Werte für den Wettbewerb - UnternehmerInnen in gesellschaftlicher Verantwortung
Bericht von der UnternehmensGrün-Jahrestagung
Bericht von der UnternehmensGrün-Jahrestagung a 9. Dezember 2006 in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung, der Petra-Kelly-Stiftung und der Evangelischen Stadtakademie München
Widersprüche ausleuchten
Massenentlassungen bei steigenden Renditen, üppige Managergehälter und spektakuläre Firmenpleiten - mit den von vielen Unternehmen proklamierten ethischen Leitbildern und moralischen Standards will das nicht recht zusammenpassen. Also einmal mehr nur Wortgeklingel der Marketingstrategen?
Die Debatte um Werte, Nachhaltigkeit und Verantwortung ist jedenfalls in vollem Gange und wird nicht zuletzt von den Unternehmen kräftig befeuert. Die Teilnehmer der Tagung "Werte für den Wettbewerb" hatten am 9. Dezember 2006 in der Evangelischen Stadtakademie in München reichlich Gelegenheit, diese Entwicklung zu beleuchten und dabei insbesondere über Anspruch und Wirklichkeit unternehmerischen Handelns in und für die Gesellschaft zu diskutieren.
"Der Graben zwischen Teilen der Wirtschaft und der Gesellschaft wird größer", stellte Andreas Buchner, Vorstandsmitglied des Wirtschaftsverbandes UnternehmensGrün und Vertreter der Petra-Kelly-Stiftung, in seiner einführenden Begrüßung fest. Viele Manager könnten die Empörung über ihre Entscheidungen und ihr Auftreten schlicht nicht nachvollziehen. Umgekehrt fehlt der Bevölkerungsmehrheit jedes Verständnis für eine allein auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Unternehmenspolitik. Diese Verständnislosigkeit auf beiden Seiten sei insofern problematisch, als Wirtschaft und Gesellschaft keine getrennten Sphären darstellten. So habe beispielsweise "eine familienfreundliche Personalpolitik gesellschaftliche Auswirkungen" - und zwar auch dann, wenn diese allein an den Unternehmensinteressen orientiert sei.
Dieser Einschätzung folgten auch die Vertreterinnen der beiden anderen veranstaltenden Organisationen. In ihren Grußworten betonten Jutta Höcht-Stöhr (Evangelische Stadtakademie München) und Ute Brümmer (Heinrich-Böll-Stiftung) beide die Notwendigkeit, Widersprüche in der Wertediskussion deutlich zu benennen, dabei aber die Interessen und Motive der Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft vorurteilsfrei zu untersuchen und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten.
Gewinnstreben nicht amoralisch
Als einen wesentlichen Grund für die überzogenen Erwartungen an die Wirtschaft machte Prof. Dr. André Habisch von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt die unreflektierte Übernahme der kantschen Pflichtethik für die Beurteilung ökonomischer Entscheidungen aus. Streben nach Umsatz und Gewinn seien nach dieser Sichtweise von vornherein moralisch bedenklich, während sich das Individuum als gesellschaftlicher Akteur stets auf ethisch sicherem Fundament bewegen könne.
Für Habisch handelt jeder Unternehmer oder Manager moralisch korrekt, wenn er für die Existenz und den Erfolg des Unternehmens notwendige Entscheidungen fällt und diese nicht im Widerspruch zu übergeordneten Normen wie der Rechtsordnung stünden. Dementsprechend seien auch gesellschaftliche Aktivitäten eines Unternehmens (Corporate Social Responsibility - CSR beziehungsweise Corporate Citizenship) zu beurteilen: "Dieses Engagement soll Wettbewerbsvorteile bringen." Allerdings müsse jedes Unternehmen einen optimierten Einsatz bringen, nötig seien "Professionalität, Offenheit und ständige Evaluation".
