Die Psychologie des Wandels
Status und Unabhängigkeit sind starke Motive für das Umwelthandeln. Aber reichen diese Treiber für die Vermarktung neuer Verfahren und Produkte wie der Brennstoffzellen-Technologie aus?
Bei jeder neuen Technologie gibt es immer eine Handvoll Menschen, die diese Technologie unbedingt nutzen wollen und denen der Preis egal ist, so genannte Lead User. Alle anderen lassen sich nur dadurch überzeugen, wenn man ihnen vorrechnet, dass die Anwendung der neuen Technologie ihnen Einsparungen oder Profit bringt. Das zumindest meinen die Hersteller. Aus Sicht der Umweltpsychologie ist das bestenfalls die halbe Wahrheit. Die Erfahrung lehrt, dass rund 10 Prozent der Menschen offen sind für Innovationen, weitere 10 Prozent lehnen Neuerungen rigoros ab. Bei Veränderungen oder bei der Einführung innovativer Technologien geht es also immer darum, die Menge der Menschen zwischen den beiden Polen zu motivieren. Bei der Einführung von Umwelttechnologien, so die Einsicht der Umweltpsychologen, geht es diesen Menschen aber nicht primär um den Preis und ihren persönlichen Profit. Im Vordergrund stehen ganz andere Motive.
Das Selbstbild ist entscheidend
Welche Motive das sind, wird deutlich, wenn man das zugrundeliegende Selbstbild der Menschen erfasst, die bereit sind, in nachhaltige Technologien zu investieren. Dieses Selbstbild lässt sich vereinfachend auf die Formel bringen: „Als guter Mensch werde ich alles mir mögliche tun, um mitzuhelfen, die Welt zu retten." Adressiert man bei diesen Menschen nun die Gewinnerzielungsabsicht, rechnet ihnen also vor, was es ihnen bringen könnte, wenn sie diese oder jene Technologie anwenden, wirkt das wie eine Beleidigung, eine Kränkung des Selbstbildes! Man unterstellt niedere Absichten an einer Stelle, an der der andere die Absicht hatte, selbstlos zu handeln!
Wer schon einmal gekränkt wurde kann sich leicht vorstellen, welche Folgen eine solche Kränkung hat. Im besten Fall wird der so Adressierte das Produkt, das er eben noch attraktiv fand, nicht kaufen. Im schlechtesten Fall wird er zu jener Fraktion überlaufen, die darauf aus ist, Fehler und Mängel an der Technologie aufzudecken, um zu beweisen, dass sie nicht funktionieren kann: zu den Ablehnern. Auch dieses Verhalten ist „psycho-logisch", denn es dient der Untermauerung der soeben getroffenen Entscheidung. Unternehmen, die bei der Vermarktung ihrer innovativen Technologien keine Abfuhr erhalten wollen, sollten Werbung und Marketing also lieber dazu nutzen, potenziellen Kunden Wertschätzung dafür zu vermitteln, dass sie bereit sind, in nachhaltige Technologien zu investieren, obwohl sie damit zunächst keinen Gewinn erzielen können!
„Geiz ist geil" zieht nicht bei Umwelttechnologie!
Misserfolge bei der Vermarktung umweltschonender Produkte und Technologien rücken einen Denkfehler von Werbeagenturen und Kampagnenmachern ins Licht: Die so gern genutzte „Geiz ist geil-Mechanik", die scheinbar auf alle Werbekampagnen zu passen scheint, greift nicht bei der Vermarktung von Umwelttechnologien. Offenbar gibt es Menschen, die weder geizig noch geldgeil sind und von denen sich viele für neue, nachhaltige Technologien interessieren. Wer also nach dem simplen „Geiz ist geil-Muster" Umwelttechnologien bewirbt, schadet der neuen Technologie eher als er ihr nutzt. Denn das Profit-Versprechen kann zumindest im Stadium der Markteinführung ohnehin nicht eingelöst werden und zugleich wird ein Welt- und Menschenbild befeuert, an dem die Welt doch eigentlich erst erkrankt ist – und das die neue Technologie zu heilen vorgibt. Geizistgeil-Werbung beschädigt die Glaubwürdigkeit der Inventoren der neuen Technologien in einem sehr frühen Stadium. Untern Strich gilt daher: Da sich bekanntlich Probleme nicht mit den gleichen Denkstrukturen lösen lassen, die zu ihrer Entstehung beigetragen haben, sollte man nachhaltige Technologien auch nicht mit denselben Argumenten vermarkten wie all die anderen Produkte. Doch welche Motive zählen bei der Entscheidung in die Investition innovativer Technologien wirklich? Welche „Vermarktungsmechanik" greift?
