Klimaschutz hinter der Kamera
Eine Industrie im Aufbruch?
Michael Bully Herbig hat gezeigt, wie es geht. Der jugendliche Actionheld
„Antboy" ist nachgezogen, Jan Fedder ist als Polizeioberkommissar im
„Großstadtrevier” mit von der Partie und auch für Til Schweiger ist es
inzwischen ein Thema, grün zu drehen. Damit sind sie Vorreiter, denn die Vergabe
öffentlicher Filmfördermittel ist bisher nicht an
Umweltauflagen geknüpft.

Jede Abteilung hat mitgespielt
„Wir sind in jede Abteilung hineingegangen”, berichtet Michael Bully Herbig.
„Das Tolle war, dass jede Abteilung auch mitgespielt hat.” In der Ausstattung
wurde beispielsweise mit Farben gearbeitet, die biologisch abbaubar sind und das
Material von regionalen Lieferanten bezogen. „Ich habe den
Nachhaltigkeitsgedanken schon ein Dreivierteljahr vor Drehbeginn thematisiert",
erklärt der Regisseur. „Das sogenannte Green Film Making gibt es in den USA,
Frankreich und England. Bei uns wird das noch ein bisschen stiefmütterlich
behandelt."
Als der Regisseur mit seinem Projekt nach Hamburg kam, war er angenehm
überrascht, dass die Film Commission Hamburg Schleswig-Holstein (FCHSH) einen
Grünen Drehpass mit Handlungsempfehlungen vergibt, von dem auch „Buddy”
profitierte. Bei der Umsetzung der nachhaltigen Maßnahmen erwies sich der Best
Practice Guide der Filmförderung (siehe Kasten) als hilfreich.
65 Prozent weniger Müll

Der ökologische Fußabdruck von „Buddy" wurde mit einem CO2-Rechner ermittelt.
Die Bilanz: eine Reduzierung auf weniger als 400 t. Der größte Anteil von über
150 t entfiel auf die mehr als 2.000 Übernachtungen, da die große Crew nicht in
einem mit Ökostrom betriebenen Biohotel untergebracht werden konnte. Die
Produktionsfahrzeuge schlugen mit einem Ausstoß von 112 t zu Buche, hinzu kamen
66 t für Flugreisen sowie rund 400.000 gefahrene Auto-Kilometer. Die nicht
vermeidbaren Emissionen wurden durch Unterstützung eines regionalen Projektes
zur Wiedervernässung von Mooren kompensiert.
Ein klimaneutrales Film- und TV-Studio
Das Ziel bei einer nachhaltigen Film- und Fernsehproduktion ist es stets, den
CO2-Ausstoß zu minimieren. Diese Zielsetzung verfolgen auch die Bavaria
Filmstudios, die zu den weltweit ersten klimaneutralen Film- und TV-Studios
gehören. Der Ökostrom wird dort aus regenerativer Wasserkraft und Fernwärme aus
Geothermie bezogen. Der Anfang 2013 eingeschlagene Weg zur Emissionsreduzierung
und effizienten Energienutzung wird konsequent fortgesetzt. „Mit einem
umfassenden Modernisierungsprogramm haben wir die Bavaria Filmstadt in den
letzten Jahren zu einem klimaneutralen Produktionsstandort ausgebaut und damit
die Voraussetzungen für Green Production geschaffen", bestätigt Bavaria
Film-Geschäftsführer Achim Rohnke. „Unser Ziel ist, ein ressourcenschonendes und
umweltbewusstes Denken unternehmensweit zu leben und dabei auch die Kunden
mitzunehmen."

Sender setzen auf LED

Zu erheblichen Kostensenkungen führt auch der Einsatz eines grünen Ü-Wagens, den
die niederländische Fernseh-Produktionsfirma DutchView gebaut hat. Der
15-Tonnen-Laster, der mit Flüssiggas läuft, verfügt über eine Innenausstattung
mit LED-Leuchtmitteln, OLED-Monitoren, Möbeln aus zertifiziertem FSC-Holz sowie
einem Fußbodenbelag aus recyceltem PVC. Für die größte Energieeinsparung sorgt
die Einrichtung eines separaten Equipment-Raums, der mit einer eigenen
Klimaanlage ausgestattet ist, weil die Server stärker gekühlt werden müssen. Mit
dieser Lösung, die zu einem 30 Prozent niedrigeren Energieverbrauch führt, ist
ein Maßstab in der Fernseh-Branche gesetzt worden.
Grüne Animationsfilm-Produktion
Energieeffizienz ist ein Schlüsselthema, wenn es um Nachhaltigkeit im
Filmbereich geht. Selbst Animationsfilme lassen sich stromsparender produzieren,
wenn dabei Tablets oder Thinkpads eingesetzt werden. „Sie sind mit sparsamen 65
Watt-Netzteilen sowie Workstations und Servern mit mindestens 80 PLUS Gold
zertifizierten energieeffizienten Netzteilen ausgestattet", erläutert der
Animationsfilmproduzent Fabian Driehorst, der für den Kurzfilm „Däwit" auf der
diesjährigen Berlinale einen grünen Drehpass erhalten hat. Nachhaltig gedreht
hat ebenfalls Darren Aronofsky, Präsident der diesjährigen Internationalen
Wettbewerbsjury in Berlin. Der New Yorker Filmemacher hat für die Produktion
seines biblischen Epos „Noah" sämtliche Kostüme aus unbearbeiteten Stoffen
schneidern lassen. Um Müll zu sparen, wurde am Set auf Plastikflaschen
verzichtet und der eingesetzte Stahl der Wiederverwertung zugeführt. Zudem hat
die Paramount-Produktion im Rahmen einer Wiederaufforstung an der amerikanischen
Ostküste 500 Bäume gepflanzt.
Hollywood als grüner Vorreiter
Die großen amerikanischen Hollywoodstudios wie Sony Pictures, Warner Bros. oder
Paramount haben schon vor einigen Jahren grüne Richtlinien für nachhaltige
Praktiken im Produktionsbüro, im Studio und für Außendrehs entwickelt. Der
amerikanische Produzentenverband Producers Guild of America verfügt mit dem PGA
Green über eine eigene Abteilung, die den Filmteams kostenlos Werkzeuge zum
nachhaltigen Produzieren an die Hand gibt. Zum Service-Paket gehören ein
Production Guide mit Kontakten von Dienstleistern, Zulieferern und
Servicefirmen, die nachhaltige Produkte und Leistungen anbieten, eine grüne App
sowie ein CO2-Rechner zur Ermittlung des ökologischen Fußabdrucks. Hinzu kommen
Kosten-Nutzen-Analysen von großen Referenzfilmen, in denen aufgezeigt wird, dass
sich mit nachhaltigen Maßnahmen das Budget beachtlich reduzieren lässt.