Insgesamt sieht Habisch einen steigenden Bedarf. Durch die Globalisierung induzierte Prozesse bewirken eine "Neujustierung öffentlicher Güter". Der Staat verliere als "Erzwingungsinstanz" zunehmend an Bedeutung. Von daher seien Bereiche wie Ausbildung, Kultur, Verkehr und regionaler Arbeitsmarkt als Betätigungsfelder einer aktiven Bürgergesellschaft prädestiniert. In anderen Ländern wie Dänemark, Niederlande oder USA habe die Bürgergesellschaft diese Rolle bereits erfolgreich übernommen. Trotz guter Ansätze gebe es in Deutschland noch einigen Nachholbedarf, nicht zuletzt, "weil den Politikern der Mut fehlt, Ansprüche der Bürger an den Staat zurückzuweisen".
In der folgenden Diskussion widersprachen mehrere Teilnehmer der Einschätzung, dass der Staat als Akteur ausfiele. Viele Probleme, auch auf internationaler Ebene wie der WTO, seien nur durch einen starken und handlungsfähigen Staat in den Griff zu bekommen. Für Habisch eine "typisch deutsche Antwort auf die Globalisierung", die die Bedeutung und die Möglichkeiten von CSR weit unterschätzt.
"Im Einklang mit der Natur"
Karl Ludwig Schweisfurth war Manager in der traditionellen Fleischverarbeitung ("Herta") und wandte sich schließlich von dort herrschenden Produktionsmethoden ab. Als Gründer und Inhaber der Hermannsdorfer Landwerkstätten (Glonn) stellt er heute nach streng biologischen Methoden her, auch seine bäuerlichen Lieferanten hat er auf diese Qualitätsgrundsätze verpflichtet.
Die Zuweisung persönlicher Verantwortung an die Mitarbeiter, deren Identifikation mit Produkten und dem Unternehmen und nicht zuletzt die Produkte selbst seien unter ethischen Gesichtspunkten, so Schweisfurth, per se wichtige Werte, die dem Leitprinzip "Bewahrung der Schöpfung" genügen müssten. Selbstverständlich ergäben sich daraus auch Vorteile auf dem Markt. Allerdings stellte Schweisfurth ebenso klar: "Hermannsdorf ist eine kapitalistische Veranstaltung."
Die Konzepte, da ist sich Schweisfurth sicher, lassen sich auch auf die Landwirtschaften der Entwicklungs- und Schwellenländer übertragen. "Das Argument der Agroindustrie, nur mithilfe von Dünger, Chemie und Gentechnik lasse sich die Menschheit ernähren, stimmt nicht." Denn der Hunger in vielen Regionen der Welt sei keine Frage des Angebots, sondern der ungerechten Verteilung.
Neue Einsichten
Die Teilnehmer hatten nun im Folgenden Gelegenheit, in verschiedenen Foren Referenten zu speziellen Themen zu hören. Dazu gehörten unter anderem die Bereiche Mitarbeiterbeteiligung, Standortwahl, unternehmerische Verantwortung und familiengerechte Personalpolitik.
In diesen Foren dominierte die Unternehmenspraxis, und dabei nahmen viele Teilnehmer neue Einsichten mit nach Hause - etwa bei der Frage, wie eine familienfreundliche Personalpolitik aussehen könne: Denn während sich der öffentliche Fokus und die Politik stark auf die Kinderbetreuung richtet, ist in vielen Unternehmen die Unterstützung kranker und betagter Angehöriger ein Thema von steigender Relevanz für die kurz- und mittelfristige Betriebsorganisation.
Auch das Thema "Mitarbeiterbeteiligung" - zum Zeitpunkt der Tagung wurde auf Bundesebene heftig über das Thema "Investivlohn" diskutiert - stellte sich bei näherer Betrachtung sehr viel differenzierter dar. Denn neben der Frage der Vergütung und Eigenkapitalbildung ist auch der Nutzen für den Unternehmenserfolg insgesamt zu bedenken: Stefan Fritz von der Gesellschaft für Innerbetriebliche Zusammenarbeit GmbH (Forchheim/Oberfranken) konnte dazu mit einigen interessanten empirischen Fakten aufwarten, etwa dass Unternehmen mit Beteiligung in der Regel einen signifikant höheren Umsatz haben, in Forschung und Entwicklung wesentlich innovativer sind und damit letztlich produktiver arbeiten.
