Ethik der Governance
Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen geht in eine neue Dimension
Die Beschäftigung mit den Themen "Corporate Social Responsibility", "Nachhaltigkeit" und "Compliance" und eine daraus folgende Implementierung eines entsprechenden Werte-Management-Systems sind in der Regel unternehmens- und manchmal auch personenspezifischen Motivationen und Anlässen geschuldet. Reputations- und Markenmanagement, Erfüllung von gesetzlichen und Corporate Governance-Pflichten, Risikomanagement, Vertragspflichten gegenüber Kunden, Anpassung an Industriestandards - all dies waren und sind häufige und völlig legitime Ausgangspunkte. Im Verlauf des letzten Jahres hat sich die Situation allerdings in eine Richtung entwickelt, über die es sich etwas genauer nachzudenken lohnt, weil sie einen direkten und tiefen Einfluss auf das strategische Management von Unternehmen hat. Die Stichworte zur aktuellen Lage sind: Integrity Management und Social Compliance.
Governance Ethik und Standards guter Unternehmensführung
In den letzten drei Jahren sind verschiedene globale Standards in Kraft getreten oder verändert worden, die sich auf den ersten Blick mit dem Thema Corporate Social Responsibility zu beschäftigen scheinen. Der ISO 26.000 SR (2010), die UN Guidelines for Business and Human Rights (2011), die überarbeiteten OECD-Leitsätze für Multinationale Unternehmen (2011), die Mitteilung der Europäischen Kommission "Eine neue Strategie für die soziale Verantwortung von Unternehmen (CSR) 2011-2014" und der Vorschlag der Kommission für eine gesetzliche Regulierung der CSR-Reportingpflichten aus 2013 spiegeln global akzeptierte Normen verantwortlichen unternehmerischen Verhaltens. Diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren unter den Stichworten "Millenium 2015" und "Rio +20" weitergeführt werden. Ganz offensichtlich leben wir in einer Zeit, in der eine globale normative Ordnung entsteht, die nicht nur, aber in besonderer Weise für die Wirtschaft von wesentlicher Bedeutung ist. Die beispielhaft erwähnten Dokumente repräsentieren Standards guter Unternehmensführung, die die ethischen Anforderungen an die Geschäftspraxis in Governancestrukturen einbetten und messen. Corporate Governance ist daher heute nicht länger beschränkt auf die Überwachungsfunktion, sondern umfasst die gesamte wirtschaftliche und normative Führung sowie das Management und Monitoring eines Unternehmens.
Compliance als Ausgangspunkt für ethisches Handeln
Wer obige Dokumente sorgfältig liest, wird schnell feststellen, dass in diesen Sozial- und Gesellschaftsstandards nicht nur Integrität von Unternehmen und deren Führungspersonal erwartet wird, sondern dass ihre Sprache und ihr ganzer Duktus aus der Compliance-Welt adaptiert wurden. Zentrale Begriffe dieser Dokumente sind "risk based due diligence", "effectiveness", "transparency" und "monitoring" des unternehmerischen Handelns und seiner Auswirkungen auf die Gesellschaft. Inhaltlich geht es um Menschenrechte, soziale Fragen der Arbeits- und Lebensbedingungen vor Ort und in den Wertschöpfungsketten sowie die aktive Durchsetzung von Stakeholder- und Verbraucherinteressen. Dies gilt nicht nur für Entwicklungsländer, sondern auch für Länder wie Deutschland. Gleiche Karrierechancen für Frauen werden dann zum Menschenrecht der Nichtdiskriminierung wegen des Geschlechts, Mindestlöhne in Deutschland werden eingeordnet in die weltweite "living wage"-Diskussion. Für den hier knapp dargestellten Handlungskomplex hat sich folgerichtig in der Zwischenzeit nicht nur der Begriff "CSR", sondern auch der der "Social Compliance" etabliert, deren Triebfeder, das lässt sich unschwer erkennen, ebenfalls die Frage nach der ethischen und moralischen Integrität der Unternehmen und ihres Managements ist.
"The business of business is business"?
Der gemeinsame Nenner der bis hierher skizzierten Entwicklung ist, dass sich die normativen Ansprüche von Recht, Politik und Gesellschaft an das Entscheiden und Handeln von Unternehmen in den letzten Jahren stark intensiviert haben. Milton Friedmans berühmter Satz aus den 70er-Jahren "The business of business is business", natürlich im Rahmen der geltenden Rechtsordnung und der guten Sitten, gehört als Legitimationsgrundlage der Wirtschaft und als moralisch ausreichende Richtschnur für Entscheidungen des Managements definitiv der Vergangenheit an. Manche werden das als politische und gesellschaftliche Fehlentwicklung einordnen, die es zu bedauern und zu bremsen gilt. Dabei wird allerdings übersehen, dass Unternehmen immer schon Organisationen der Gesellschaft waren und sind, mit denen diese ihre wirtschaftliche Tätigkeit organisieren. Es ist daher letztlich die Gesellschaft, die den Unternehmen ihre Geschäfts- und Wachstumslizenz zubilligt oder eben auch nicht.
