Holzbauten wachsen in den Himmel
Höhere Bauten waren bisher gleichbedeutend mit der Verwendung von Beton und Stahl.

Die Holzbauweise begeistert immer mehr Architekten und Projektentwickler. Hohe Vorfertigungsgrade verkürzen die Bauzeiten und steigern die Qualität. Den Ruf, nachhaltig und klimafreundlich zu sein, hatte der Holzbau schon immer, sein Leistungspotenzial kann er aber erst heute richtig entfalten: Zum einen durch die Einführung IT-basierter Planungs- und Fertigungsmethoden, wie Computer Aided Design (CAD), Computer Aided Manufacturing (CAM) und Computerized Numerical Control (CNC). Zum anderen durch innovative Produkte wie Brettsperrholz, die dazu beitragen, dass der Holzbau seine Nischen verlässt und nunmehr in den Geschossbau strebt.
Holz-Turm mit Alpenblick

Die Angst vor dem Feuer
In den Städten hatten große Brände bis ins 19. Jahrhundert dazu geführt, dass das Bauen mit Holz durch strenge Vorschriften fast auf den Dachstuhl reduziert wurde. Der Brandschutz ist im mehrgeschossigen Holzbau auch heute die größte Herausforderung. Bis 2002 waren deshalb maximal 3 Geschosse in Holzbauweise erlaubt. Die im selben Jahr neu gefasste Musterbauordnung (MBO) ermöglichte erstmals höhere Bauten und führte neue Gebäudeklassen ein: Mehrgeschosser, bei deren oberstem Geschoss – in der Regel das fünfte – die Fußbodenoberkante nicht mehr als 13 m über Geländeniveau liegt und deren größte Nutzungseinheit nicht mehr als 400 m2 aufweist, gehören zur Gebäudeklasse 4, höhere Gebäude und Gebäude mit größeren Nutzungseinheiten zur Gebäudeklasse 5.
Die Tür zu fünf Geschossen ist offen

Brandschutz ist Verhandlungssache

Trotz strenger Brandschutzanforderungen durften im „H8" einige Massivholzdecken unverkapselt und damit sichtbar bleiben, weil das Gefährdungspotenzial als gering eingestuft wurde.
Verbundbau hilft Baukosten senken
Noch viel mehr Holz durfte beim 8-Geschosser in Dornbirn – einem reinen Bürogebäude – sichtbar bleiben. Möglich war dies durch die Aufgeschlossenheit der Vorarlberger Behörden, aber auch durch neuartige Holz-Beton-Verbunddecken sowie Sprinkleranlagen. Holz-Beton-Verbunddecken wurden auch beim 2013 in Bad Aibling errichteten 5-Geschosser „H5" eingebaut. Er ist sozusagen eine Weiterentwicklung des 8-Geschossers „H8". Die beiden Gebäude sind Teil der dort entstehenden „City of Wood", einem Experimentierfeld des großen Wohnungswirtschaftsunternehmens B&O, das auf diese Weise wertvolle Erkenntnisse für die Nachverdichtung und Erneuerung bestehender Wohnanlagen sammelt. Während „Schankula Architekten" beim „H8" untersuchten, was mit Holz überhaupt realisierbar ist, stand beim „H5" die Kombination von Holz mit Stahlbeton im Fokus – vor allem in Hinblick auf eine mögliche Senkung der Baukosten. Die Ausgangsidee war, Betondecken auf Holzständerwände aufzulegen. Daraus entwickelte sich ein Bausystem, in dem sich exakt vorgefertigte Holz- und Betonelemente für Wände und Decken fast beliebig kombinieren lassen.
Das Flaggschiff in Holz
Ein völlig anderes Konzept verfolgte der 2013 für die Internationale Bauausstellung (IBA) in Hamburg realisierte 5-Geschosser „Woodcube". Der Entwurf stammte vom Berliner „Institut für urbanen Holzbau" (IFUH) und war ursprünglich ebenfalls als Hybridkonstruktion geplant. Doch der Projektentwickler Matthias Korff wollte eine möglichst „reine" Holzkonstruktion. Innen und außen sollte unbehandeltes Holz sichtbar sein. Die Stuttgarter „architekturagentur" übernahm die weitere Planung und wählte für die Realisierung schließlich das österreichische Vollholzsystem „Thoma Holz 100", das speziell für dieses Projekt weiterentwickelt wurde. Die große Menge Vollholz erhöhte zwar die Baukosten um rund 25 Prozent gegenüber dem sonst üblichen Holzrahmenbau, sorgt aber für eine hohe Wohnqualität, eine lange Lebensdauer und eine überragende CO2-Bilanz. Dass das Massivholz sichtbar bleiben durfte, liegt an seinem trägen Brandverhalten: 0,7 mm/min. Dadurch erreichen die tragenden Holzwände hier sogar eine Feuerwiderstandsdauer von über 90 Minuten, obwohl nur 60 Minuten gefordert sind. Außerdem sind schwer erkenn- und löschbare Hohlraumbrände im Massivholzbau ausgeschlossen. Eine dezidierte Risikobetrachtung verschiedener Brandszenarien überzeugte Feuerwehr und Genehmigungsbehörde.
Champion der Nachverdichtung
Obwohl der Holzbau seine Fähigkeit, in die Höhe zu wachsen, bewiesen hat, liegt sein größtes Potenzial in der Bestandsmodernisierung und Nachverdichtung. Gerade bei Aufstockungen weist er gegenüber anderen Bauweisen einen großen Vorteil auf: Die Konstruktion ist leicht und damit gerade bei geringen statischen Reserven des Bestandsbaus die einzige Möglichkeit zur Aufstockung. Und das bedeutet in Folge: Je leichter ein zusätzliches Geschoss, desto mehr Geschosse sind möglich. So stockten die Schweizer „burkhalter sumi architekten" ein 2-geschossiges Bahngebäude in Zürich gleich um 4 Geschosse auf. Das 2013 fertiggestellte Projekt beherbergt 24 Wohnungen und zeigt, welch große Handlungsspielräume der moderne mehrgeschossige Holzbau einem ambitionierten Stadtumbau eröffnet.
Last but not least spielt der Holzbau eine weitere Stärke in der Lebenszyklusanalyse aus. Wenn neben Bau- und Betriebskosten auch Abriss und Entsorgung in die Kalkulation einfließen, dann ist Holz klar im Vorteil. Wer mag da noch daran zweifeln, dass diesem Baustoff eine große Zukunft beschieden ist.
Von Günther Hartmann
GÜNTHER HARTMANN
studierte Architektur und schreibt als Journalist seit 2006 über Umweltthemen, insbesondere über modernen Holzbau, dessen immenses Klimaschutzpotenzial ihn fasziniert.
Der Star im letzten Jahr: Woodcube Hamburg – Nominiert für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2013
Woodcube in Hamburg © DeepGreen Development
Was die Jury begeisterte
© DeepGreen Development
Technik | Green Building, 01.10.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2014 - Green Tech als Retter der Erde erschienen.

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