Moore: Klimakühlung oder Bodenheizung?

Wie Moor-Zertifikate Artenvielfalt sichern

Moore spielen im Klimawandel eine entscheidende Rolle – sowohl als größter Speicher terrestrischen Kohlenstoffs als auch als Quelle verschiedener Treibhausgase bei Trockenlegung. Die Moorwiedervernässung ist ein preiswerter und effizienter Klimaschutz.
 
Die Bedeutung der Moore für den weltweiten Klimaschutz hatte man lange übersehen. © Iain A Wanless, flickrMitten im Wald erscheint eine weite Lichtung wie ein unwirkliches Traumland. Die ganze Wiese scheint mit Wattebällchen übersät. Hier wächst weißes, flauschiges Wollgras, das sich sanft im Wind hin- und herwiegt. Schimmernde Libellen und Schmetterlinge schwirren in der Luft. Läuft man über die Wiese, beginnt der Boden unter den Füßen zu schwanken. Und spätestens jetzt spürt man, dass es sich um eine ganz besondere Waldwiese handeln muss. Wir sind in einem Moor, einem jener seltenen noch naturnahen Oasen, die Rückzugsorte vieler hochspezialisierter Arten sind. Wasser ist hier der Schlüsselfaktor. Natürliche Moore sind Feuchtgebiete. Sie enthalten mehr als 95 Prozent Wasser. Die Wassersättigung sorgt für einen Sauerstoffmangel, sodass die absterbenden Pflanzen nicht vollständig abgebaut werden. Was übrig bleibt, wird als Torf abgelagert – es enthält einen Großteil des Kohlenstoffs, den die Pflanzen im Laufe ihres Lebens als Kohlendioxid aufgenommen haben.
 
Die Klimaschutzleistung der Moore
Moore findet man überall auf unserem Planeten. Sie entwickeln sich überall dort auf der Erde, wo es einen ständigen Überschuss an Wasser gibt. Über die Jahrtausende tragen wachsende Moore dazu bei, Kohlendioxid dem atmosphärischen Kreislauf zu entziehen und so unser Klima zu kühlen. Mit dem Wachstum der Moore wurden etwa 500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff im Torfboden gebunden. In den Mooren der Welt liegt damit doppelt so viel Kohlenstoff wie in allen Wäldern zusammen. Hier zeigt sich der bedeutendste Klimaeffekt der Moore, sie sind so etwas wie die Kühlakkus unserer Erde.
 
Auch Salzsümpfe sind ein einzigartiger, aber bedrohter Lebensraum. © PROFranco Folini, flickr Diese Bedeutung der Moore für den weltweiten Klimaschutz hatte man lange übersehen. „Wälder sieht man einfach besser", sagt Hans Joosten, Professor für Moorkunde und Paläoökologie an der Universität Greifswald. Er spricht von einem „Cinderella-Syndrom" und setzt sich seit Jahren in den internationalen Klimakonferenzen dafür ein, das Potenzial der Moore im Klimawandel sichtbarer zu machen. Mit durchschlagendem Erfolg. Auf dem Weltklimagipfel in Durban erreichte er, dass Moore den Status von Wäldern in der Klimakonvention erhalten. Länder, die ihre Moore schützen, werden mit Zertifikaten belohnt, die sie im Kohlenstoffmarkt handeln können. Deutschland hat diese freiwillige Option bislang nicht gewählt. Dennoch, der Ritterschlag für Moore kommt zur rechten Zeit. Denn das gigantische Guthaben auf dem Klimakonto der Menschheit ist hoch gefährdet.
 
