Wie WERTvoll ist meine Marke?
Kunden setzen immer weniger auf "schneller, billiger, bunter"
"Marketing funktioniert nicht mehr", provoziert ausgerechnet Marketing-Papst Philip Kotler. Er will sagen: Kunden setzen immer weniger auf "schneller, billiger, bunter", sondern auf die Glaubwürdigkeit von Marken und Unternehmen.
Marketing-Verantwortliche stehen vor neuen Herausforderungen, die wir in unserer Beitrags-Reihe zum Integritätsmarketing näher beleuchten möchten. Wir wollen Werkzeuge und Tipps für die verantwortungsvolle und glaubhafte Gestaltung von Produkt- oder Unternehmensmarken an die Hand geben und erfolgreiche Beispiele aus der Unternehmenspraxis beleuchten.
Was ist Integritätsmarketing überhaupt?
Wir verstehen Integritätsmarketing als eine Form der markt-?orientierten Unternehmensführung, die sich nicht mehr allein auf die Kunden, sondern auf die Erfüllung der Erwartungen aller relevanten Anspruchsgruppen ausrichtet. Es gilt, eine einzigartige Markenpersönlichkeit zu entwickeln, die diesen Ansprüchen gerecht wird und gleichzeitig ein begeisterndes Markenerlebnis für Kunden, Mitarbeiter, Partner und gesellschaftliche Gruppen schafft. Die klassischen Handlungsfelder des Marketings betrachten wir dabei aus dem Blickwinkel aller Anspruchsgruppen und erweitern sie.
"Findet unser neues Produkt genügend Abnehmer?" ist längst nicht mehr die einzige Frage, die sich Marketing?strategen stellen. Vielmehr berücksichtigen sie zunehmend auch die sozialen und ökologischen Auswirkungen entlang des kompletten Produktlebenszyklus vom Rohstoff bis hin zu Verbrauch und Wiederverwertung.
Verbraucher zu nachhaltigem Konsum motivieren
Henkel bewertet bereits während der ?Produktentwicklung, in welcher Phase des Produktlebenswegs welche Umwelt?auswirkungen in welchem Ausmaß anfallen. Bei Wasch- und Spülmitteln liegt der Hauptenergiebedarf in der Anwendungsphase. Darum will Henkel das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum bei seinen Kunden fördern. Der Persil Waschkosten-Rechner zeigt dem Verbraucher sein Spar?potenzial, wenn ausschließlich bei 30° C gewaschen würde.
Zudem will Henkel nicht bedingungslos den reinen Absatz in den Vordergrund stellen, sondern den Verbrauchern klar kommunizieren, dass meist eine geringere Menge an Waschmittel genügt, als man üblicherweise einsetzt. Denn die Preispolitik im Integritätsmarketing berücksichtigt nicht nur die unternehmenseigenen Kosten, sondern die Kosten, die für alle relevanten Anspruchsgruppen bei Produktherstellung und -verwendung entstehen.
Austausch auf Augenhöhe statt Werbespots
Die Distribution sollte die ressourceneffiziente Gestaltung von Transport und Logistik der Produkte auf die Agenda setzen. Ebenso spielt jedoch der faire Umgang mit den Mitarbeitern in diesen Unternehmensbereichen eine Rolle. Das Familienunternehmen Habermaaß GmbH (u.a. HABA, JAKO-O) stellt z.B. seinen LKW-Fahrern am eher dezentral gelegenen Standort Bad Rodach eigens eingerichtete Sanitäranlagen mit Duschmöglichkeit kostenlos zur Verfügung - 365 Tage pro Jahr, 24 Stunden am Tag.
Die Zeiten, in denen Werbespots und -anzeigen genügten, um Sympathie und Vertrauen zu wecken, gehören längst der Vergangenheit an. Statt einseitiger Werbeversprechen suchen die Verbraucher den Austausch auf Augenhöhe. Hessnatur kam diesem Bedürfnis mit einer außergewöhnlichen Kampagne nach. In einem Social Media Contest lud der Hersteller von Naturtextilien Kunden ein, als "hessnatur Botschafter" weltweit zu Lieferanten und Produktionsbetrieben zu reisen und damit alle Arbeitsschritte bis hin zum fertigen Kleidungsstück hautnah mitzuerleben. Die klare Markenbotschaft: Ein Unternehmen wie hessnatur kann es sich erlauben, Kunden als Botschafter zu Lieferanten vor Ort zu schicken.
