Wie kommt das Neue in die Welt?
In Futurlabs heben Kreative die Welt aus den Angeln
Wie sieht Erfinden und Erschaffen heute eigentlich aus? In welchen Hotspots arbeiten Kreative an der Welt von morgen? Für diese dreiteilige Serie hat unser Autor in acht Ländern 18 Futurelabs, Co-Creation-Centers und Thinktanks besucht.
Teil 1: Futurelabs.
Jedes Jahr im September erwacht die stillgelegte Salzfabrik in Hallein bei Salzburg zum Leben. Rund 300 Kreative aus der ganzen Welt quartieren sich hier für zehn Tage ein, um Erstaunliches zu schaffen. Neben Werkstätten und Küchen, die das ideenreiche Kreativ-Team rund um die Uhr verköstigen, werden Labore aufgebaut für Videoproduktion, Musik, Design, Computing und Gaming. Was sich ganz simpel Schmiede nennt, ist seit 13 Jahren ein einzigartiges Futurelab. Aus dieser Ideenschmiede gingen nicht nur hunderte Kulturprojekte hervor, sondern auch Start-ups, an denen sich Investoren mit Millionen beteiligten. Mehr als 1.000 "Smiths", wie sich die Ideenschmiede aus 40 Nationen nennen, erhalten für ihre eigenen Projekte vor Ort Unterstützung von Kollegen. Einfach ausgedrückt: Der Musiker bekommt innerhalb dieser zehn Tage sein Musikvideo, hilft aber dafür beim Vertonen eines Avantgarde-Films mit. "Co-Creation at work" nennt sich dieses gelebte Konzept. Neben der Werkschau am Ende dieses "Ausnahmenzustands", wie der Gründer Rüdiger Wassibauer die Zusammenkunft liebevoll nennt, bieten mehr als 30 öffentliche Veranstaltungen die Möglichkeit, den Funken der Kreativität überspringen zu lassen. Viele Unternehmen nutzen diese Chance zu einer Art Frischzellenkur. "Das ist jedes Mal pure Euphorie, gepaart mit hoher Produktivität", weiß Wassibauer aus Erfahrung. Ideen werden Wirklichkeit. Für Technologieunternehmen wie Vogrin AV entwickeln und testen die "Schmiede" neue Projektionstechniken, für den Gewürzhersteller Wiberg erfinden sie durch gemeinsames kreatives Kochen neue Produkte, für den Bühnentechnik-Dienstleister show2go schmieden sie Prototypen und bringen sie zur Serienreife.
Die Welt scheint sich schneller und schneller zu drehen. Was gestern noch eine bestaunte Neuheit war, ist heute bereits ein alter Hut. Innovationszyklen werden immer kürzer. Das Neue drängt mit Macht in die Welt. 3M zum Beispiel erzielt 40 Prozent der Umsätze mit Produkten, die keine fünf Jahre alt sind. Bei mehr als 55.000 Produkten ist dies eine enorme Herausforderung für das exakt 111 Jahre alte Unternehmen. Innovationstreiber wie Google, Xing, Facebook, Twitter & Co. sind Phänomene, die selbst kaum ein Jahrzehnt alt sind. Innovation erlebt ein exponentielles Wachstum, was oft mit der schnellen, einfachen Kommunikation neuer Ideen durch unsere modernen Medien erklärt wird. Weniger beachtet, aber nicht minder wichtig, ist der Paradigmenwechsel vom Ich zum Wir. Open Source, Co-Creation und Open Innovation sind Treiber, die in Programmier- und Internet-Communities wie Linux und Wikipedia wurzeln, heute aber vermehrt zum Grundprinzip erfolgreichen Entwickelns in allen Disziplinen werden. Die modernen Futurelabs unserer Tage basieren auf genau diesem Prinzip.