Gräbt man Mooren das Wasser ab, ist richtig dicke Luft!
In zerstörten Mooren wird der über die Jahrtausende gespeicherte Kohlenstoff innerhalb weniger Jahrzehnte wieder freigesetzt. Entscheidend ist der Wasserstand im Moor. Sinkt er, dringt Sauerstoff in den Torf ein. Nun passiert, was die Wassersättigung bislang verhinderte: Der Torf wird zersetzt. Dabei werden Kohlendioxid und das noch klimawirksamere Lachgas freigesetzt. Weltweit sind immer mehr Moore von einem Kohlenstoffspeicher zu einer Treibhausgas-Quelle geworden. Sie sind bereits jetzt verantwortlich für fünf bis sechs Prozent der weltweiten anthropogenen Treibhausgasemissionen. Das sind jährlich etwa zwei Milliarden Tonnen Kohlendioxid, die in die Atmosphäre abgegeben werden. Emissionen aus entwässerten Mooren sind damit die größte Einzelquelle außerhalb des Energiesektors und ein Hotspot des Klimawandels. Und dabei sind 80 Prozent der Moore noch ungestört. Bei der Zerstörung der Moore und damit verbundener Freisetzung von Treibhausgasen zählt Deutschland nach Indonesien, Russland, China und den USA zu den Top-Ten.
 
Situation in Deutschland
Über Jahrhunderte haben die Menschen unter großen Mühen Moore in Deutschland entwässert und urbar gemacht. Man brauchte Land für Acker und Grünland. Auch galten Moore lange als Unland, waren vermeintlich voller Gefahren. „O schaurig ist´s, übers Moor zu gehn" schrieb 1842 noch Annette von Droste-Hülshoff.
 
Der fleischfressende Sonnentau lebt nur im Moor. © Thilo GeiselHeute sind nahezu alle Moorflächen in Deutschland entwässert. Für den Gemüse- und Gartenbau werden noch immer jährlich etwa acht Millionen Kubikmeter Torf abgebaut. Die Emissionen aus den entwässerten Moorflächen Deutschlands sind vergleichbar mit den jährlichen Emissionen des gesamten deutschen Flugverkehrs. Neben dem massiven Klimaeffekt verschlechterten sich auch die Bodeneigenschaften der intensiv genutzten Moorböden so stark, dass Moore begannen abzusacken, ähnlich wie bei einem Schwamm, aus dem man das Wasser auspresst. Ein Teufelskreis, der auch andere Länder wie beispielsweise die Niederlande vor große Herausforderungen stellt. Im vergangenen Jahrtausend wurden dort fast alle Moore entwässert, die Hälfte des Landes liegt durch die Sackung mittlerweile unter dem Meeresspiegel. Bis zu zehn Metern an Höhe haben Landstriche teilweise verloren.
 
Auch in den moorreichen Ländern Norddeutschlands sind riesige Moorflächen trockengelegt worden. Entwässerte Moore sind in Mecklenburg-Vorpommern die weitaus größte Treibhausgasquelle im Bundesland, noch vor den Emissionen durch den Verkehr, Industrie oder die Haushalte. Im Land Brandenburg stoßen trockene Moore jährlich etwa so viel Kohlendioxid aus wie der gesamte Straßenverkehr landesweit.
 
Weltpremiere: Die Zertifizierung der Klimaschutzleistung von Mooren
Will man das Klima schützen, muss man die Moore berücksichtigen und dazu müssen Moore zunächst wieder nass werden. Die Wiedervernässung ist sehr effektiv, um die Emissionen trockener Moore zu verringern. Um zehn Tonnen pro Hektar und Jahr können die Emissionen reduziert werden. Das ist fast so viel, wie jeder von uns im Durchschnitt pro Jahr verursacht. Je nach Projekt sind aber auch bis zu 30 Tonnen Emissionsverminderung pro Hektar und Jahr möglich.
 
Um diese Klimaschutzleistung wiedervernässter Moore zu honorieren, entwickelte man in Mecklenburg-Vorpommern unter Federführung der Greifswalder Universität die Idee zu einem Moor-Kohlenstoffzertifikat. So konnten 2011 weltweit erstmalig Zertifikate angeboten werden, die durch die Wiedervernässung von Mooren entstehen.
 