Dass darin auch neue Geschäfts- und Wachstumschancen liegen, haben heute nicht wenige Unternehmen erkannt. Nachhaltigkeitsstrategien führen zu neuen Produkten und Dienstleistungen, gesellschaftliche Verantwortung zur Profilierung von Marken und des Ansehens bei Kunden und Mitarbeitern. Compliance ermöglicht überhaupt erst den Zugang zu risikosensiblen Märkten, und die in Deutschland weit entwickelte "Sozialpartnerschaft" hat ihren Anteil daran, dass wir, im Vergleich zu anderen Ländern, relativ schnell und erfolgreich aus der Finanz- und Wirtschaftskrise herausgekommen sind.
Werte bieten neue Geschäfts- und Wachstumschancen
Eine wertegetriebene, lebendige Unternehmens- und Führungskultur realisiert, dass die neuen thematischen Herausforderungen Bestandteil des Kerngeschäfts und eine der Erfolgsvoraussetzungen des Geschäfts sind. Compliance als von außen aufgezwungenes Hemmnis für gute Geschäfte und CSR als Lösegeld für die Freilassung aus sozialen Fesseln zu verstehen und nicht als integralen Bestandteil von Geschäftsstrategien in einer modernen Welt bedeutet Entwicklungschancen zu übersehen, die darin für wache und dynamische Unternehmen liegen.
Ein Integratives Normatives Strategisches Management (INSM) geht deshalb über die reine Regelbefolgung hinaus und setzt darauf, dass eine werteorientierte Unternehmensführung eine Ressource im Wettbewerb auf den Faktor- und Absatzmärkten ist. Die Grundlage des INSM sind die Werte einer Organisation, so wie sie zum Beispiel im "Code of Ethics" oder den "Grundwerten" festgehalten sind und die in der Unternehmens- und Führungskultur gelebt werden müssen. Die professionelle Implementierung dieser Werte in alle operativen Bereiche - etwa Integrity & Compliance Management, Corporate Social Responsibility und Nachhaltigkeit - und in alle Prozesse und Verfahren des Unternehmens erfordert eine gezielte Planung, Koordination und Integration. Wertemanagement dient auf diese Weise der Schaffung und Nutzung von positiven und der Vermeidung von negativen Wirkungen von Entscheidungen und Praktiken in den einzelnen Bereichen des Unternehmens. Unternehmerische und gleichzeitig gesellschaftliche Wertschöpfung ist der Gegenstand eines Integrativen Normativen Strategischen Managements, für das die Unternehmensleitung in Zukunft mehr denn je die Verantwortung trägt.
Von Prof. Dr. Josef Wieland, Direktor des Leadership Excellence Instituts Zeppelin (LEIZ) und Vorsitzender des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik
Governance Ethik und Standards guter Unternehmensführung
In den letzten drei Jahren sind verschiedene globale Standards in Kraft getreten oder verändert worden, die sich auf den ersten Blick mit dem Thema Corporate Social Responsibility zu beschäftigen scheinen. Der ISO 26.000 SR (2010), die UN Guidelines for Business and Human Rights (2011), die überarbeiteten OECD-Leitsätze für Multinationale Unternehmen (2011), die Mitteilung der Europäischen Kommission "Eine neue Strategie für die soziale Verantwortung von Unternehmen (CSR) 2011-2014" und der Vorschlag der Kommission für eine gesetzliche Regulierung der CSR-Reportingpflichten aus 2013 spiegeln global akzeptierte Normen verantwortlichen unternehmerischen Verhaltens. Diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren unter den Stichworten "Millenium 2015" und "Rio +20" weitergeführt werden. Ganz offensichtlich leben wir in einer Zeit, in der eine globale normative Ordnung entsteht, die nicht nur, aber in besonderer Weise für die Wirtschaft von wesentlicher Bedeutung ist. Die beispielhaft erwähnten Dokumente repräsentieren Standards guter Unternehmensführung, die die ethischen Anforderungen an die Geschäftspraxis in Governancestrukturen einbetten und messen. Corporate Governance ist daher heute nicht länger beschränkt auf die Überwachungsfunktion, sondern umfasst die gesamte wirtschaftliche und normative Führung sowie das Management und Monitoring eines Unternehmens.