Die 7 Ps des Integritätsmarketing
Mit der Erweiterung des Blickwinkels im Integritätsmarketing um relevante Anspruchsgruppen geht eine inhaltliche Erweiterung der klassischen 4 Ps - Product, Price, Place und Promotion - um weitere 3 Ps einher. Es handelt sich dabei um die Handlungsfelder Process, People und Physical Presence.
Ebenso wie sich das klassische Marketing weg von einer Abteilungslösung hin zu einer unternehmensweiten Denkhaltung im Sinne der Kunden entwickelt hat, verlangt auch das Integritätsmarketing eine ganzheitliche, unternehmensweite Verankerung. Fragen nach der Beschaffung biologisch angebauter Rohstoffe oder nach möglichst energieeffizienter Produktion betreffen nicht alleine die Marketingabteilung. Deshalb muss man Absprachen treffen sowie Verantwortlichkeiten und Prozesse genau definieren. Im Idealfall geschieht das mit Hilfe eines integrierten Nachhaltigkeitsmanagementsystems wie es zum Beispiel der Versandhändler für nachhaltige Büroartikel memo AG einsetzt.
Mitarbeiter als Botschafter der Marke
Ebenso relevant ist die Verankerung in der Unternehmenskultur, sprich: in den Köpfen und Herzen der Menschen, die für und mit der Marke arbeiten. Mitarbeiter, die sich mit den Produkten und den Werten des Unternehmens identifizieren und ihrer Arbeit mit Freude und Motivation nachgehen, sind die besten Markenbotschafter. Eine Anekdote aus dem Hause Porsche berichtet von Unternehmensberatern, die bei dem schwäbischen Autobauer an einem wackelnden Stehtisch auf einen Termin warteten. Darum baten sie einen Mitarbeiter um einen Bierdeckel. Dieser rückte mit einem Schraubenschlüssel an und justierte den Tisch aufs Genauste mit der Aussage "Wir bei Porsche arbeiten nicht mit Bierdeckeln". Eine hohe Qualität der Produkte, aber ebenso ein hoher Wohlfühlfaktor am Arbeitsplatz sind zentrale Treiber für die Mitarbeiteridentifikation.
Markenwerte sicht- und greifbar machen
Um die Marke zum Erlebnis zu machen, eignet sich auch das Handlungsfeld "Physical Presence" der 7 Ps. Die Gegenstände oder Räumlichkeiten des Unternehmens "berühren" die Anspruchsgruppen mit allen Sinnen. Wie sind die Arbeitsplätze für die Mitarbeiter ausgestattet? Finden sich zentrale Markenwerte wie ökologische Verantwortung in der Gestaltung der Filialen und Firmengebäude wieder? Der Schwarzwälder Maschinenbauer Schmalz, Hidden Champion für Vakuum-Technologie, hat einen eigenen Öko-Lehrpfad an ihrem Stammsitz eingerichtet, um die Umweltschutzmaßnahmen für Anspruchsgruppen greifbar zu machen. Auf der kostenlosen Tour, die von Mitarbeitern geführt wird, können die Teilnehmer die Umweltschutzmaßnahmen hautnah erleben und erhalten anhand von Modellen und Infotafeln mehr Hintergrundinformationen zu Themen wie Solarenergie und Wärmerückgewinnung.
Im Marketing der Zukunft geht es nicht mehr nur um bunte Bilder und griffige Claims, sondern darum, die innersten Überzeugungen und Werte des Unternehmens im Umgang mit allen Anspruchsgruppen sichtbar zu machen. Mit welchen Instrumenten und Methoden dies im Tagesgeschäft gelingen kann, erklären wir in den Folgebeiträgen zu jedem der sieben Handlungsfelder des Integritätsmarketing anhand von Best Practice-Beispielen und Interviews mit Fachexperten und Praktikern.
