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Gemeinwohlorientiertes Wirtschaften unter der Lupe

Ein Forschungsprojekt der Universitäten Flensburg und Kiel untersucht das Potenzial der Gemeinwohl-Ökonomie für eine sozial-ökologische Transformation
Die heutige Wirtschaftsweise geht mit negativen ökologischen und sozialen Folgen einher. Profitstreben und Verpflichtungen gegenüber den Anteilseignern dominieren unternehmerisches Handeln; Mitarbeiter*innen, Zulieferbetriebe, Klima und Umwelt stehen häufig hintenan. Die zivilgesellschaftliche Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) setzt sich für eine Alternative ein: Sie hat ein Modell entwickelt, um das wirtschaftliche Handeln stärker mit demokratischen Grundwerten sowie den sozialen und ökologischen Herausforderungen in Einklang zu bringen. Monetärer Gewinn wird dabei nicht als das Ziel, sondern als reines Mittel betrachtet.
Das siebenköpfige Team des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes „Gemeinwohl-Ökonomie im Vergleich unternehmerischer Nachhaltigkeitsstrategien" (GIVUN) betrachtet das gemeinwohlorientierte Wirtschaften aus vielfältigen Perspektiven: von der Geschichte gemeinwohlorientierten Wirtschaftens über den Vergleich mit weit verbreiteten CSR-Instrumenten bis zu den unternehmerischen Wirkungen einer Gemeinwohlorientierung und der Übertragbarkeit des Ansatzes der Gemeinwohl-Ökonomie auf Großunternehmen.
 
Geschichte gemeinwohlorientierten Wirtschaftens
Die Idee, dass Wirtschaft dem Gemeinwohl dienen soll, ist nicht neu. Die Gemeinwohl-Ökonomie kann als ein aktuelles Beispiel unterschiedlicher gesellschaftlicher und politischer Ansätze gelten, die darauf zielen, das Wirtschaften innerhalb ökologischer und sozialer Grenzen zu ermöglichen. Eine systematische wissenschaftliche Einordnung des relativ neuen Modells steht aber noch aus. Das Team von GIVUN ordnet die Gemeinwohl-Ökonomie daher in die Theorie- und Ideengeschichte ein und analysiert ihren wirtschafts- und unternehmensethischen Innovationsgehalt.
 
 
Vergleich der Gemeinwohl-Bilanzierung mit verbreiteten CSR-Instrumenten
In Zusammenarbeit mit der Nachhaltigkeitsberatung Systain Consulting werden verbreitete Instrumente der Unternehmensverantwortung oder Corporate Social Responsibility (CSR) evaluiert und ihre Wirkungen sowohl untereinander als auch mit der Gemeinwohl-Bilanzierung verglichen. Insbesondere interessieren die konkreten Resultate, die durch die jeweiligen Instrumente in Bezug auf Umwelt (Ressourcenschonung, Klimaschutz etc.) und Soziales (Menschenrechte, Gesundheit & Sicherheit etc.) erzielt werden. So kann schließlich bewertet werden, inwiefern sie einen Wandel im unternehmerischen Handeln bewirken. Unter die Lupe genommen werden das Umweltmanagementsystem EMAS, das Global Social Compliance Programme (GSCP), der Leitfaden ISO 26000, der Deutsche Nachhaltigkeitskodex und die Gemeinwohl-Bilanz: Wo wirkt das Instrument entlang der Wertschöpfungskette und welche nachhaltigkeitsrelevanten Themenbereiche sind angesprochen? Wie wirkt das Instrument, also wie verbindlich, kontrollierbar, transparent, partizipativ, praktikabel und methodisch genau ist es? Wie schätzen Anwender*innen das transformative Potenzial des Instruments ein?
 