Bewusstseinswandel in Europa
In einigen europäischen Ländern gehören Maßnahmen wie Mülltrennung, Recycling,
Oköstrom und Biokost zwar in den Privathaushalten zum Alltag, finden aber bei
Filmproduktionen nicht statt.
Aus diesem Grunde hat die flämische Filmförderung in Belgien 2013 damit
begonnen, die Vergabe der öffentlichen Fördergelder an die Auflage zu koppeln,
einen ökologischen Fußabdruck für die Produktion zu erheben. Die letzte Rate der
Gelder fließt dort erst, wenn eine Schadstoffbilanz vorgelegt wird. Das setzt
voraus, dass die Crew-Mitglieder sich mit grünen Produktionspraktiken
auseinandersetzen. Dabei unterstützt die Filmförderung sie mit kostenlosen
Workshops, einer grünen Produktionsfibel mit Firmenadressen sowie einem
CO2-Rechner, der sich als Applikation in die Kalkulationsprogramme importieren
lässt. Mit Erfolg. Dank des Projekts e-Mission werden die Filme dort jetzt
grüner produziert.
Welche Anstrengungen die Filmbranche unternimmt, um nachhaltiger zu
wirtschaften, ist das Thema einer internationalen Filmkonferenz, die Ende
November in Paris im Vorfeld zum Weltklimagipfel stattfindet. Die audiovisuelle
Branche plant gemeinsame Aktionen, um die Öffentlichkeit für diese Problematik
zu sensibilisieren. Den Staatsvertretern soll vor dem COP21 gezeigt werden, dass
es für viele Menschen auf der Welt ein erklärtes Ziel ist, einen weiteren
Temperaturanstieg zu verhindern.
Best Practices für den grünen Dreh
„Vermeiden, verringern, verwerten” lautet das Motto des Grünen Drehpasses, mit
dem die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH) Empfehlungen zum
nachhaltigen Drehen gibt. Die grünen Ratschläge reichen vom papierlosen
Produktionsbüro über die Verwendung von energiesparenden Leuchtmitteln, dem
Einsatz von Ökostrom oder wiederverwertbaren Kulissen bis hin zu Mülltrennung,
Catering mit Lebensmitteln aus der Region oder der Nutzung von Hybridfahrzeugen.
Vorbereitung
Frühzeitige Kontaktaufnahme mit Cast und Crew, örtlichen Versorgern (Strom,
Müll), Erstellung eines CO2-Fußabdrucks
Produktionsbüro
Einsatz energiesparender Lampen, energieeffizienter Umgang mit elektronischen
Geräten, Verwendung von Ökostrom, Umstellung auf elektronische Kommunikation,
Mülltrennung
Transport
Nutzung von Elektro- und Hybridfahrzeugen sowie öffentlicher Verkehrsmittel,
Bildung von Fahrgemeinschaften, Besprechungen per Telefon- oder Videokonferenz
Kostüm und Maske
Verwendung von umweltfreundlichen Stoffen, Ausleihe von Kostümen aus einem
Fundus, Abgabe nicht mehr benötigter Garderobe an einen Kleiderfundus, Benutzung
von Naturkosmetik
Licht und Kamera
Einsatz energiesparender Leuchtmittel, Verwendung von Festnetzstrom am Motiv,
bei Gebrauch von Generatoren Modelle mit sparsamem Verbrauch auswählen
Ausstattung und Set-Design
Verwendung von umweltfreundlichen Materialien, Holz mit FSC-Siegel,
wiederverwertbaren Requisiten, für die Produktion von Nebel- und Raucheffekten
CO2-arme, wasserlösliche Flüssigkeiten verwenden
Catering
Benutzung von Mehrweggeschirr, Wasserspendern, Verzicht auf Plastikflaschen und
-becher, Bezug von Nahrungsmitteln und Getränken aus regionaler, biologischer
und artgerechter Produktion, Ausgabe von Thermobechern, Reduzierung von
Verpackungsmaterial, Mülltrennung und Kompostsammlung
Weitere Informationen:
Dipl-Pol. Birgit Heidsiek
ist als Journalistin für nationale und internationale Fachzeitungen,
Tageszeitungen und Online-Dienste im Film- und Medienbereich tätig. Als
Herausgeberin des Branchen Bulletin betreibt sie das Medienmagazin Green Film
Shooting sowie die deutsch-englische Internetplattform www.greenfilmshooting.net
Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 01.10.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2015 - Ertrinken wir in Plastik? erschienen.

Save the Ocean
forum 02/2025 ist erschienen
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