Eine harmonische Verbindung
Industrietextilien auf den Spuren der Natur
In vielen Industrien ist Kunststoff unersetzlich. Biobasierte Lösungen sind auf
dem Vormarsch. Vor allem in der Autoindustrie ist man auf der Suche nach
Werkstoffen für die Fahrzeuge der Zukunft und dabei spielen Fasern und
Industrietextilien eine entscheidende Rolle.
Basierten Mobilitätslösungen im 20. Jahrhundert nahezu vollständig auf der
Ausnutzung fossiler Energieressourcen, so werden wir im nächsten Jahrzehnt eine
deutliche Ressourcenverknappung und somit eine Umorientierung der
Mobilitätskonzepte erleben. Zur Verringerung des Gewichts in der
Automobilindustrie und der Luftfahrt wurden in den letzten Jahren neue
Werkstofflösungen und Fertigungsprozesse entwickelt, um metallische
Strukturelemente durch leichtgewichtige Verbundmaterialien aus Kunststoffen zu
ersetzen.
Vor allem der Erfolg der Elektromobilität wird entscheidend davon abhängen,
inwieweit es den Konstrukteuren gelingt, das Fahrzeuggewicht zu reduzieren.
Immer häufiger werden schwere metallische Strukturelemente durch faserverstärkte
Kunststoffteile ersetzt. Die sogenannten Organobleche stehen als plattenförmige
und thermoverformbare Halbzeuge zur Verfügung und gehen zunehmend auf
nachwachsende Rohstoffe zurück.
Blech aus Naturfasern
So wurden an der TU Dresden Organobleche mit metallähnlicher Festigkeit unter
Einsatz von Naturfasern und Biokunststoffen realisiert. Durch die naturgemäß
gute Haftung zwischen Naturfaser und Biopolymer konnte dabei ohne Haftvermittler
gearbeitet werden. Die entstehenden Verbundwerkstoffe basieren damit vollständig
auf nachwachsenden Rohstoffen und zeigen für bestimmte Anwendungen bessere
technische Eigenschaften als bisherige Lösungen. Sie haben meist ein geringeres
Gewicht, splittern im Crashfall nicht und bilden keine scharfen Bruchkanten aus.
Zudem dämpfen sie Vibrationen sehr viel besser, wirken schallabsorbierend und
weisen eine wesentlich günstigere Energiebilanz auf.
Nachwachsende Rohstoffe statt Petrochemie
Üblicherweise bestehen die Werkstoffverbunde aus synthetischen Fasern wie Glas-,
Kohle- oder Aramidfasern und einem Matrixsystem aus einem thermoplastischen
Kunststoff der Petrochemie. Mit Blick auf die Verknappung der Ausgangsstoffe
petrochemischer Prozesse und die Abfallproblematik versuchen die Hersteller und
Wissenschaftler immer mehr, konventionelle Kunststoffe durch biologisch
abbaubare zu ersetzen. So werden derzeit textile Gewebe und Vliesstoffe für die
Innenausstattung von Fahrzeugen aus biologisch abbaubaren Polylactid
(PLA)-Fasern entwickelt, die die gegenwärtig eingesetzten Polyesterfasern
substituieren sollen. Die Herstellung der Fasern erfolgt mit nachwachsenden
Rohstoffen. Partner des Verbundvorhabens sind unter anderen das Institut für
Textiltechnik der RWTH Aachen und das Sächsische Textilforschungsinstitut
(STFI).
Innovationen auf den Spuren der Natur
Zur Realisierung besonders leichtgewichtiger Sandwich- oder Hohlstrukturen
wurden am ITV in Denkendorf neue Verfahrensansätze entwickelt, um neben
planparallelen Abstandsgewirken bis zu zweifach gekrümmte Gewebestrukturen zu
realisieren. Die Wissenschaftler nutzen für die Entwicklung eine Analogie zum
Schalenskelett einer Seeigelgattung und übertrugen den Aufbau auf gekrümmte
Abstandsgewebe. Der Seeigel verfügt über eine gewölbte Außenschale mit dünnen
Innenverstrebungen, was sie sehr leicht und gleichzeitig druckstabil macht.
Auf das Recycling kommt es an
Die Faserverstärkung in Leichtbaukompositen bietet ein hohes Potenzial zur
Schonung von Ressourcen. Doch da sich Faser- und Matrixwerkstoff üblicherweise
voneinander unterscheiden, ist eine sortenreine Trennung und die Rückführung in
Materialkreisläufe nur mit erheblichem Aufwand zu realisieren. Abhilfe bieten
hier selbstverstärkende Polymerverbundwerkstoffe (SRPC), die sogar bessere
mechanische Qualitäten aufweisen können als die faserverstärkten Varianten.
Großer Vorteil gegenüber den konventionellen faserverstärkten Verbundmaterialien
ist, dass für selbstverstärkende Polymerverbundwerkstoffe (SRPC) nur eine
Polymerfamilie verwendet wird und das Recyceln am Lebensende des Produktes damit
wesentlich einfacher ist.
Weiterführende Informationen finden Sie auf www.techtextil.com und die Links zu den einzelnen Forschungsinstituten unter www.forum-csr.net
Von Fritz Lietsch
Umwelt | Ressourcen, 01.07.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2015 - Jahr des Bodens erschienen.
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