Compliance als Ausgangspunkt für ethisches Handeln
Wer obige Dokumente sorgfältig liest, wird schnell feststellen, dass in diesen Sozial- und Gesellschaftsstandards nicht nur Integrität von Unternehmen und deren Führungspersonal erwartet wird, sondern dass ihre Sprache und ihr ganzer Duktus aus der Compliance-Welt adaptiert wurden. Zentrale Begriffe dieser Dokumente sind "risk based due diligence", "effectiveness", "transparency" und "monitoring" des unternehmerischen Handelns und seiner Auswirkungen auf die Gesellschaft. Inhaltlich geht es um Menschenrechte, soziale Fragen der Arbeits- und Lebensbedingungen vor Ort und in den Wertschöpfungsketten sowie die aktive Durchsetzung von Stakeholder- und Verbraucherinteressen. Dies gilt nicht nur für Entwicklungsländer, sondern auch für Länder wie Deutschland. Gleiche Karrierechancen für Frauen werden dann zum Menschenrecht der Nichtdiskriminierung wegen des Geschlechts, Mindestlöhne in Deutschland werden eingeordnet in die weltweite "living wage"-Diskussion. Für den hier knapp dargestellten Handlungskomplex hat sich folgerichtig in der Zwischenzeit nicht nur der Begriff "CSR", sondern auch der der "Social Compliance" etabliert, deren Triebfeder, das lässt sich unschwer erkennen, ebenfalls die Frage nach der ethischen und moralischen Integrität der Unternehmen und ihres Managements ist.
"The business of business is business"?
Der gemeinsame Nenner der bis hierher skizzierten Entwicklung ist, dass sich die normativen Ansprüche von Recht, Politik und Gesellschaft an das Entscheiden und Handeln von Unternehmen in den letzten Jahren stark intensiviert haben. Milton Friedmans berühmter Satz aus den 70er-Jahren "The business of business is business", natürlich im Rahmen der geltenden Rechtsordnung und der guten Sitten, gehört als Legitimationsgrundlage der Wirtschaft und als moralisch ausreichende Richtschnur für Entscheidungen des Managements definitiv der Vergangenheit an. Manche werden das als politische und gesellschaftliche Fehlentwicklung einordnen, die es zu bedauern und zu bremsen gilt. Dabei wird allerdings übersehen, dass Unternehmen immer schon Organisationen der Gesellschaft waren und sind, mit denen diese ihre wirtschaftliche Tätigkeit organisieren. Es ist daher letztlich die Gesellschaft, die den Unternehmen ihre Geschäfts- und Wachstumslizenz zubilligt oder eben auch nicht.
Dass darin auch neue Geschäfts- und Wachstumschancen liegen, haben heute nicht wenige Unternehmen erkannt. Nachhaltigkeitsstrategien führen zu neuen Produkten und Dienstleistungen, gesellschaftliche Verantwortung zur Profilierung von Marken und des Ansehens bei Kunden und Mitarbeitern. Compliance ermöglicht überhaupt erst den Zugang zu risikosensiblen Märkten, und die in Deutschland weit entwickelte "Sozialpartnerschaft" hat ihren Anteil daran, dass wir, im Vergleich zu anderen Ländern, relativ schnell und erfolgreich aus der Finanz- und Wirtschaftskrise herausgekommen sind.
Werte bieten neue Geschäfts- und Wachstumschancen
Eine wertegetriebene, lebendige Unternehmens- und Führungskultur realisiert, dass die neuen thematischen Herausforderungen Bestandteil des Kerngeschäfts und eine der Erfolgsvoraussetzungen des Geschäfts sind. Compliance als von außen aufgezwungenes Hemmnis für gute Geschäfte und CSR als Lösegeld für die Freilassung aus sozialen Fesseln zu verstehen und nicht als integralen Bestandteil von Geschäftsstrategien in einer modernen Welt bedeutet Entwicklungschancen zu übersehen, die darin für wache und dynamische Unternehmen liegen.
Ein Integratives Normatives Strategisches Management (INSM) geht deshalb über die reine Regelbefolgung hinaus und setzt darauf, dass eine werteorientierte Unternehmensführung eine Ressource im Wettbewerb auf den Faktor- und Absatzmärkten ist. Die Grundlage des INSM sind die Werte einer Organisation, so wie sie zum Beispiel im "Code of Ethics" oder den "Grundwerten" festgehalten sind und die in der Unternehmens- und Führungskultur gelebt werden müssen. Die professionelle Implementierung dieser Werte in alle operativen Bereiche - etwa Integrity & Compliance Management, Corporate Social Responsibility und Nachhaltigkeit - und in alle Prozesse und Verfahren des Unternehmens erfordert eine gezielte Planung, Koordination und Integration. Wertemanagement dient auf diese Weise der Schaffung und Nutzung von positiven und der Vermeidung von negativen Wirkungen von Entscheidungen und Praktiken in den einzelnen Bereichen des Unternehmens. Unternehmerische und gleichzeitig gesellschaftliche Wertschöpfung ist der Gegenstand eines Integrativen Normativen Strategischen Managements, für das die Unternehmensleitung in Zukunft mehr denn je die Verantwortung trägt.
Modell eines praxisbezogenen Werte-Managements als "Integratives Normatives Strategisches Management" (INSM) basierend auf den Grundideen der Governance-Ethik. |
Von Prof. Dr. Josef Wieland, Direktor des Leadership Excellence Instituts Zeppelin (LEIZ) und Vorsitzender des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik
Quelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 22.01.2014
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