Vor überzogenen Erwartungen bei Aktivitäten im Bereich Corporate Social Responsibility warnte Petra Kinzl, Mitglied der Geschäftsleitung der betapharm Arzneimittel GmbH (Augsburg). "Erfolg ist nur schwer quantifizierbar", bei Investoren und Banken kann dies Probleme bereiten. Insgesamt hätten sich die CSR-Aktivitäten für das Unternehmen aber gelohnt. Es habe einen "spürbare Imageänderung bei Endkunden und im Handel gegeben".
Mythos Standort
Die Verlagerung von Unternehmensteilen oder der Firma insgesamt ins Ausland ist für viele Unternehmer und Manager in Zeiten globalisierter Märkte eine mögliche Alternative. Die Gründe für den Weggang sind unterschiedlich und reichen von niedrigeren Personalkosten, Steuern und Umweltstandards über die Nähe zu den Zielmärkten bis hin zur Inanspruchnahme von Fördermitteln oder Infrastrukturhilfen.
Dr. Thomas Gambke, Geschäftsführer Schott Electronics GmbH (Landshut), und Roland Stelzer, Geschäftsführer Elmerex - Gebrüder Elmer & Zweifel GmbH (Bempflingen), sahen beide Vorteile im Auslandengagement. Beide betonten aber, dass Steuervorteile und vermeintlich niedrigere Personalkosten den Blick auf andere Probleme verstellten. Dazu gehörten insbesondere Qualifikation der Mitarbeiter, kulturelle Barrieren, das Rechtssystem, Korruption und Kriminalität sowie die soziale und politische Stabilität insgesamt.
Bleibt die Zentrale im Deutschland, stelle sich darüber hinaus die Frage nach Vertrauenspersonen vor Ort, Betreuungsaufwand und Informationsfluss. Auch dass viele deutsche Banken dem Auslandengagement ihrer Geschäftskunden skeptisch bis ablehnend gegenüber stehen, müsse bedacht werden.
Für Stelzer stoße das Auslandsengagement gerade dort an Grenzen, wo ökologische Standards für die Produktqualität entscheidend sind. Hier habe es etwa bei potenziellen chinesischen Partnern immer wieder unüberbrückbare "mentale Differenzen" gegeben. Hinzu kämen historische Motive, die bei der Akzeptanz von Investitionen gerade in Osteuropa nicht zu unterschätzen seien. Gambke zu seinen Erfahrungen in Tschechien: "Die deutsche Geschichte kann einen dort auch heute noch schnell einholen."
Braucht der Mittelstand CSR?
Bei der von Bascha Mika, Chefredakteurin der "taz" (Berlin), moderierten Abschlussdiskussion wurde zunächst heftig über die Frage diskutiert, ob und gegebenenfalls wie lange ein Unternehmen mit unlauterem Auftreten gegen die öffentliche Meinung durchhalten könne. "Kurzfristig ja, langfristig wird das Unternehmen Probleme bekommen", meinte Gottfried Härle, Brauerei Clemens Härle (Leutkirch) und Mitglied im Vorstand von UnternehmensGrün. Prof. Dr. Hubert Kleinert, Verwaltungsfachhochschule Wiesbaden, ehemals Landesvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen Hessen, bezweifelte dies hingegen: "Es gibt Gewöhnungseffekte", auch sei "das moralische Gefühl der Zeitgenossen nicht frei von Wankelmütigkeit".
