit Designkritik beschäftigen möchte, dem empfehle ich Victor Papaneks Buch "Design for the Real World: Human Ecology and Social Change". Es hat seit 1971 nichts von seiner Aktualität eingebüßt.
Sie wollen kein Wachstum um jeden Preis. Was sind denn Ihre Pläne für die Zukunft?
Ich träume davon, dass Köln-Ehrenfeld ein nachhaltiges Design-Quartier wird und sich nachhaltiges Design von diesem Standort aus so rasant verbreitet wie ein unwiderstehliches Produkt - nur, dass es dabei Menschen, Natur und Kultur bewahrt, statt sie zu zerstören.
Zum Weiterlesen:
Die Geschichte des nachhaltigen Designs
Herausgegeben von Simone Fuhs und anderen
2013, 384 Seiten, EUR 59,00
ISBN: 978-3-88864-521-1
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www.vas-verlag.de
Ein Interview von Tina Teucher
Quelle:
Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 17.12.2013
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