Wo ist das Volk?
Wer CSR umsetzen will, kommt an Social Media nicht vorbei
Im November findet der 1. Deutschen CSR-Kommunikationskongress in Osnabrück statt.
Im forum Interview erklären Riccardo Wagner und Tim Breitbarth warum gerade die sozialen Medien wichtig für eine erfolgreiche CSR-Strategie sind.
Social Media und CSR: wieso gehört das zusammen beziehungsweise warum passt das zusammen?
Riccardo Wagner: Im Grunde ist das ganz einfach. Wir sprechen von gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung. Wer hier eine sinnvolle Strategie entwickeln möchte, sollte aus meiner Sicht auch mit der Gesellschaft kommunizieren und wo hält sich das Volk zunehmend auf und wo habe ich ein gleichberechtigtes Spielfeld? In den sozialen Medien.
Tim Breitbarth: Deshalb können sich auch beide Themen gegenseitig verstärken. Social Media Plattformen, Blogs und andere Möglichkeiten des Internet bringen mehr Transparenz und erwirken oft konkreten Handlungsdruck. Alte Geschäfts- und Kommunikationsmodelle werden unterwandert und neue geschaffen haben und sie ermöglichen die gewollte und auch nicht-gewollte Mitsprache von Kunden und Interessensgruppen. Nichtkommunizieren ist im Social Web keine Alternative – und das betrifft insbesondere Nachhaltigkeitsthemen, wo die gekonnte Auseinandersetzung mit kritischen Fragen und Nachfragen als Teil des Verbesserungsprozesses gesehen werden kann. Oder, wenn man als Organisation eine eher passive und zurückhaltendere Haltung einnimmt, geht es im Kontext von CSR und Social Media zumindest um die Vermeidung von Reputationsrisiken.
Das klingt so als ob die Rolle der Unternehmenskommunikation in einer Neufindungsphase ist?
Tim Breitbarth: Absolut. Das ist ja aber auch schon seit ein paar Jahren klar – dennoch fehlen noch immer an entscheidenden Stellen Erfahrungen und Antworten. Die Beziehung zwischen Unternehmensstrategie und der Rolle der Kommunikation verändert sich, zum Beispiel dadurch, dass die Ränder einer modernen Organisation unschärfer werden. Die strategische Einbindung von externen Partnern in die eigene Wertschöpfungskette nimmt zu; die klassische Trennung zwischen interner und externer Kommunikation löst sich auf – nicht zuletzt verstärkt durch das Social Web. Social Media Kanäle bieten Stakeholdern direkten Zugang zu allen Teilöffentlichkeiten einer Unternehmung. Dies kann wiederum strategische Entscheidungen beeinflussen. Es gibt viele Fälle in denen beispielsweise Lieferketten tiefgreifend verändert wurden, weil der Druck von Kundenseite, NGOs und schließlich Politik zu groß wurde. Hier können gute Kommunikatoren entscheidet beim Brückenschlag mit den Themen und Akteuren aber auch der internen Übersetzungsleistung helfen.
Riccardo Wagner: Social Media ist immer noch ein junger Trend. Die wichtigsten Plattformen sind zum Teil gerade einmal zehn Jahre alt und werden mitunter erst seit weniger als fünf Jahren intensiver genutzt, auf der privaten wie professionellen Seite. Man kann das auch sehr gut sehen, zum Beispiel bei der auch CSR-relevanten Flüchtlingsdebatte, wie hier die Gesellschaft nach Wegen des Diskurses sucht, mit negativen und positiven Ausschlägen. Es wird darauf ankommen, bewusst Erfahrungen zu sammeln und die eben schon angesprochene Defacto-Entgrenzung der Unternehmenskommunikation zu akzeptieren und kreative Ansätze daraus zu entwickeln bis hin zu Co-Creation und Crowdsourcing-Ansätzen – da steckt für CSR-Kommunikation und CSR-Management großes Potenzial drin.
Interessiert das Thema Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung überhaupt die Menschen im Social Web?
Riccardo Wagner: Nein, das interessiert so pauschal und in Gänze nur Wenige. Aber ich denke, das ist auch ok, denn es ist trotzdem ein Riesenthema. Das klingt nach einem Widerspruch, ist es aber nicht. Sie sollten im Social Web, und ganz nebenbei bemerkt auch sonst nicht, CSR von der Kanzel predigen mit dem permanenten Anspruch auf Vollständigkeit, Ausgewogenheit, Vergleichbarkeit etc., wie sie von Berichten verlangt werden. Ohnehin sind Nachhaltigkeitsberichte ja im Grunde eine vollkommen unnatürliche Kommunikationsform. CSR und Nachhaltigkeit berühren so viele Themen, die Menschen bewegen, dass hier das gute alte Geschichtenerzählen gebraucht wird, um damit auch CSR-Themen im Social Web zu Relevanz und auch Interesse zu verhelfen.
Welche Themen sind momentan ‚hot’?