In der Runde war man sich jedoch bald einig, man wolle als mittelständische Unternehmer nicht mit den "Großen" in einen Topf geworfen werden. Karl Ludwig Schweisfurth: "Wir dürfen den Ackermännern nicht das Bild vom Unternehmertum überlassen." Im Übrigen, so Markus C. Müller, ubitexx GmbH (München), Stellvertretender Bundesvorsitzender des Bundesverbandes Junger Unternehmer (BJU), habe es der Mittelstand gar nicht nötig, durch spezielle CSR-Aktivitäten zu glänzen. "Manche Mittelständler bezeichnen irgendwann Dinge als CSR, die sie schon immer gemacht haben."
Gottfried Härle war diese Haltung dann doch zu unscharf, gesellschaftliches Engagement eines Unternehmens dürfe seiner Meinung nach durchaus hervorgehoben werden. "Hingegen sollte man gesetzeskonformes Verhalten nicht mit CSR verwechseln." So weit wollte sein Kollege Schweisfurth schon gar nicht gehen, "wer sich als Unternehmer anständig verhält, der braucht kein CSR". Für Müller hingegen ist unternehmerisches Handeln vor allem Verantwortung für das eigene Unternehmen, die sich nur mittelbar auf die Gesellschaft übertrage. Dazu gehörten auch die Mitarbeiter: "Die Aufgabe des Unternehmers ist es nicht, Arbeitsplätze zu schaffen" - eine Position, die im Publikum nicht ohne Widerspruch blieb.
Wie weit die Politik auf das gesellschaftliche Engagement der Unternehmer bauen kann und sollte, diskutierte die Runde am Ende der Veranstaltung. Johannes Singhammer Mitglied des Bundestages für die CSU und Ministerialrat a.D., sieht die Politik durchaus im Zwiespalt: "Der Staat muss Rahmenbedingungen schaffen, gleichzeitig aber auch die Leistungsfähigkeit der Untenehmen sichern." Gottfried Härle und Hubert Kleinert forderten von der Politik klare Grenzen bei der Abgabe von Aufgaben an die Unternehmen. Sonst bestehe die Gefahr, so Härle, dass beispielsweise ein Unternehmen das örtliche Theater unterstützt und am Ende den Spielplan bestimmt.
Widersprüche ausleuchten
Massenentlassungen bei steigenden Renditen, üppige Managergehälter und spektakuläre Firmenpleiten - mit den von vielen Unternehmen proklamierten ethischen Leitbildern und moralischen Standards will das nicht recht zusammenpassen. Also einmal mehr nur Wortgeklingel der Marketingstrategen?
Die Debatte um Werte, Nachhaltigkeit und Verantwortung ist jedenfalls in vollem Gange und wird nicht zuletzt von den Unternehmen kräftig befeuert. Die Teilnehmer der Tagung "Werte für den Wettbewerb" hatten am 9. Dezember 2006 in der Evangelischen Stadtakademie in München reichlich Gelegenheit, diese Entwicklung zu beleuchten und dabei insbesondere über Anspruch und Wirklichkeit unternehmerischen Handelns in und für die Gesellschaft zu diskutieren.
"Der Graben zwischen Teilen der Wirtschaft und der Gesellschaft wird größer", stellte Andreas Buchner, Vorstandsmitglied des Wirtschaftsverbandes UnternehmensGrün und Vertreter der Petra-Kelly-Stiftung, in seiner einführenden Begrüßung fest. Viele Manager könnten die Empörung über ihre Entscheidungen und ihr Auftreten schlicht nicht nachvollziehen. Umgekehrt fehlt der Bevölkerungsmehrheit jedes Verständnis für eine allein auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Unternehmenspolitik. Diese Verständnislosigkeit auf beiden Seiten sei insofern problematisch, als Wirtschaft und Gesellschaft keine getrennten Sphären darstellten. So habe beispielsweise "eine familienfreundliche Personalpolitik gesellschaftliche Auswirkungen" - und zwar auch dann, wenn diese allein an den Unternehmensinteressen orientiert sei.
