Holzbauten wachsen in den Himmel
Höhere Bauten waren bisher gleichbedeutend mit der Verwendung von Beton und Stahl.
Die Holzbauweise begeistert immer mehr Architekten und Projektentwickler. Hohe Vorfertigungsgrade verkürzen die Bauzeiten und steigern die Qualität. Den Ruf, nachhaltig und klimafreundlich zu sein, hatte der Holzbau schon immer, sein Leistungspotenzial kann er aber erst heute richtig entfalten: Zum einen durch die Einführung IT-basierter Planungs- und Fertigungsmethoden, wie Computer Aided Design (CAD), Computer Aided Manufacturing (CAM) und Computerized Numerical Control (CNC). Zum anderen durch innovative Produkte wie Brettsperrholz, die dazu beitragen, dass der Holzbau seine Nischen verlässt und nunmehr in den Geschossbau strebt.
Holz-Turm mit Alpenblick
Das momentan höchste Holzgebäude Deutschlands ist der von den Münchner „Schankula Architekten" geplante und 2011 in Bad Aibling errichtete 8-Geschosser „H8". Gebaut am Standort einer ehemaligen US-Kaserne, bietet der Turm einen spektakulären Ausblick auf die bayerischen Voralpen. Ebenso viele Geschosse weist das höchste Holzgebäude Österreichs auf: der von den Vorarlberger „Architekten Hermann Kaufmann ZT" entwickelte und 2012 in Dornbirn errichtete „LifeCycle Tower One". Das ist kein Zufall. Beide Bauwerke blieben damit knapp unter der Hochhausgrenze und man konnte so ein zusätzliches Fluchttreppenhaus und höhere Baukosten vermeiden. Die hinter der Hochhausgrenze steckende Logik: Feuerwehrleitern reichen bis zu einer Höhe von 23 Metern und ermöglichen damit Rettungen aus Geschossen, deren Fußbodenoberkante sich nicht mehr als 22 Meter über dem Geländeniveau befindet. Liegt das oberste Geschoss höher, brauchen die Menschen im Brandfall andere Möglichkeiten, um Flammen und Rauch zu entfliehen.
Die Angst vor dem Feuer
In den Städten hatten große Brände bis ins 19. Jahrhundert dazu geführt, dass das Bauen mit Holz durch strenge Vorschriften fast auf den Dachstuhl reduziert wurde. Der Brandschutz ist im mehrgeschossigen Holzbau auch heute die größte Herausforderung. Bis 2002 waren deshalb maximal 3 Geschosse in Holzbauweise erlaubt. Die im selben Jahr neu gefasste Musterbauordnung (MBO) ermöglichte erstmals höhere Bauten und führte neue Gebäudeklassen ein: Mehrgeschosser, bei deren oberstem Geschoss – in der Regel das fünfte – die Fußbodenoberkante nicht mehr als 13 m über Geländeniveau liegt und deren größte Nutzungseinheit nicht mehr als 400 m2 aufweist, gehören zur Gebäudeklasse 4, höhere Gebäude und Gebäude mit größeren Nutzungseinheiten zur Gebäudeklasse 5.
Die Tür zu fünf Geschossen ist offen
Mit der Gebäudeklasse 4 wurde eine neue Brandschutzanforderung für die Tragkonstruktion eingeführt: „hochfeuerhemmend". Das bedeutet für den Holzbau: eine Einkapselung aller tragenden Holzteile mit Gipsplatten, so dass bei einem Brand die Temperatur auf deren Rückseite nach einem Zeitraum von 60 Minuten maximal 270 °C beträgt, was eine Selbstentzündung des Holzes während dieses Zeitraums ausschließt. Bei Abweichungen von den Anforderungen des „Standardbrandschutzkonzepts" der Landesbauordnungen und ergänzender Regelungen muss ein individuell erstelltes Brandschutzkonzept schlüssig nachweisen, dass sich durch Kompensationsmaßnahmen das gleiche Schutzniveau erreichen lässt. Für Architekten ist es deshalb wichtig, möglichst früh mit einem Brandschutzplaner zusammenzuarbeiten und mit der Genehmigungsbehörde und der Feuerwehr Gespräche zu führen.