Lokalaugenschein in Linz an der Donau: Was im 20. Jahrhundert die Industriestadt Österreichs war, gibt heute mit den Takt an, wenn es um die Zukunft geht. Prominent an der Donau steht, am Abend futuristisch beleuchtet, das Ars Electronica Center, auch Museum der Zukunft genannt. Rund 250.000 Menschen besuchen es jährlich. Seit 1979 gibt es jeden Sommer das weltführende Festival Ars Electronica für digitale Kultur. 30.000 Besucher und Vordenker aus der ganzen Welt strömen dann zusammen, wenn in sieben Kategorien die Goldenen Nicas vergeben werden, die weltweit höchstdotierten Preise für digitale Kultur. Das Event zieht die besten Talente an und schmiedet weltweite Netzwerke - vom MIT in Boston bis nach Japan, Taiwan und Korea, wo die asiatischen Zukunftsschmieden mehr und mehr das Tempo vorgeben. Trends werden hier in Linz lange bevor sie in den Mainstream gelangen sichtbar.
Gemeinsam nachdenken - und vordenken
Das Futurelab der Ars Electronica ist eine permanente Einrichtung, in der 25 Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen an der Welt von übermorgen bauen. Gerade kommt das Team aus London zurück: Für die Premiere eines neuen Paramount Films bestückten die Zukunftslaboranten 30 ferngesteuerte kleine Helikopter mit LEDs, die dann in den schwarzen Himmel das Star Trek-Logo zeichneten und dreidimensional bewegten. Die Herausforderung war nicht nur, die Choreographie zu programmieren und bei starkem Wind zu realisieren, sondern überhaupt so eine Idee zu generieren. Das Projekt erhielt riesige Aufmerksamkeit. Denn vieles, was bisher nur als Computeranimation möglich war, kann nun real simuliert werden. "Etwa eine Brücke über eine Schlucht skizzieren. Oder mit einem Schwarm von Quadrocoptern King Kong am Empire State Building hochklettern lassen", denkt Horst Hörtner vor, der das Futurelab seit 1996 leitet. Egal ob es sich um Autonavigation oder humanoide Roboter handelt: Das internationale Team hat wiederholt bewiesen, dass es mit seinen Projekten der Zeit um oft ein Jahrzehnt voraus ist. Die Industriepartner schätzen dies. Führende Automobilhersteller, Computer- und IT-Firmen kooperieren in zukunftsweisenden Projekten, wenn es etwa darum geht, neue Verkehrsleitsysteme zu entwickeln, die GPS-Daten intelligent nutzen. So trägt sich dieses Futurelab selbst durch Einnahmen aus der Wirtschaft. "Wir speisen uns aus Kunst, Technologie und Gesellschaft und skizzieren mögliche Zukünfte, die wir selbst mit vorantreiben", beschreibt Hörtner sein Erfolgsgeheimnis. "Linz hat es geholfen, zum Fixpunkt in der Welt von morgen zu werden".
Es gibt noch weitere Städte, die sich selbst zum Zukunftslabor erklären. So hat das Freiburg Future Lab den Anspruch, den gesammelten Erfahrungsschatz zum Thema Nachhaltigkeit und Green City weiterzugeben. Konkrete Aufgabenstellungen von externen Besuchern werden mit den bewährten Strukturen vor Ort gelöst. So wird Freiburg zum Transmissionsriemen und zur Werkstatt für innovative Energieversorgung. "Wir machen das geballte Wissen hier für andere nutzbar. Denn wir haben vieles realisiert, was anderswo als zu teuer oder nicht machbar gilt", erklärt die Politikwissenschaftlerin und Autorin Astrid Mayer, die Gründerin des Projektes.