Im Profil
Dr. Dennis Lotter und Jerome Braun begleiten mit ihrer Agentur Benefit Identity Unternehmen und Organisationen seit mehr als zehn Jahren bei der Gestaltung ihrer Markenintegrität durch eine verantwortliche Betriebsführung. Darüber hinaus sind sie gefragte Fachautoren und Vortragsredner.
www.benefitidentity.com
Markenerlebnis mit allen Sinnen: Der Textilhersteller hess natur hat Kunden wie Katharina Albert als "Botschafter" die Produktionsstätten in Peru besichtigen lassen. Auf der Alpaka-Farm fühlte sie sich sichtlich wohl und beschrieb ihre Erlebnisse im Blog des Unternehmens. |
Was ist Integritätsmarketing überhaupt?
Wir verstehen Integritätsmarketing als eine Form der markt-?orientierten Unternehmensführung, die sich nicht mehr allein auf die Kunden, sondern auf die Erfüllung der Erwartungen aller relevanten Anspruchsgruppen ausrichtet. Es gilt, eine einzigartige Markenpersönlichkeit zu entwickeln, die diesen Ansprüchen gerecht wird und gleichzeitig ein begeisterndes Markenerlebnis für Kunden, Mitarbeiter, Partner und gesellschaftliche Gruppen schafft. Die klassischen Handlungsfelder des Marketings betrachten wir dabei aus dem Blickwinkel aller Anspruchsgruppen und erweitern sie.
"Findet unser neues Produkt genügend Abnehmer?" ist längst nicht mehr die einzige Frage, die sich Marketing?strategen stellen. Vielmehr berücksichtigen sie zunehmend auch die sozialen und ökologischen Auswirkungen entlang des kompletten Produktlebenszyklus vom Rohstoff bis hin zu Verbrauch und Wiederverwertung.
Verbraucher zu nachhaltigem Konsum motivieren
Henkel bewertet bereits während der ?Produktentwicklung, in welcher Phase des Produktlebenswegs welche Umwelt?auswirkungen in welchem Ausmaß anfallen. Bei Wasch- und Spülmitteln liegt der Hauptenergiebedarf in der Anwendungsphase. Darum will Henkel das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum bei seinen Kunden fördern. Der Persil Waschkosten-Rechner zeigt dem Verbraucher sein Spar?potenzial, wenn ausschließlich bei 30° C gewaschen würde.
Zudem will Henkel nicht bedingungslos den reinen Absatz in den Vordergrund stellen, sondern den Verbrauchern klar kommunizieren, dass meist eine geringere Menge an Waschmittel genügt, als man üblicherweise einsetzt. Denn die Preispolitik im Integritätsmarketing berücksichtigt nicht nur die unternehmenseigenen Kosten, sondern die Kosten, die für alle relevanten Anspruchsgruppen bei Produktherstellung und -verwendung entstehen.
Austausch auf Augenhöhe statt Werbespots
Die Distribution sollte die ressourceneffiziente Gestaltung von Transport und Logistik der Produkte auf die Agenda setzen. Ebenso spielt jedoch der faire Umgang mit den Mitarbeitern in diesen Unternehmensbereichen eine Rolle. Das Familienunternehmen Habermaaß GmbH (u.a. HABA, JAKO-O) stellt z.B. seinen LKW-Fahrern am eher dezentral gelegenen Standort Bad Rodach eigens eingerichtete Sanitäranlagen mit Duschmöglichkeit kostenlos zur Verfügung - 365 Tage pro Jahr, 24 Stunden am Tag.
Die Zeiten, in denen Werbespots und -anzeigen genügten, um Sympathie und Vertrauen zu wecken, gehören längst der Vergangenheit an. Statt einseitiger Werbeversprechen suchen die Verbraucher den Austausch auf Augenhöhe. Hessnatur kam diesem Bedürfnis mit einer außergewöhnlichen Kampagne nach. In einem Social Media Contest lud der Hersteller von Naturtextilien Kunden ein, als "hessnatur Botschafter" weltweit zu Lieferanten und Produktionsbetrieben zu reisen und damit alle Arbeitsschritte bis hin zum fertigen Kleidungsstück hautnah mitzuerleben. Die klare Markenbotschaft: Ein Unternehmen wie hessnatur kann es sich erlauben, Kunden als Botschafter zu Lieferanten vor Ort zu schicken.