Brandschutz ist Verhandlungssache
Immer ausgehandelt werden muss das Brandschutzkonzept bei Holzgebäuden mit mehr als 5 Geschossen, denn hier ist der Brandschutz noch nicht klar geregelt. So waren für den 8-Geschosser in Bad Aibling, der sowohl Wohnungen als auch Büros beherbergt, gleich mehrere Kompensationsmaßnahmen erforderlich: Die Holzkonstruktion wurde so eingekapselt, dass sie einen Feuerwiderstand von 90 Minuten erreicht. Der Einbau von Massivholzelementen garantiert, dass im Brandfall nach dem Löschen keine unbemerkten Glutnester in Hohlräumen weiterschwelen und die Installation von funkvernetzten Rauchwarnmeldern stellt einen frühzeitigen Feueralarm sicher. Der Einbau von Leerrohren im Treppenhaus ermöglicht der Feuerwehr, unten und oben kurze Schläuche anzuschließen, sodass sie keine langen Schläuche die Treppen hochschleppen muss und wertvolle Zeit gewinnt.
Trotz strenger Brandschutzanforderungen durften im „H8" einige Massivholzdecken unverkapselt und damit sichtbar bleiben, weil das Gefährdungspotenzial als gering eingestuft wurde.
Verbundbau hilft Baukosten senken
Noch viel mehr Holz durfte beim 8-Geschosser in Dornbirn – einem reinen Bürogebäude – sichtbar bleiben. Möglich war dies durch die Aufgeschlossenheit der Vorarlberger Behörden, aber auch durch neuartige Holz-Beton-Verbunddecken sowie Sprinkleranlagen. Holz-Beton-Verbunddecken wurden auch beim 2013 in Bad Aibling errichteten 5-Geschosser „H5" eingebaut. Er ist sozusagen eine Weiterentwicklung des 8-Geschossers „H8". Die beiden Gebäude sind Teil der dort entstehenden „City of Wood", einem Experimentierfeld des großen Wohnungswirtschaftsunternehmens B&O, das auf diese Weise wertvolle Erkenntnisse für die Nachverdichtung und Erneuerung bestehender Wohnanlagen sammelt. Während „Schankula Architekten" beim „H8" untersuchten, was mit Holz überhaupt realisierbar ist, stand beim „H5" die Kombination von Holz mit Stahlbeton im Fokus – vor allem in Hinblick auf eine mögliche Senkung der Baukosten. Die Ausgangsidee war, Betondecken auf Holzständerwände aufzulegen. Daraus entwickelte sich ein Bausystem, in dem sich exakt vorgefertigte Holz- und Betonelemente für Wände und Decken fast beliebig kombinieren lassen.
Das Flaggschiff in Holz
Ein völlig anderes Konzept verfolgte der 2013 für die Internationale Bauausstellung (IBA) in Hamburg realisierte 5-Geschosser „Woodcube". Der Entwurf stammte vom Berliner „Institut für urbanen Holzbau" (IFUH) und war ursprünglich ebenfalls als Hybridkonstruktion geplant. Doch der Projektentwickler Matthias Korff wollte eine möglichst „reine" Holzkonstruktion. Innen und außen sollte unbehandeltes Holz sichtbar sein. Die Stuttgarter „architekturagentur" übernahm die weitere Planung und wählte für die Realisierung schließlich das österreichische Vollholzsystem „Thoma Holz 100", das speziell für dieses Projekt weiterentwickelt wurde. Die große Menge Vollholz erhöhte zwar die Baukosten um rund 25 Prozent gegenüber dem sonst üblichen Holzrahmenbau, sorgt aber für eine hohe Wohnqualität, eine lange Lebensdauer und eine überragende CO2-Bilanz. Dass das Massivholz sichtbar bleiben durfte, liegt an seinem trägen Brandverhalten: 0,7 mm/min. Dadurch erreichen die tragenden Holzwände hier sogar eine Feuerwiderstandsdauer von über 90 Minuten, obwohl nur 60 Minuten gefordert sind. Außerdem sind schwer erkenn- und löschbare Hohlraumbrände im Massivholzbau ausgeschlossen. Eine dezidierte Risikobetrachtung verschiedener Brandszenarien überzeugte Feuerwehr und Genehmigungsbehörde.
Champion der Nachverdichtung
Obwohl der Holzbau seine Fähigkeit, in die Höhe zu wachsen, bewiesen hat, liegt sein größtes Potenzial in der Bestandsmodernisierung und Nachverdichtung. Gerade bei Aufstockungen weist er gegenüber anderen Bauweisen einen großen Vorteil auf: Die Konstruktion ist leicht und damit gerade bei geringen statischen Reserven des Bestandsbaus die einzige Möglichkeit zur Aufstockung. Und das bedeutet in Folge: Je leichter ein zusätzliches Geschoss, desto mehr Geschosse sind möglich. So stockten die Schweizer „burkhalter sumi architekten" ein 2-geschossiges Bahngebäude in Zürich gleich um 4 Geschosse auf. Das 2013 fertiggestellte Projekt beherbergt 24 Wohnungen und zeigt, welch große Handlungsspielräume der moderne mehrgeschossige Holzbau einem ambitionierten Stadtumbau eröffnet.