Beziehungen statt Räume bauen
Immer wieder treten Futurelabs gerade dann in Aktion, wenn komplexe Aufgaben zu lösen sind. Morgenstadt ist so ein Beispiel (forum berichtete in Ausgabe 4/2011): Die Initiative zu diesem vernetzten Leuchtturmprojekt kommt aus der Fraunhofer-Gesellschaft. Diese ist mit mehr als 20.000 Mitarbeitern Europas größte Organisation für angewandte Forschung. An 40 deutschen Standorten wird in 60 Instituten die Welt der Zukunft entwickelt. Im Projekt Morgenstadt arbeiten nicht nur elf Fraunhofer-Institute von Solarenergie bis zur System- und Innovationsforschung zusammen. Auch 25 renommierte Industriepartner sind mit dabei. "Es geht uns um Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit und darum, die Lebenswelt der Menschen zu verbessern", sagt Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger, der bis 2012 Fraunhofer-Präsident war und Morgenstadt mit auf die Schienen stellte. In den Modellstädten Singapur, Kopenhagen, New York, Berlin, Tokyo und - Freiburg! - werden Best Practices studiert und Neuentwicklungen getestet. Von innovativen Verkehrsleitsystemen über Öko-Architektur bis zur regenerativen Gebäudetechnik
Wurden die Städte der Zukunft hier primär von Wissenschaftlern und Experten erforscht, setzt ein anderes Future Lab auf Schwarmintelligenz und auf die Kreativität engagierter Bürger: Das BMW Guggenheim Lab. Ein mobiles, offenes, vom japanischen Architekten-Team Bow-Wow entworfenes Lab zieht um die Welt, um das Leben in den Städten zu erforschen. Das Grundprinzip der visionären Architekten: "Wir bauen keine Räume, sondern Beziehungen." New York, Berlin und Mumbai waren die bisherigen Stationen. In das offene Lab kamen täglich durchschnittlich 1.000 Besucher, um in Workshops und Events die Zukunft auszuloten. Interdisziplinär und multinational, den Prinzipien von Open-Source und Do-it-yourself verpflichtet. Eva-Maria Börschlein, die das Lab-Projekt von BMW-Seite leitet, geht es darum, ein Feld zu schaffen, in dem sich neue Denkstrukturen manifestieren. "Denn am Anfang war das Wort, die Idee. Erst später kommt das Produkt. Wir sind hier radikal experimentell. Unser Lab ist wie eine Reise mit offenem Ausgang." Hier wird diskutiert, skizziert, gemalt, geschraubt, programmiert und mit Rapid Prototyping, also dem schnellen Produzieren von Prototypen, an neuen Lösungen gefeilt. In jeder Stadt werden 100 urbane Trends definiert, die schließlich eine Show im Guggenheim Museum in New York präsentiert. Rund 10.000 Artikel sind bisher über dieses Lab erschienen, der Traffic im Internet ist hoch. "Dieser Prozess ist menschlich unglaublich bereichernd und wachstumsfördernd", stellt Börschlein fest. "Er macht die Menschen größer und fördert unsere Veränderungskraft. Darum geht es uns letztlich".
Dabei betreiben die Bayern auch das BMW Future Lab, in dem es um technische Innovationen geht. Ob sich die Forschung dort auch zum Serienangebot entwickelt, steht in den Sternen. Head-Up Display, Parkassistent und Night Vision haben diese Hürde aber genommen und finden ihren Platz in den neuen BMW-Modellen. Um technische Erfindungen geht es auch im Vodafone Innovation Park in Düsseldorf. Dort arbeiten 150 Mitarbeiter mit der gleichen Anzahl von Externen an den Lösungen von morgen. Da reiht sich Raum an Raum mit riesigen Server-Schluchten, dazwischen immer wieder kleine Teams von Experten, die in digitales Neuland vorstoßen.
Schließ die Augen - und sieh!