Unabhängigkeit und Status sind starke Anreize
Um mit dem Positiven zu beginnen: Energieunabhängigkeit, Autarkie also, ist ein starkes Motiv bei der Entscheidung für die Investition in erneuerbare Energien. Umfragen zeigen, dass bei vielen Menschen der Wunsch nach unabhängiger Versorgung groß ist – und weiter wächst. Brennstoffzellen sind zwar nicht ganz unabhängig von einer H2-Versorgung, erlauben aber eine Strom- und Wärmeversorgung gerade in sonnenarmen Stunden oder auch Wintermonaten. Damit sind sie prädestiniert für die kombinierte Nutzung mit Photovoltaikanlagen. Da Brennstoffzellen auch assoziiert werden mit Innovation, Raumfahrt und Zukunft, bieten sie sich als Aufwertung des Hauses – und des Hausbesitzers an. Hier kommt das Motiv „Status" ins Spiel. Doch anders als bei einer Solaranlage ist die Brennstoffzellen-Technik im Keller versteckt und selbst bei einer Besichtigung nur schwer von anderen Heiztechnologien zu unterscheiden. Im Zusammenhang mit dem starken Motiv der Statusaufwertung ist das ein echter Nachteil. Denn seinen Status signalisiert man am besten mit leicht Erkennbarem. Plaketten, Siegel oder andere Signale, die auf die Brennstofftechnologie aufmerksam und sie für andere „sichtbar" machen, können hier Abhilfe schaffen.
Vertrauen in Haltbarkeit und Leistung sind wichtig
Als neue und aufregende Technologie wirkt die Brennstoffzelle auf manche Menschen besonders anziehend. Tüftler oder Ingenieure zeigen hier eher Interesse als der Durchschnittsverbraucher. Für den liegt in der Neuheit vor allem ein Grund zur Vorsicht. Insbesondere in Anbetracht des hohen Preises sieht er im Falle eines Ausfalls Wohnkomfort und Bankkonto gleichermaßen gefährdet. Bei seiner Entscheidung für oder gegen eine solche Innovation wird er daher besonders sorgfältig das wahrgenommene Risiko und den erwarteten Aufwand abwägen; schließlich will er nicht als Versuchskaninchen herhalten. Bei der Vermarktung muss deshalb besonders der Kontext, in dem Entscheidungen gefällt werden, beachtet werden. Ein Eigenheimbesitzer entscheidet sich zunächst ja nicht für oder gegen die Brennstoffzelle, sondern er entscheidet erst, ob überhaupt ein Ersatz für die alte Heizung notwendig ist. Im zweiten Schritt konkurriert die Brennstoffzelle dann mit BHKW und der mittlerweile sehr effizienten und verbreiteten Brennwert-Therme. Erst bei dieser Betrachtung wägt er ab, ob die Entscheidung für die Brennstoffzelle bei aktuellen Strom- und Gaspreisen wirklich wirtschaftlich ist. Da sie es (noch) nicht ist, muss die Entscheidung über andere Vorzüge motiviert werden. Was Brennstoffzellen für eine Massenvermarktung in jedem Fall brauchen, ist das Vertrauen in Haltbarkeit, Leistung und Reparierbarkeit. Ein unbekannter Hersteller wird es in einem konservativen Markt gegen die großen Namen dabei sicher schwer haben. Aus diesem Grunde sollten sich fallweise große Unternehmen zusammenschließen, wenn es darum geht, neue Technologien in die Gesellschaft zu tragen.
Ein Kommentar von Angela Imdahl
ANGELA IMDAHL
entwickelt Kommunikationsstrategien für
Umweltprodukte und -Projekte. Sie ist Mitveranstalterin von green2market, der
ersten interdisziplinären Konferenz, die sich mit der Vermarktung nachhaltiger
Produkte und Lösungen beschäftigt und am 4. und 5. November in Stuttgart
stattfindet.
http://www.green2market.de
Technik | Cleantech, 01.10.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2014 - Green Tech als Retter der Erde erschienen.
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