Mittlerweile sind die Zertifikate mit dem Namen MoorFutures® eine länderübergreifend anerkannte Dachmarke im freiwilligen Kohlenstoffmarkt. Mit Brandenburg und Schleswig-Holstein sind zwei weitere moorreiche Länder dem Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns gefolgt und bieten Kohlenstoffzertifikate auf Basis von Moorwiedervernässungen an. Anbieter sind dort die Flächenagentur Brandenburg GmbH beziehungsweise die Ausgleichsagentur Schleswig-Holstein. Beide haben langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahmen und sind Tochterunternehmen gemeinnütziger, öffentlich-rechtlicher Naturschutzstiftungen. Weitere Bundesländer zeigen sich interessiert, aber auch auf internationaler Ebene wird die Einführung und Verwendung der Marke MoorFutures® geprüft.
 
Der freiwillige Kohlenstoffmarkt …
…ist ein junger, aber sehr dynamischer Markt mit hohen Zuwachsraten. Untersuchungen des Umweltbundesamtes zeigen: Freiwillige Treibhausgaskompensation kann als weiteres Klimaschutzinstrument maßgeblich zur effizienten Vermeidung von Emissionen beitragen. Ähnlich wie bei den verpflichtenden Märkten auf Basis des Kyoto-Protokolls oder des Europäischen Handelssystems basiert der freiwillige Markt auf dem Handel von Zertifikaten. Ein Zertifikat entspricht einer eingesparten Tonne Kohlendioxidäquivalent.
 
Bislang werden am freiwilligen Kohlenstoffmarkt die meisten Klimaprojekte in anderen Regionen der Welt durchgeführt, obwohl fast 50 Prozent der Käufer in Deutschland Zertifikate aus dem Inland bevorzugen würden. Dieser Nachfrage steht ein Unterangebot an Projekten aus Deutschland gegenüber. Die staatlich anerkannte Flächenagentur Brandenburg will dies ändern und setzt auf Erlebbarkeit. Das eigene Klimaschutzprojekt ist hier fast vor der Haustüre und kann besucht werden. So liegt das Brandenburger Projekt „Rehwiese" 20 Kilometer vor den Toren Berlins.
 
Moore als Schatzkammern Biologischer Vielfalt
Die meisten Libellen bevorzugen stehende Gewässer, aber auch Moore sind idealer Lebensraum. Diese Libelle ist durch die Kühle des Morgens noch recht unbeweglich, doch mit den Sonnenstrahlen kehren auch die Lebensgeister zurück. © nautilusfilm_polyband MedienNun sind wiedervernässte Moore mehr als reine Klimaschützer. Sie sind Schatzkammern der Biologischen Vielfalt. Den fleischfressenden Sonnentau oder den sich in der Paarungszeit blau verfärbenden Moorfrosch findet man nur hier. Moore sind wahre Reinigungskünstler der Gewässer, indem sie die Schadstoffe herausfiltern. Außerdem tragen sie zur Grundwasserneubildung bei. Sie sind Wasserspeicher in Trockenzeiten und dienen bei Hochwasser als Rückhaltepuffer. Auch können sie das lokale Klima aufgrund der erhöhten Verdunstung kühlen. Um diese vielfältigen Ökosystemleistungen abzubilden, hat das Bundesamt für Naturschutz (BfN) das Forschungsprojekt MoorFutures® 2.0 gefördert. Die Ergebnisse wurden 2013 in einem BfN-Skript veröffentlicht. Aufgrund ihres Beitrags für die Artenvielfalt sind die Moor-Zertifikate ein bedeutender Bestandteil im bundesweiten Netzwerk zum Erhalt der Biologischen Vielfalt. Die Vereinten Nationen haben die Jahre 2011 bis 2020 zur UN-Dekade für die Biologische Vielfalt erklärt. MoorFutures wurden bereits mehrfach von den Vereinten Nationen zum Dekade-Projekt „Biologische Vielfalt" gewählt, sind Preisträger im „Deutschland – Land der Ideen"-Wettbewerb und gelten als Best-Practice-Beispiel der internationalen TEEB-Studie, die Ökosystemleistungen monetär bewertet. Aktiv unterstützt werden die Aktivitäten durch das vom Bundesumweltministerium und von Wirtschafts- und Naturschutzverbänden getragene Projekt „Unternehmen Biologische Vielfalt 2020".
 