Die Testumgebung besteht aus hunderten Kilometern von Kabeln und unglaublichen 20.000 Servern, die die gleiche Leistung haben wie das gesamte Mobilfunknetz der Schweiz. In jährlich rund 1.000 Projekten werden hier Innovationen entwickelt. Immer wieder erarbeitet man mit bestehenden Kunden und Industriepartnern völlig neue, bisher nicht verbundene Themenfelder. Auch hier ist Open Innovation die Zauberformel. Mobile Gesundheit, das intelligente Haus der Zukunft, M2M (Machine-to-Machine-Communication), mobile Verkehrs- und Bezahlsysteme werden vorangetrieben. "Aha-Effekte entstehen immer dann, wenn wir Neuland betreten und revolutionäre Ideen zulassen, die jenseits der eigenen Industrie entstehen. Es gibt da keine Blaupausen", weiß Dr. Axel Schulz, der Leiter des Innovation Parks. Vieles wird in eigenen Innovation Days entwickelt, mit eigenen Kreativitätstechniken. Zum Beispiel auch in "Darkrooms", wo man mit geschlossenen schwarzen Brillen die Haptik und Ästhetik neuer Produkte erforscht. Aus dem gewollten Wildwuchs der Entwürfe und Ideen gilt es schließlich, brauchbare Geschäftsmodelle zu entwickeln - etwa mit Handys als Diagnose-Instrumente in der Medizin oder für die Hauselektrik-Steuerung. Denn seit den Tagen von Edison und Tesla ist eines klar: Nur wenn Menschen und Märkte die neuen Angebote auch annehmen, verändert sich das Gesicht der Welt.
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Christoph Santner
"Zukunft ist, was wir gemeinsam draus machen", ist der Autor, Redner und Innovations-Berater überzeugt. Für forum schreibt er regelmäßig über Zukunftsfragen. Seit 25 Jahren ist er auf dieses Thema spezialisiert.
c.santner@nachhaltigwirtschaften.net
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Teil 1: Futurelabs.
Heimat zum Greifen nahe: Mitten in Linz können Besucher des Ars Electronica Centers "ihre" Erde auf einer Projektionsfläche von 16 mal neun Metern in Form eines virtuellen Globus ansehen. Aktuelle Bilder, Infografiken und Daten in Ultra-HD-Auflösung machen die Entdeckungsreise des Blauen Planeten zu einem besonderen Erlebnis. Auch das Magnetfeld der Erde kann man hier beobachten - ein Ergebnis aus dem Future Lab der Ars Electronica. |
Jedes Jahr im September erwacht die stillgelegte Salzfabrik in Hallein bei Salzburg zum Leben. Rund 300 Kreative aus der ganzen Welt quartieren sich hier für zehn Tage ein, um Erstaunliches zu schaffen. Neben Werkstätten und Küchen, die das ideenreiche Kreativ-Team rund um die Uhr verköstigen, werden Labore aufgebaut für Videoproduktion, Musik, Design, Computing und Gaming. Was sich ganz simpel Schmiede nennt, ist seit 13 Jahren ein einzigartiges Futurelab. Aus dieser Ideenschmiede gingen nicht nur hunderte Kulturprojekte hervor, sondern auch Start-ups, an denen sich Investoren mit Millionen beteiligten. Mehr als 1.000 "Smiths", wie sich die Ideenschmiede aus 40 Nationen nennen, erhalten für ihre eigenen Projekte vor Ort Unterstützung von Kollegen. Einfach ausgedrückt: Der Musiker bekommt innerhalb dieser zehn Tage sein Musikvideo, hilft aber dafür beim Vertonen eines Avantgarde-Films mit. "Co-Creation at work" nennt sich dieses gelebte Konzept. Neben der Werkschau am Ende dieses "Ausnahmenzustands", wie der Gründer Rüdiger Wassibauer die Zusammenkunft liebevoll nennt, bieten mehr als 30 öffentliche Veranstaltungen die Möglichkeit, den Funken der Kreativität überspringen zu lassen. Viele Unternehmen nutzen diese Chance zu einer Art Frischzellenkur. "Das ist jedes Mal pure Euphorie, gepaart mit hoher Produktivität", weiß Wassibauer aus Erfahrung. Ideen werden Wirklichkeit. Für Technologieunternehmen wie Vogrin AV entwickeln und testen die "Schmiede" neue Projektionstechniken, für den Gewürzhersteller Wiberg erfinden sie durch gemeinsames kreatives Kochen neue Produkte, für den Bühnentechnik-Dienstleister show2go schmieden sie Prototypen und bringen sie zur Serienreife.