Dieser Einschätzung folgten auch die Vertreterinnen der beiden anderen veranstaltenden Organisationen. In ihren Grußworten betonten Jutta Höcht-Stöhr (Evangelische Stadtakademie München) und Ute Brümmer (Heinrich-Böll-Stiftung) beide die Notwendigkeit, Widersprüche in der Wertediskussion deutlich zu benennen, dabei aber die Interessen und Motive der Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft vorurteilsfrei zu untersuchen und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten.
Gewinnstreben nicht amoralisch
Als einen wesentlichen Grund für die überzogenen Erwartungen an die Wirtschaft machte Prof. Dr. André Habisch von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt die unreflektierte Übernahme der kantschen Pflichtethik für die Beurteilung ökonomischer Entscheidungen aus. Streben nach Umsatz und Gewinn seien nach dieser Sichtweise von vornherein moralisch bedenklich, während sich das Individuum als gesellschaftlicher Akteur stets auf ethisch sicherem Fundament bewegen könne.
Für Habisch handelt jeder Unternehmer oder Manager moralisch korrekt, wenn er für die Existenz und den Erfolg des Unternehmens notwendige Entscheidungen fällt und diese nicht im Widerspruch zu übergeordneten Normen wie der Rechtsordnung stünden. Dementsprechend seien auch gesellschaftliche Aktivitäten eines Unternehmens (Corporate Social Responsibility - CSR beziehungsweise Corporate Citizenship) zu beurteilen: "Dieses Engagement soll Wettbewerbsvorteile bringen." Allerdings müsse jedes Unternehmen einen optimierten Einsatz bringen, nötig seien "Professionalität, Offenheit und ständige Evaluation".
Insgesamt sieht Habisch einen steigenden Bedarf. Durch die Globalisierung induzierte Prozesse bewirken eine "Neujustierung öffentlicher Güter". Der Staat verliere als "Erzwingungsinstanz" zunehmend an Bedeutung. Von daher seien Bereiche wie Ausbildung, Kultur, Verkehr und regionaler Arbeitsmarkt als Betätigungsfelder einer aktiven Bürgergesellschaft prädestiniert. In anderen Ländern wie Dänemark, Niederlande oder USA habe die Bürgergesellschaft diese Rolle bereits erfolgreich übernommen. Trotz guter Ansätze gebe es in Deutschland noch einigen Nachholbedarf, nicht zuletzt, "weil den Politikern der Mut fehlt, Ansprüche der Bürger an den Staat zurückzuweisen".
In der folgenden Diskussion widersprachen mehrere Teilnehmer der Einschätzung, dass der Staat als Akteur ausfiele. Viele Probleme, auch auf internationaler Ebene wie der WTO, seien nur durch einen starken und handlungsfähigen Staat in den Griff zu bekommen. Für Habisch eine "typisch deutsche Antwort auf die Globalisierung", die die Bedeutung und die Möglichkeiten von CSR weit unterschätzt.
"Im Einklang mit der Natur"
Karl Ludwig Schweisfurth war Manager in der traditionellen Fleischverarbeitung ("Herta") und wandte sich schließlich von dort herrschenden Produktionsmethoden ab. Als Gründer und Inhaber der Hermannsdorfer Landwerkstätten (Glonn) stellt er heute nach streng biologischen Methoden her, auch seine bäuerlichen Lieferanten hat er auf diese Qualitätsgrundsätze verpflichtet.
Die Zuweisung persönlicher Verantwortung an die Mitarbeiter, deren Identifikation mit Produkten und dem Unternehmen und nicht zuletzt die Produkte selbst seien unter ethischen Gesichtspunkten, so Schweisfurth, per se wichtige Werte, die dem Leitprinzip "Bewahrung der Schöpfung" genügen müssten. Selbstverständlich ergäben sich daraus auch Vorteile auf dem Markt. Allerdings stellte Schweisfurth ebenso klar: "Hermannsdorf ist eine kapitalistische Veranstaltung."