Unternehmerische Wirkungen der Gemeinwohlorientierung
Ob und inwiefern sich ein Unternehmen durch eine Gemeinwohlorientierung verändert, wird bei einer Auswahl von Firmen untersucht, die bereits mit der Gemeinwohl-Bilanz arbeiten: Wie wirkt sich die Gemeinwohlorientierung des Unternehmens beispielsweise auf Arbeits- und Produktionsbedingungen, ökologische Aspekte und die Partizipation im Unternehmen aus? Interviews mit Vertreter*innen gemeinwohlorientierter Unternehmen dienen als Basis der Untersuchung und werden gemeinsam mit den Gemeinwohl-Berichten der Unternehmen ausgewertet. Praxispartner wie der Outdoor-Ausstatter VAUDE, die Berliner Bäckerei Märkisches Landbrot, die Tageszeitung taz und der Anbieter für ökologische Tiefkühlkost Ökofrost gewähren dafür Einblicke in ihre Gemeinwohl-Anstrengungen.
 
Übertragbarkeit auf große Unternehmen?
Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Ansatzes der Gemeinwohl-Ökonomie und damit sein transformatives Potenzial wird sich daran erweisen müssen, ob er auf unterschiedliche Unternehmensformate und -größen übertragbar ist. Um Antworten auf diese Frage zu finden, werden Fallstudien durchgeführt, die weiteren Aufschluss über das Diffusionspotenzial der Gemeinwohl-Ökonomie geben. In Workshops mit Vertreter*innen von Großunternehmen wie Deutsche Post DHL, dm-drogerie markt und OTTO Group erarbeitet das Forschungsteam mithilfe des Backcastings, einem Verfahren aus der Zukunftsforschung, mögliche und machbare Wege in Richtung einer verstärkten Gemeinwohlorientierung.
 
Welche Ergebnisse zu erwarten sind
GIVUN erforscht die Bedingungen, die gemeinwohlorientiertes Wirtschaften ermöglichen, sowie seine Skalierungs- und Diffusionspotenziale. Aus ideengeschichtlicher Perspektive sowie gegenüber CSR-Instrumenten wird untersucht, was neu ist an der Gemeinwohl-Ökonomie und was eine Orientierung des Wirtschaftens am Gemeinwohl für das konkrete Unternehmenshandeln bedeutet. Durch die aktive Einbeziehung von Praxispartner*innen ermöglicht das Projekt einen Wissensaustausch zwischen Forschung, Zivilgesellschaft und Unternehmen und trägt dazu bei, dass der Ansatz der Gemeinwohl-Ökonomie als neues Instrument nachhaltigen Wirtschaftens auch durch große Unternehmen erprobt wird.
Zum Ende des Projektes findet eine Abschlusskonferenz in Berlin statt, bei der Wissenschaftler*innen zusammen mit Politiker*innen sowie Praxispartner*innen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft die Projektergebnisse diskutieren. Bei Interesse an Informationen über Verlauf und Veranstaltungen von GIVUN wenden Sie sich gerne an die Projektkoordinatorin Dr. Klara Helene Stumpf unter klara.stumpf@uni-flensburg.de oder besuchen Sie die Website http://www.norberteliascenter.de.

Für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild.Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) und Gemeinwohl-Bilanz
Über 1800 Unternehmen, vor allem kleine und mittlere (KMU), unterstützen bisher die Gemeinwohl-Ökonomie. Etwa 200 Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum haben bereits freiwillig ihre Gemeinwohlorientierung nach dem Punktesystem der GWÖ bewertet. Die so genannte Gemeinwohl-Bilanz soll Auskunft darüber geben, wie die Werte „Menschenwürde", „Solidarität", „Ökologische Nachhaltigkeit", „Soziale Gerechtigkeit" und „Demokratische Mitbestimmung & Transparenz" in der unternehmerischen Praxis berücksichtigt werden. Perspektivisch strebt die GWÖ-Bewegung eine politische Verankerung an: Unternehmen, die eine gute Gemeinwohl-Bilanz vorweisen, sollen steuerliche Vorteile genießen und bevorzugt öffentliche Aufträge bekommen.
 
Von Josefa Kny, Bernd Sommer, Klara Helene Stumpf und Jasmin Wiefek

Wirtschaft | CSR & Strategie, 09.02.2016

     
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