Die Welt scheint sich schneller und schneller zu drehen. Was gestern noch eine bestaunte Neuheit war, ist heute bereits ein alter Hut. Innovationszyklen werden immer kürzer. Das Neue drängt mit Macht in die Welt. 3M zum Beispiel erzielt 40 Prozent der Umsätze mit Produkten, die keine fünf Jahre alt sind. Bei mehr als 55.000 Produkten ist dies eine enorme Herausforderung für das exakt 111 Jahre alte Unternehmen. Innovationstreiber wie Google, Xing, Facebook, Twitter & Co. sind Phänomene, die selbst kaum ein Jahrzehnt alt sind. Innovation erlebt ein exponentielles Wachstum, was oft mit der schnellen, einfachen Kommunikation neuer Ideen durch unsere modernen Medien erklärt wird. Weniger beachtet, aber nicht minder wichtig, ist der Paradigmenwechsel vom Ich zum Wir. Open Source, Co-Creation und Open Innovation sind Treiber, die in Programmier- und Internet-Communities wie Linux und Wikipedia wurzeln, heute aber vermehrt zum Grundprinzip erfolgreichen Entwickelns in allen Disziplinen werden. Die modernen Futurelabs unserer Tage basieren auf genau diesem Prinzip.
Co-Creation verlangt Teamplayer. Wo könnte man das besser einüben als beim spontanen Jammen und Improvisieren? |
Gemeinsam nachdenken - und vordenken
Das Futurelab der Ars Electronica ist eine permanente Einrichtung, in der 25 Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen an der Welt von übermorgen bauen. Gerade kommt das Team aus London zurück: Für die Premiere eines neuen Paramount Films bestückten die Zukunftslaboranten 30 ferngesteuerte kleine Helikopter mit LEDs, die dann in den schwarzen Himmel das Star Trek-Logo zeichneten und dreidimensional bewegten. Die Herausforderung war nicht nur, die Choreographie zu programmieren und bei starkem Wind zu realisieren, sondern überhaupt so eine Idee zu generieren. Das Projekt erhielt riesige Aufmerksamkeit. Denn vieles, was bisher nur als Computeranimation möglich war, kann nun real simuliert werden. "Etwa eine Brücke über eine Schlucht skizzieren. Oder mit einem Schwarm von Quadrocoptern King Kong am Empire State Building hochklettern lassen", denkt Horst Hörtner vor, der das Futurelab seit 1996 leitet. Egal ob es sich um Autonavigation oder humanoide Roboter handelt: Das internationale Team hat wiederholt bewiesen, dass es mit seinen Projekten der Zeit um oft ein Jahrzehnt voraus ist. Die Industriepartner schätzen dies. Führende Automobilhersteller, Computer- und IT-Firmen kooperieren in zukunftsweisenden Projekten, wenn es etwa darum geht, neue Verkehrsleitsysteme zu entwickeln, die GPS-Daten intelligent nutzen. So trägt sich dieses Futurelab selbst durch Einnahmen aus der Wirtschaft. "Wir speisen uns aus Kunst, Technologie und Gesellschaft und skizzieren mögliche Zukünfte, die wir selbst mit vorantreiben", beschreibt Hörtner sein Erfolgsgeheimnis. "Linz hat es geholfen, zum Fixpunkt in der Welt von morgen zu werden".
Es gibt noch weitere Städte, die sich selbst zum Zukunftslabor erklären. So hat das Freiburg Future Lab den Anspruch, den gesammelten Erfahrungsschatz zum Thema Nachhaltigkeit und Green City weiterzugeben. Konkrete Aufgabenstellungen von externen Besuchern werden mit den bewährten Strukturen vor Ort gelöst. So wird Freiburg zum Transmissionsriemen und zur Werkstatt für innovative Energieversorgung. "Wir machen das geballte Wissen hier für andere nutzbar. Denn wir haben vieles realisiert, was anderswo als zu teuer oder nicht machbar gilt", erklärt die Politikwissenschaftlerin und Autorin Astrid Mayer, die Gründerin des Projektes.