Faire Lieferkette? Glaubwürdigkeit spielt in der Markenkommunikation eine wichtige Rolle. Die hess natur-Kundinnen konnten sich von der nachhaltigen Wolltextil-Produktion in Peru durch eine Führung von Standortbetreuer Matthias Hess (im Vordergrund) selbst überzeugen. |
Die 7 Ps des Integritätsmarketing
Mit der Erweiterung des Blickwinkels im Integritätsmarketing um relevante Anspruchsgruppen geht eine inhaltliche Erweiterung der klassischen 4 Ps - Product, Price, Place und Promotion - um weitere 3 Ps einher. Es handelt sich dabei um die Handlungsfelder Process, People und Physical Presence.
Ebenso wie sich das klassische Marketing weg von einer Abteilungslösung hin zu einer unternehmensweiten Denkhaltung im Sinne der Kunden entwickelt hat, verlangt auch das Integritätsmarketing eine ganzheitliche, unternehmensweite Verankerung. Fragen nach der Beschaffung biologisch angebauter Rohstoffe oder nach möglichst energieeffizienter Produktion betreffen nicht alleine die Marketingabteilung. Deshalb muss man Absprachen treffen sowie Verantwortlichkeiten und Prozesse genau definieren. Im Idealfall geschieht das mit Hilfe eines integrierten Nachhaltigkeitsmanagementsystems wie es zum Beispiel der Versandhändler für nachhaltige Büroartikel memo AG einsetzt.
Mitarbeiter als Botschafter der Marke
Ebenso relevant ist die Verankerung in der Unternehmenskultur, sprich: in den Köpfen und Herzen der Menschen, die für und mit der Marke arbeiten. Mitarbeiter, die sich mit den Produkten und den Werten des Unternehmens identifizieren und ihrer Arbeit mit Freude und Motivation nachgehen, sind die besten Markenbotschafter. Eine Anekdote aus dem Hause Porsche berichtet von Unternehmensberatern, die bei dem schwäbischen Autobauer an einem wackelnden Stehtisch auf einen Termin warteten. Darum baten sie einen Mitarbeiter um einen Bierdeckel. Dieser rückte mit einem Schraubenschlüssel an und justierte den Tisch aufs Genauste mit der Aussage "Wir bei Porsche arbeiten nicht mit Bierdeckeln". Eine hohe Qualität der Produkte, aber ebenso ein hoher Wohlfühlfaktor am Arbeitsplatz sind zentrale Treiber für die Mitarbeiteridentifikation.
Markenwerte sicht- und greifbar machen
Um die Marke zum Erlebnis zu machen, eignet sich auch das Handlungsfeld "Physical Presence" der 7 Ps. Die Gegenstände oder Räumlichkeiten des Unternehmens "berühren" die Anspruchsgruppen mit allen Sinnen. Wie sind die Arbeitsplätze für die Mitarbeiter ausgestattet? Finden sich zentrale Markenwerte wie ökologische Verantwortung in der Gestaltung der Filialen und Firmengebäude wieder? Der Schwarzwälder Maschinenbauer Schmalz, Hidden Champion für Vakuum-Technologie, hat einen eigenen Öko-Lehrpfad an ihrem Stammsitz eingerichtet, um die Umweltschutzmaßnahmen für Anspruchsgruppen greifbar zu machen. Auf der kostenlosen Tour, die von Mitarbeitern geführt wird, können die Teilnehmer die Umweltschutzmaßnahmen hautnah erleben und erhalten anhand von Modellen und Infotafeln mehr Hintergrundinformationen zu Themen wie Solarenergie und Wärmerückgewinnung.
Im Marketing der Zukunft geht es nicht mehr nur um bunte Bilder und griffige Claims, sondern darum, die innersten Überzeugungen und Werte des Unternehmens im Umgang mit allen Anspruchsgruppen sichtbar zu machen. Mit welchen Instrumenten und Methoden dies im Tagesgeschäft gelingen kann, erklären wir in den Folgebeiträgen zu jedem der sieben Handlungsfelder des Integritätsmarketing anhand von Best Practice-Beispielen und Interviews mit Fachexperten und Praktikern.
Von Dennis Lotter und Jerome Braun
Im Profil
Dr. Dennis Lotter und Jerome Braun begleiten mit ihrer Agentur Benefit Identity Unternehmen und Organisationen seit mehr als zehn Jahren bei der Gestaltung ihrer Markenintegrität durch eine verantwortliche Betriebsführung. Darüber hinaus sind sie gefragte Fachautoren und Vortragsredner.
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Quelle:
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 20.01.2014
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