Die Konzepte, da ist sich Schweisfurth sicher, lassen sich auch auf die Landwirtschaften der Entwicklungs- und Schwellenländer übertragen. "Das Argument der Agroindustrie, nur mithilfe von Dünger, Chemie und Gentechnik lasse sich die Menschheit ernähren, stimmt nicht." Denn der Hunger in vielen Regionen der Welt sei keine Frage des Angebots, sondern der ungerechten Verteilung.
Neue Einsichten
Die Teilnehmer hatten nun im Folgenden Gelegenheit, in verschiedenen Foren Referenten zu speziellen Themen zu hören. Dazu gehörten unter anderem die Bereiche Mitarbeiterbeteiligung, Standortwahl, unternehmerische Verantwortung und familiengerechte Personalpolitik.
In diesen Foren dominierte die Unternehmenspraxis, und dabei nahmen viele Teilnehmer neue Einsichten mit nach Hause - etwa bei der Frage, wie eine familienfreundliche Personalpolitik aussehen könne: Denn während sich der öffentliche Fokus und die Politik stark auf die Kinderbetreuung richtet, ist in vielen Unternehmen die Unterstützung kranker und betagter Angehöriger ein Thema von steigender Relevanz für die kurz- und mittelfristige Betriebsorganisation.
Auch das Thema "Mitarbeiterbeteiligung" - zum Zeitpunkt der Tagung wurde auf Bundesebene heftig über das Thema "Investivlohn" diskutiert - stellte sich bei näherer Betrachtung sehr viel differenzierter dar. Denn neben der Frage der Vergütung und Eigenkapitalbildung ist auch der Nutzen für den Unternehmenserfolg insgesamt zu bedenken: Stefan Fritz von der Gesellschaft für Innerbetriebliche Zusammenarbeit GmbH (Forchheim/Oberfranken) konnte dazu mit einigen interessanten empirischen Fakten aufwarten, etwa dass Unternehmen mit Beteiligung in der Regel einen signifikant höheren Umsatz haben, in Forschung und Entwicklung wesentlich innovativer sind und damit letztlich produktiver arbeiten.
Vor überzogenen Erwartungen bei Aktivitäten im Bereich Corporate Social Responsibility warnte Petra Kinzl, Mitglied der Geschäftsleitung der betapharm Arzneimittel GmbH (Augsburg). "Erfolg ist nur schwer quantifizierbar", bei Investoren und Banken kann dies Probleme bereiten. Insgesamt hätten sich die CSR-Aktivitäten für das Unternehmen aber gelohnt. Es habe einen "spürbare Imageänderung bei Endkunden und im Handel gegeben".
Mythos Standort
Die Verlagerung von Unternehmensteilen oder der Firma insgesamt ins Ausland ist für viele Unternehmer und Manager in Zeiten globalisierter Märkte eine mögliche Alternative. Die Gründe für den Weggang sind unterschiedlich und reichen von niedrigeren Personalkosten, Steuern und Umweltstandards über die Nähe zu den Zielmärkten bis hin zur Inanspruchnahme von Fördermitteln oder Infrastrukturhilfen.
Dr. Thomas Gambke, Geschäftsführer Schott Electronics GmbH (Landshut), und Roland Stelzer, Geschäftsführer Elmerex - Gebrüder Elmer & Zweifel GmbH (Bempflingen), sahen beide Vorteile im Auslandengagement. Beide betonten aber, dass Steuervorteile und vermeintlich niedrigere Personalkosten den Blick auf andere Probleme verstellten. Dazu gehörten insbesondere Qualifikation der Mitarbeiter, kulturelle Barrieren, das Rechtssystem, Korruption und Kriminalität sowie die soziale und politische Stabilität insgesamt.
Bleibt die Zentrale im Deutschland, stelle sich darüber hinaus die Frage nach Vertrauenspersonen vor Ort, Betreuungsaufwand und Informationsfluss. Auch dass viele deutsche Banken dem Auslandengagement ihrer Geschäftskunden skeptisch bis ablehnend gegenüber stehen, müsse bedacht werden.