Beziehungen statt Räume bauen
Welche Zukunft wollen wir? Das BMW Guggenheim Lab setzt auf Schwarmintelligenz und auf die Kreativität engagierter Bürger - bisher in New York (Bild), Mumbai und Berlin. |
Wurden die Städte der Zukunft hier primär von Wissenschaftlern und Experten erforscht, setzt ein anderes Future Lab auf Schwarmintelligenz und auf die Kreativität engagierter Bürger: Das BMW Guggenheim Lab. Ein mobiles, offenes, vom japanischen Architekten-Team Bow-Wow entworfenes Lab zieht um die Welt, um das Leben in den Städten zu erforschen. Das Grundprinzip der visionären Architekten: "Wir bauen keine Räume, sondern Beziehungen." New York, Berlin und Mumbai waren die bisherigen Stationen. In das offene Lab kamen täglich durchschnittlich 1.000 Besucher, um in Workshops und Events die Zukunft auszuloten. Interdisziplinär und multinational, den Prinzipien von Open-Source und Do-it-yourself verpflichtet. Eva-Maria Börschlein, die das Lab-Projekt von BMW-Seite leitet, geht es darum, ein Feld zu schaffen, in dem sich neue Denkstrukturen manifestieren. "Denn am Anfang war das Wort, die Idee. Erst später kommt das Produkt. Wir sind hier radikal experimentell. Unser Lab ist wie eine Reise mit offenem Ausgang." Hier wird diskutiert, skizziert, gemalt, geschraubt, programmiert und mit Rapid Prototyping, also dem schnellen Produzieren von Prototypen, an neuen Lösungen gefeilt. In jeder Stadt werden 100 urbane Trends definiert, die schließlich eine Show im Guggenheim Museum in New York präsentiert. Rund 10.000 Artikel sind bisher über dieses Lab erschienen, der Traffic im Internet ist hoch. "Dieser Prozess ist menschlich unglaublich bereichernd und wachstumsfördernd", stellt Börschlein fest. "Er macht die Menschen größer und fördert unsere Veränderungskraft. Darum geht es uns letztlich".
Dabei betreiben die Bayern auch das BMW Future Lab, in dem es um technische Innovationen geht. Ob sich die Forschung dort auch zum Serienangebot entwickelt, steht in den Sternen. Head-Up Display, Parkassistent und Night Vision haben diese Hürde aber genommen und finden ihren Platz in den neuen BMW-Modellen. Um technische Erfindungen geht es auch im Vodafone Innovation Park in Düsseldorf. Dort arbeiten 150 Mitarbeiter mit der gleichen Anzahl von Externen an den Lösungen von morgen. Da reiht sich Raum an Raum mit riesigen Server-Schluchten, dazwischen immer wieder kleine Teams von Experten, die in digitales Neuland vorstoßen.
Schließ die Augen - und sieh!
Die Testumgebung besteht aus hunderten Kilometern von Kabeln und unglaublichen 20.000 Servern, die die gleiche Leistung haben wie das gesamte Mobilfunknetz der Schweiz. In jährlich rund 1.000 Projekten werden hier Innovationen entwickelt. Immer wieder erarbeitet man mit bestehenden Kunden und Industriepartnern völlig neue, bisher nicht verbundene Themenfelder. Auch hier ist Open Innovation die Zauberformel. Mobile Gesundheit, das intelligente Haus der Zukunft, M2M (Machine-to-Machine-Communication), mobile Verkehrs- und Bezahlsysteme werden vorangetrieben. "Aha-Effekte entstehen immer dann, wenn wir Neuland betreten und revolutionäre Ideen zulassen, die jenseits der eigenen Industrie entstehen. Es gibt da keine Blaupausen", weiß Dr. Axel Schulz, der Leiter des Innovation Parks. Vieles wird in eigenen Innovation Days entwickelt, mit eigenen Kreativitätstechniken. Zum Beispiel auch in "Darkrooms", wo man mit geschlossenen schwarzen Brillen die Haptik und Ästhetik neuer Produkte erforscht. Aus dem gewollten Wildwuchs der Entwürfe und Ideen gilt es schließlich, brauchbare Geschäftsmodelle zu entwickeln - etwa mit Handys als Diagnose-Instrumente in der Medizin oder für die Hauselektrik-Steuerung. Denn seit den Tagen von Edison und Tesla ist eines klar: Nur wenn Menschen und Märkte die neuen Angebote auch annehmen, verändert sich das Gesicht der Welt.
