Mein Eco-Ego
Ins Netz gegangen
Zuerst: Ich bekenne ganz offen und ehrlich, dass ich eine amazon-Kundin
bin. Ja, und ich gehe noch weiter: Ich schäme mich nicht dafür. Angefangen hat der rasante Aufstieg des Versandhandels in meinem Leben zu der Zeit, als ich mit zwei kleinen Kindern froh über jeden Gang war, den ich nicht noch zusätzlich zu erledigen hatte. Die Buchläden, die es bei uns in Fulda gab, waren mitten in der Stadt, umgeben von teuersten Parkmöglichkeiten, die ohnehin nicht genutzt werden konnten, da die Option, Babys oder Kleinkinder im Auto zu lassen, um schnell in den Laden zu hecheln und dort an der Kasse die Zeit totzuschlagen, vergleichsweise unattraktiv war. Zumal dann, wenn man auch noch schlecht beraten wurde. Warum sollte ich mir das antun, wenn es doch auch anders geht.
Das war mein Einstieg in die Welt des Internet-Versandhandels. Das ging viel bequemer: Wunderbar, mit ein paar Klicks die Bücher zu finden, auf die mich Freundinnen aufmerksam gemacht hatten; wunderbar, sich Bücher »zur Ansicht« kommen zu lassen und nicht wie im ortsansässigen Buchhandel verbindlich bestellen und kaufen zu müssen. Es war einfach extrem kundenfreundlich – und für mich in meiner Lebenssituation außerdem ökonomisch und ökologisch sinnvoll, denn ich brauchte keinen Sprit zu verfahren, keinen Babysitter zu finanzieren, keine Zeit totzuschlagen.
Nun, die Kinder wurden größer und wollten selber lesen – und klar, jetzt hätte es sich angeboten, wieder zum lokalen Buchhändler zurückzukehren und als bewusste Konsumentin ein bisschen was für den heimischen Einzelhandel zu tun. Schließlich hatte ich selbst mal ein kleines Ladengeschäft und weiß, wie mühsam es ist, sich in der Branche über Wasser zu halten. Und ich fände es furchtbar, wenn es irgendwann keine netten kleinen Buchläden mehr geben sollte. Aber, ach: Erneut haben mich die Vorzüge des Versandhandels geködert. Denn bei amazon kann ich sogar Bücher, die bei uns keiner mehr liest, gegen Gutschrift zurücksenden. Die Gutschrift ist zwar wirklich nicht hoch, doch wenn ich bedenke, wie oft meine Kinder auf die Nachfrage »Kann das weg?« antworten, »Ja, es war wirklich ein blödes Buch«, dann sind diese Gutschriften allemal besser, als die Bücher direkt ins Altpapier zu werfen. Immerhin habe ich so noch die Möglichkeit, mir für das Guthaben ein Buch zu kaufen, das die Seele erfreut und den Geist weiterbringt.
Natürlich sehe ich auch all die Kritikpunkte von Bestellungen im Internet: etwa dass man schleichend zum gläsernen Kunden mutiert, der mit seinen Klicks unbemerkt definiert, was er als weitere Werbe-Icons künftig auf seinem Rechner findet … Mag sein, aber dagegen bin ich resistent; vielleicht, weil ich den Internet-Versandhandel
sehr gezielt nutze.
Beispiel: Mein Sohn braucht neue Schlittschuhe. Im ortsansässigen Sportgeschäft ist seine Größe ausverkauft. Was tun? Klar, ich schaue im Netz nach den passenden Schlittschuhen und finde sie bei … amazon. Schwupps, da tausche ich mein Bücher-Zurücksenden- Guthaben gegen Sohnemanns neue Skater ein. An so etwas freue ich mich dann. Und was machen wir nun mit unserem guten alten Buchhändler? Klar, Sohnemanns Schlittschuh werde ich bei dem nie gegen ein neues Buch eintauschen können – da kommt er nicht gegen an. Aber ich glaube, es gibt doch noch ungenutzte Möglichkeiten, um dem schleichenden Schwinden der Buchläden etwas entgegenzusetzen.
Statt wie das Kaninchen auf die böse amazon-Schlange zu starren, könnten Buchhändler mal darüber nachdenken, wie sie sich die Stärken des Versandbuchhandels zu eigen machen können – etwa, indem sie – ähnlich wie lokale Apotheken (vielleicht sogar mit denen zusammen) einen Bringdienst einrichten und so ein Angebot gezielt auf die Käufergruppe der Mütter und älteren Menschen abstimmen; die freuen sich bestimmt, wenn der Buchhändler zweimal klingelt. //
Gesellschaft | WIR - Menschen im Wandel, 01.04.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2014 - Voll transparent, voll engagiert erschienen.
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