Für Stelzer stoße das Auslandsengagement gerade dort an Grenzen, wo ökologische Standards für die Produktqualität entscheidend sind. Hier habe es etwa bei potenziellen chinesischen Partnern immer wieder unüberbrückbare "mentale Differenzen" gegeben. Hinzu kämen historische Motive, die bei der Akzeptanz von Investitionen gerade in Osteuropa nicht zu unterschätzen seien. Gambke zu seinen Erfahrungen in Tschechien: "Die deutsche Geschichte kann einen dort auch heute noch schnell einholen."
Braucht der Mittelstand CSR?
Bei der von Bascha Mika, Chefredakteurin der "taz" (Berlin), moderierten Abschlussdiskussion wurde zunächst heftig über die Frage diskutiert, ob und gegebenenfalls wie lange ein Unternehmen mit unlauterem Auftreten gegen die öffentliche Meinung durchhalten könne. "Kurzfristig ja, langfristig wird das Unternehmen Probleme bekommen", meinte Gottfried Härle, Brauerei Clemens Härle (Leutkirch) und Mitglied im Vorstand von UnternehmensGrün. Prof. Dr. Hubert Kleinert, Verwaltungsfachhochschule Wiesbaden, ehemals Landesvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen Hessen, bezweifelte dies hingegen: "Es gibt Gewöhnungseffekte", auch sei "das moralische Gefühl der Zeitgenossen nicht frei von Wankelmütigkeit".
In der Runde war man sich jedoch bald einig, man wolle als mittelständische Unternehmer nicht mit den "Großen" in einen Topf geworfen werden. Karl Ludwig Schweisfurth: "Wir dürfen den Ackermännern nicht das Bild vom Unternehmertum überlassen." Im Übrigen, so Markus C. Müller, ubitexx GmbH (München), Stellvertretender Bundesvorsitzender des Bundesverbandes Junger Unternehmer (BJU), habe es der Mittelstand gar nicht nötig, durch spezielle CSR-Aktivitäten zu glänzen. "Manche Mittelständler bezeichnen irgendwann Dinge als CSR, die sie schon immer gemacht haben."
Gottfried Härle war diese Haltung dann doch zu unscharf, gesellschaftliches Engagement eines Unternehmens dürfe seiner Meinung nach durchaus hervorgehoben werden. "Hingegen sollte man gesetzeskonformes Verhalten nicht mit CSR verwechseln." So weit wollte sein Kollege Schweisfurth schon gar nicht gehen, "wer sich als Unternehmer anständig verhält, der braucht kein CSR". Für Müller hingegen ist unternehmerisches Handeln vor allem Verantwortung für das eigene Unternehmen, die sich nur mittelbar auf die Gesellschaft übertrage. Dazu gehörten auch die Mitarbeiter: "Die Aufgabe des Unternehmers ist es nicht, Arbeitsplätze zu schaffen" - eine Position, die im Publikum nicht ohne Widerspruch blieb.
Wie weit die Politik auf das gesellschaftliche Engagement der Unternehmer bauen kann und sollte, diskutierte die Runde am Ende der Veranstaltung. Johannes Singhammer Mitglied des Bundestages für die CSU und Ministerialrat a.D., sieht die Politik durchaus im Zwiespalt: "Der Staat muss Rahmenbedingungen schaffen, gleichzeitig aber auch die Leistungsfähigkeit der Untenehmen sichern." Gottfried Härle und Hubert Kleinert forderten von der Politik klare Grenzen bei der Abgabe von Aufgaben an die Unternehmen. Sonst bestehe die Gefahr, so Härle, dass beispielsweise ein Unternehmen das örtliche Theater unterstützt und am Ende den Spielplan bestimmt.
Britta Kurz und Michael Reisser
http://www.unternehmensgruen.de/veranstaltungen/JT2006/Artikel_JT2006.pdfQuelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 15.01.2007
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