Tim Breitbarth: Im Kontext von CSR und Social Media sowie mobiler Kommunikation im weiteren Sinne sind dies sicherlich die Tiefe und Breite von Transparenz, also die was muss ich, wann, wo und wem offenlegen oder auch die Umsetzung von Reporting sowie der Umgang mit Kritik beziehungsweise die Einbindung und Übersetzung von kritischen Fragen in sinnvolle interne Veränderungen. Diese und weitere sind in dem Buch „CSR und Social Media", dass wir beiden im letzten Jahr zusammen mit Georg Lahme herausgebracht haben, von Experten aus Wissenschaft und Praxis aufgearbeitet und veranschaulicht. Im Abschlusskapitel blicken Wayne Visser und Nick Tolhurst bereits weiter voraus und beschreiben wie uns Makro- und Micro-Veränderungen auf den Weg zur ‚Open Source Nachhaltigkeit’ bringen – das geht stark in die Richtung, die Riccardo eben bereits angesprochen hat. Es geht um neue Denkrichtungen, die im Sinne von kollektiver Intelligenz der Stakeholder Lösungen für globale Herausforderungen geben, wobei die Technologien eine schnelle und effiziente Einbindung auf Augenhöhe insbesondere derer ermöglichen, die letztlich am meisten von unternehmerischen Entscheidungen betroffen sind.
Riccardo Wagner: Und eben die von mir angesprochene Nutzung von Storytelling und Content Marketing Ansätzen in der CSR-Kommunikation. Hier wird aus meiner Sicht die Schlacht um die Aufmerksamkeit entschieden und da hat die CSR-Kommunikation sehr spannende Pfeile im Köcher.
Wie ist die Resonanz auf das Buch und was folgt nun?
Tim Breitbarth: Da das Buch als Teil des Wirkens des gemeinsamen Arbeitskreises CSR-Kommunikation der DPRG und des DNWE entstanden ist, hat es eine gute Verbreitung in die interessierte deutsche Kommunikationsbranche gefunden. Die Möglichkeit zum weiteren Austausch und gegenseitigen Lernen zum speziellen Thema Social Media und CSR bietet sich im gleichnamigen Workshop auf dem 1. Deutschen CSR-Kommunikationskongress in Osnabrück am 13. November. Darüber hinaus setzen wir hier weitere Diskussion zu wichtigen Themen der CSR-Kommunikation fort. Dazu haben wir auch viele renommierte Kommunikatoren und Akteure aus dem Bereich Nachhaltigkeit gewinnen können.
Riccardo Wagner: Neben Social Media haben wir auf dem Kongress noch weitere Schwerpunkthemen zum Beispiel „Glaubwürdigkeit und CSR-Kommunikation", „Wertekommunikation und Wertemanagement", „Interne Kommunikation", das im Übrigen ein derzeitiges Kernthema des AK CSR-Kommunikation ist und zudem ich gerade ein weiteres Buch zusammenstelle. Außerdem „die Zukunft des Reporting", „Stakholderdialog" und „Media Relations und CSR". Damit haben wir viele der aktuellen „heißen" Themen im Programm.
Dr. Tim Breitbarth
Principal Academic, Faculty of Management, Bournemouth University
Leiter des Workshops „Social Media und Mobile Communication" auf dem 1. Deutscher CSR-Kommunikationskongress. Dr. Breitbarth war mehrjähriger Mitarbeiter in der Unternehmenskommunikation von Siemens in Deutschland und der USA sowie der ARD, Mitgründer und Geschäftsführer einer neuseeländischen Marketingberatungsgesellschaft sowie freiberuflicher Marketing- und CSR-Berater. Von ihm sind regelmäßig neue Fachartikel und Vorträge insbesondere zu den Themen CSR, strategisches Sport-Management, Konsumentenverhalten und Public Affairs erhältlich. Er ist Mitherausgeber des Buchs „CSR und Social Media", erschienen 2014 im Springer Verlag.
Riccardo Wagner
Der gelernte CTA und Bankkaufmann studierte Geschichte (B.A.), Politik und Literaturwissenschaft und Corporate Communications (M.A.). Er absolvierte ein Volontariat als Finanz- und Wirtschaftsjournalist und arbeitete mehrere Jahre als Autor, Redakteur- und Chefredakteur im Bereich Print, Online, TV-& Multimedia. Seit 2004 ist er Inhaber der Kommunikations- und CSR-Beratung BetterRelations aus Köln. Wagner ist Initiator und verantwortlicher Projektleiter der CSR Initiative Rheinland (IHK-Bonn/Rhein-Sieg), des CSR Stammtisch Köln-Bonn und leitet seit 2009 den gemeinsamen Arbeitskreis „CSR-Kommunikation" der DPRG und des DNWE. Er ist geprüfter PR-Berater (DAPR) und zertifizierter Unternehmensberater (IBWF), Prüfer für PR-Berater und Social-Media-Manager-Prüfung (PZOK), sowie Lehrbeauftragter für Medien- und Kommunikationswissenschaften an mehreren Hochschulen.
Wirtschaft | CSR & Strategie, 30.09.2015
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