Last but not least spielt der Holzbau eine weitere Stärke in der Lebenszyklusanalyse aus. Wenn neben Bau- und Betriebskosten auch Abriss und Entsorgung in die Kalkulation einfließen, dann ist Holz klar im Vorteil. Wer mag da noch daran zweifeln, dass diesem Baustoff eine große Zukunft beschieden ist.
Von Günther Hartmann
GÜNTHER HARTMANN
studierte Architektur und schreibt als Journalist seit 2006 über Umweltthemen, insbesondere über modernen Holzbau, dessen immenses Klimaschutzpotenzial ihn fasziniert.
Der Star im letzten Jahr: Woodcube Hamburg – Nominiert für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2013
Stefan Schulze-Hausmann, Initiator des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, weiß um die Relevanz des Bausektors für den Ressourcen- und Klimaschutz und hat in Zusammenarbeit mit der DGNB den Sonderpreis „Nachhaltiges Bauen" ins Leben gerufen. Der Preis wird in diesem Jahr – neben der Auszeichnung für Unternehmen, Kommunen und Forschungseinrichtungen – zum zweiten Mal vergeben. „Wir suchen Leuchttürme der Nachhaltigkeit unter den Gebäuden. Sie sollen eine Menge können: Erst ökologische, ökonomische und soziale Qualität gepaart mit Innovationskraft und Ästhetik machen die Zukunftsfähigkeit eines Gebäudes aus", so Stefan Schulze-Hausmann. „Der Einsatz nachwachsender Rohstoffe wie Holz ist in diesem Zusammenhang ein spannendes Zukunftsthema, das wir aufmerksam begleiten. Im letzten Jahr fand der Woodcube großen Anklang bei unserer Jury und wurde deshalb für den Sonderpreis „Nachhaltiges Bauen" 2013 nominiert".
Was die Jury begeisterte
Das fünfgeschossige, vollunterkellerte Wohngebäude umfasst acht Eigentumswohnungen, deren Grundrisse dank zentral angeordneter Erschließung flexibel gestaltbar sind. Frei ausragende, versetzt angeordnete Balkone ergänzen das kubische Gebäude. Durch seine der Umgebung und der Nachbarbebauung harmonisch angepasste Gestaltung fügt sich der Woodcube sehr gut in das städtebauliche Gesamtfeld ein. Die Erkenntnisse der prototypischen Umsetzung des Baus werden kontinuierlich weiterentwickelt und als Systemhaus marktfähig gemacht. Unter dem Motto: Ein Passivhaus, welches nicht aus nachwachsenden Rohstoffen besteht, ist ein Widerspruch in sich, wurde das Gebäude zu 90 Prozent aus Holz errichtet. Zum Einsatz kamen ausschließlich heimische Hölzer, deren Brettlagen natürlich getrocknet und lediglich durch Buchenholzdübel zu ca. 30 cm starken Wand- und ebenfalls massiven Deckenelementen verbunden wurden. Folien, Kleber, Leime und Holzschutzmittel kamen nicht zum Einsatz. Fremdstoffliche Dämmstoffe, Bauchemie, Lacke und PVC- oder halogenhaltige Kunststoffe wurden nicht verbaut. Dies garantiert höchste bauphysikalische und statische Qualitäten bei gleichzeitig vollständiger Bio-Rezyklierbarkeit der eingesetzten Stoffe. Zudem wurden Materialausgasungen und durch die diffusionsoffene Bauweise Schimmel und Kondensatbildung ausgeschlossen. Das im Holz gespeicherte CO2 macht den Woodcube bereits in der Herstellung CO2- neutral. Für die CO2-Emissionen aus Konstruktion und Betrieb eines konventionellen Gebäudes über 50 Jahre können ca. 70 Woodcubes errichtet und betrieben werden. Bereits in der nur 6-monatigen Bauphase wurden Bauabfälle vermieden. Hohe Energieeffizienz wird u.a. durch einen extrem niedrigen Heizenergiebedarf, eine Photovoltaikanlage, die Verwendung von LED-Beleuchtung, einen Aufzug mit Bremsenergierückgewinnung und die zukunftsweisende Steuerung von Energieverbrauch und -bereitstellung (Hausautomation, Smart Metering) erreicht. Angemessene Baukosten begünstigen eine weitere Verbreitung der Bauweise. Der Woodcube ist ein hoch innovatives und zukunftsweisendes Konzept, das die Verwendung nachhaltiger Baustoffe und gesundes Wohnen vereint und sich durch eine sorgfältige architektonische Gestaltung auszeichnet.
Technik | Green Building, 01.10.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2014 - Green Tech als Retter der Erde erschienen.
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