Daniel Düsentrieb ist ein Auslaufmodell Oswald Schröder ist Hauptdirektor Kommunikation des Europäischen Patentamtes. Dort arbeiten 4.500 Wissenschaftler als Patentgutachter und werden so zu Durchlauferhitzern für Neues. Schröder gibt mit der Studie "Scenarios fort the Future" auch einen Führer zur Hand, der auf der Expertise von 150 Vordenkern beruht. Wie funktioniert heute das Erfinden in Futurelabs? Die deutsche Vorstellung vom Tüftler in der Garage und im Keller ist tiefste Vergangenheit. Erfinden ist heute Teamarbeit, oft über 2, 3, 4 Kontinente hinweg. Permanentes Kommunizieren ist dabei zentral, und die unterschiedlichen Kulturen machen die Sache spannend und produktiv. Wie kommen die wirklich neuen Ideen in die Welt? Sie entstehen organisch, sind nicht wirklich planbar. Erfolgreiche Unternehmen sind in der Lage, in diesem Fluss der Ideen einfach mitzuschwimmen. Man kann die Richtung bestimmen, aber nicht jeden Schritt planen. Im Patentwesen mit seinen unterschiedlichen Klassen kann ich präzise sehen, wohin es geht. Wer an welchen Themen forscht. Immerhin haben wir jährlich 250.000 Einreichungen. So werden wir zum Nährboden für Innovationen. Bei unserem jährlichen European Inventor Award staunen wir selbst immer wieder darüber, wie groß das Kreativpotenzial in Europa ist. Was braucht es denn in Europa, um auch künftig noch im Spitzenfeld mitzuspielen? Mehr Risikobereitschaft! Zur Innovation gehören auch Menschen, die Kapital zur Verfügung stellen. Das geschieht zu zögerlich. Wir sind z.B. bei Computern und Telekommunikation fast schon draußen, weil das in Europa praktisch keiner mehr herstellt. Mit der Produktion gehen auch das Know-how und das Erfinden immer stärker nach Asien. Mit Windkraft und Photovoltaik sind wir, was die Patente angeht, aber noch gut mit dabei. Risikobereitschaft heißt aber auch: Fünf mal auf die Fresse fallen und sechs mal wieder aufstehen. In den USA ist man dann jemand. In Europa giltst Du als Looser. Da muss sich noch unser ganzes kulturelles Umfeld ändern! |
Im Profil
Christoph Santner
"Zukunft ist, was wir gemeinsam draus machen", ist der Autor, Redner und Innovations-Berater überzeugt. Für forum schreibt er regelmäßig über Zukunftsfragen. Seit 25 Jahren ist er auf dieses Thema spezialisiert.
c.santner@nachhaltigwirtschaften.net
Zum Weiterlesen
- www.schmiede.ca
- www.aec.at/futurelab (Ars Elektronica)
- www.morgenstadt.de
- www.freiburg-future-lab.eu/
- www.bmwguggenheimlab.org
- www.vodafone.de/innovationpark/
- www.epo.org/service-support/publications/studies/scenarios.html (Studie "Scenarios for the future" des Europäischen Patentamts)
Von Christoph Santner
Quelle:
Technik | Wissenschaft & Forschung, 16.01.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2014 - Smarte Produkte erschienen.
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