S.O.S. - Save Our Soils

Boden ist Leben

Die Vereinten Nationen (UN) haben das Jahr 2015 zum Jahr der Böden erklärt. Das ist gut, denn es ist allerhöchste Zeit, dass wir unsere Böden schützen. Gesunde Böden sind die Basis für unsere Ernährung und für die Überwindung des Hungers. Aber Böden sind nicht nur wichtig für die Lebensmittelproduktion. Sie filtern Regenwasser, schaffen neues Trinkwasser und regulieren das Klima, denn sie speichern mehr Kohlenstoff als alle Wälder der Welt gemeinsam und sind nach den Ozeanen der größte Kohlenstoffspeicher der Erde.
 
Boden ist Leben
'Vernichtet eine Nation ihre Böden, vernichtet sie sich selbst', ­erkannte schon der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt. Und dennoch wurde der Bodenschutz lange Zeit vernachlässigt. Das soll sich jetzt ändern: Die Vereinten Nationen haben 2015 zum UN-Jahr des Bodens erklärt. Zahlreiche Kampagnen von Regierungen, Umweltverbänden und Unternehmen widmen sich nun der gefährdeten Ressource Boden. © DFID - UK Department for International Development CC BY-SA 2.0Böden sind höchst lebendig. In einer Handvoll fruchtbarer Erde leben mehr Organismen als Menschen auf unserem Planeten. Zwei Drittel aller Arten der Welt leben versteckt unter der Erdoberfläche. Aber fruchtbares Land wird knapp, denn Böden sind erodiert oder vielerorts verseucht. Städte und Infrastruktur breiten sich aus. Allein in Deutschland werden täglich mehr als 75 Hektar Boden durch Straßen und Häuserbau unwiederbringlich versiegelt. Aber auch durch falsche landwirtschaftliche Nutzung verlieren wir fruchtbare Böden: Die intensive Nutzung synthetischen Düngers vernichtet das Bodenleben und verändert die Struktur der Böden. Während es Jahrtausende bedarf, damit sich fruchtbarer Boden aufbaut, reicht ein einziger starker Regen oder Sturm, um ihn zu verlieren. Weltweit gehen uns jährlich 24 Milliarden Tonnen fruchtbaren Bodens verloren.
 
Boden und Ausbeutung
Gleichzeitig wächst der weltweite Hunger nach Nahrungsmitteln, Futtermitteln und Biomasse für Treibstoffe. Damit steigt auch der Wert von Land – das nutzen vor allem internationale Investoren. Laut einer Schätzung der Weltbank sind zwischen 10 und 30 Prozent des Ackerlandes weltweit von großflächigen Investitionen betroffen – Land, das bislang von vielen Millionen Kleinbauern, Pastoralisten und indigenen Bevölkerungsgruppen genutzt wird. Damit ist der Kampf um sichere Landrechte, seien sie gemeinschaftlich oder individuell, eine zentrale Frage des Überlebens in vielen Regionen der Welt. Zugang zu Land oder nicht, das ist einer der zentralen Bestimmungsfaktoren für Hunger. Was die meisten Menschen nicht wissen: Land ist noch ungleicher verteilt als Einkommen. 50 Prozent der Haushalte, die hungern, sind kleinbäuerliche Familien. 20 Prozent der Haushalte, in denen Hunger herrscht, sind landlos.
 
Für den Lebensstil in Europa wird sich am globalen Süden 'bedient' © Bernward Geier, ColaboraHinzu kommt: Für den Lebensstil in Europa nutzen wir längst nicht mehr europäische Ackerflächen, sondern „bedienen" uns dieser in riesigem Ausmaß im globalen Süden. Allein für den Fleischkonsum in der EU werden in Brasilien jährlich auf Äckern von der Größe Großbritanniens Futtermittel angebaut. Würde jeder Mensch so viel Fleisch verzehren wie ein durchschnittlicher Europäer, müssten 80 Prozent des weltweit verfügbaren Ackerlandes ausschließlich für die Fleischproduktion genutzt werden. Momentan werden 33 Prozent der weltweiten Anbauflächen für Futtermittel verwendet. Allerdings erhalten wir für 100 Kalorien an Nutzpflanzen nur bis zu 30 Kalorien als Fleisch zurück. Fruchtbares Land für den Anbau von Futterpflanzen zu verwenden, ist reine Vergeudung.
 