Wer kauft Moor-Zertifikate?
Immer mehr Menschen wollen, dass die von ihnen verursachten, klimaschädlichen Emissionen an anderer Stelle vermieden werden. Ein Beispiel sind Kompensationen für Flugreisen oder die jährlichen Heizungsemissionen. Auch Unternehmen bieten zunehmend „klimaneutrale" Produkte an oder stellen ihre gesamte Geschäftstätigkeit klimaneutral dar. Ein Hemmnis ist die Komplexität des Themas und Moore sind – anders als Wälder – immer noch Außenseiter im Klimaschutz. Die Anbieter in Brandenburg haben daher einen Kurzfilm entwickelt, um den neuartigen Zertifikatetyp in drei Minuten auf den Punkt zu bringen. „Wir bieten Unternehmen, Privatpersonen und Veranstaltern außerdem eigene Emissionsrechner an. Gerade, um klimafreundliche Tagungen durchzuführen, wird dieses Angebot gerne genutzt", erklärt Anne Schöps, Geschäftsführerin der Flächenagentur Brandenburg GmbH. „Jeder kann seine Emissionen mit ein paar Klicks selbst berechnen und hat die Option, diese mit dem Erwerb von Zertifikaten auszugleichen." Eine Investition in die Renaturierung der Moore ist unterm Strich nicht nur ein Mittel, um die eigene Treibhausgasbilanz auszugleichen, sondern auch ein aktiver Beitrag zum globalen Klimaschutz und zur Erhaltung einer lebenswerten Welt für zukünftige Generationen.
 
So misst man die Emissionen eines Moores
Der mittlere Jahreswasserstand ist die entscheidende Größe für die Treibhausgasemissionen eines Moorstandortes. Den Wasserstand kann man über die aufwachsenden Pflanzen erkennen und darüber die Emissionen eines Moores abschätzen. Wissenschaftler der Universität Greifswald entwickelten daraus den GEST (TreibhausGas-Emissions-Standort-Typen)-Ansatz. Man erfasst die Pflanzenzusammensetzung eines Moores und kann darüber die Treibhausgasemissionen eines Moores vor und nach der Wiedervernässung ableiten. Die Differenz der Gasemissionen entspricht der „Dienstleistung", die ein wiedervernässtes Moor für den Klimaschutz erbringt. Für Niedermoore ergeben sich Einsparpotenziale von zehn bis mehr als 30 Tonnen Kohlendioxidäquivalent pro Hektar und Jahr.
 
Die Kosten für die Moor-Zertifikate liegen derzeit zwischen 35 und 67 Euro pro Tonne CO2. Den Treibhausgasemissionen werden dabei die Projektkosten gegenübergestellt, die bei einer Wiedervernässung anfallen. Diese sind unter anderem Planungs- und Baukosten sowie Kosten für die Flächensicherung. Darüber hinaus ergeben sich Kosten für das Monitoring und gegebenenfalls für die Mindestpflege der Fläche. Aus Emissionsverminderung in Tonnen und Projektkosten ergibt sich somit die Summe, die zur Vermeidung von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent aufzubringen ist. Verglichen mit dem Anbau von Biospritpflanzen (173 bis 459 Euro) oder Wasser-und Windkraftanlagen (22 bis 70 Euro) in Deutschland sind diese Klimaprojekte damit durchaus konkurrenzfähig.
 
Weitere Informationen:
Unser Medientipp:
Die Magie der Moore – www.magiedermoore-derfilm.de
 
Anita Neunkirchen
ist Diplom-Geoökologin und arbeitet für die Flächenagentur ­Brandenburg GmbH. Die staatlich anerkannte Flächenagentur, ein Tochter­unternehmen der öffentlich-rechtlichen Stiftung Natur­SchutzFonds Brandenburg, entwickelt seit über zehn Jahren Naturschutzprojekte in ihren Flächenpools und bietet seit 2012 regionale Moor-Zertifikate an.

Umwelt | Klima, 01.10.2015

     
        
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