Bioökonomie als Sackgasse?
Der Trend wird sich mit dem neuen Wachstumsversprechen „Bioökonomie" noch verschärfen: Fossile Energieträger wie Erdöl sollen durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Die EU bräuchte weitere 70 Millionen Hektar Land, um die Anforderungen an Bioenergie gemäß ihrem Klima- und Energierahmen 2030 zu erfüllen. Das entspricht einer Fläche, die größer als Frankreich ist. Das Klima wird durch Biokraftstoffe allerdings nicht wirklich entlastet: Die „geerntete" Energie pro Quadratmeter liegt im Jahresdurchschnitt bei einem Zehntel derjenigen von Wind- oder Solaranlagen.
 
Den Erfahrungsschatz der Kleinbauern nutzen
Es gibt gute Beispiele und viele Ansätze, wie ein nachhaltiger Bodenschutz aussehen kann, wie Erträge – gerade für Kleinbauern – verbessert werden können. Ein Beispiel ist die Agrarökologie, die auf traditionellem Wissen beruht. Es ist kein „one-size-fits-all"-Ansatz, sondern akzeptiert, dass agrarökologische Systeme lokal unterschiedlich und komplex sind. Vielfalt auf dem Feld, Recycling und Bodenbedeckung können nämlich einen lebendigen, fruchtbaren und aktiven Boden stimulieren, der in der Lage ist, ein optimales Wassermanagement sicherzustellen. Eine Studie von Jules Pretty aus dem Jahr 2006 zu agrarökologischen Anbaumethoden hat 286 ökologisch nachhaltige Agrarprojekte in 57 Ländern untersucht und im Schnitt eine Steigerung der Ernteerträge um 79 Prozent festgestellt. Trotzdem geben beispielsweise viele afrikanische Regierungen bis zu 60 Prozent des Agrarbudgets für Subventionen von klassischem Düngemittel (Mineraldünger mit synthetischem Stickstoff) aus. Gerade auf tropischen Böden werden so die Humusschicht und die Bodenlebewesen zerstört. Auch wird der Dünger ins Meer transportiert und zerstört dort das ökologische Gleichgewicht. In den vergangenen 50 Jahren hat sich der Verbrauch von Dünger mehr als verfünffacht. Der Hauptbestandteil Stickstoff könnte aber auch biologisch und nachhaltig hergestellt werden. Dies widerspricht allerdings den Interessen der wenigen mächtigen und großen Produzenten und Händler.
 
Die Politik ist gefragt
Die Politik ist gefragt © Diliff CC BY-SA 3.0Die Politik muss sich der Frage stellen: Wie können diejenigen, die heute unter Armut und Hunger leiden, so gestärkt werden, dass sie ausreichend Nahrung produzieren, um der Hunger- und Armutsfalle zu entkommen – langfristig und unter Einbeziehung der negativen Auswirkungen des Klimawandels? Trotzdem werden agrarökologische Produktionsweisen nicht ernsthaft gefördert. Weder von den europäischen noch von vielen afrikanischen, asiatischen oder lateinamerikanischen Regierungen. Es ist deshalb Zeit, gesellschaftlichen Druck aufzubauen, damit sich politisch wirklich etwas bewegt im Bodenschutz. Die Weltgemeinschaft darf nicht länger untätig bleiben!
 
Wir bedanken uns für das Copyright zu diesem Beitrag bei Project Syndicate.
 

Barbara Unmüßig
ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Besonders beschäftigt die Politologin die Frage, wie Ressourcen nachhaltig genutzt und global fair verteilt werden können. Der Klimawandel und die globale Armut sind aus Ihrer Sicht die großen Herausforderungen im 21. Jahrhundert.

Umwelt | Wasser & Boden, 01.07.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2015 - Jahr des Bodens erschienen.
     
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