Lehren aus Flüchtlingsintegration nach dem 2. Weltkrieg:

Sehr langwierig auch unter günstigen Umständen

forum Nachhaltig Wirtschaften wird in der Mai-Ausgabe 2016 ein weiteres Special zum Thema Migration und Integration bringen.
  • Erst in Westdeutschland geborene Kinder hatten gleiche Chancen wie Einheimische
  • Hohe Mobilität von Flüchtlingen verhindert vermutlich Ansiedlung in strukturschwachen Regionen
  • Kaum Auswirkungen auf die Arbeitsmarktchancen der Einheimischen zu erwarten
Aus der Integration von Vertriebenen nach dem 2. Weltkrieg lassen sich Schlüsse für den Umgang mit Flüchtlingen heute ziehen – auch wenn beide Fluchtbewegungen sehr unterschiedlich sind. Zu dieser Einschätzung kommt Sebastian Braun, Leiter des Forschungsbereiches Globalisierung und Wohlfahrtsstaat am Institut für Weltwirtschaft (IfW), der die Flüchtlingsbewegung nach dem 2. Weltkrieg analysiert hat. Zwar sei die Erfahrung mit Vertriebenen nicht auf die heutige Situation übertragbar. „Dennoch lassen sich gerade wegen dieser großen Unterschiede wertvolle Erkenntnisse für den Umgang mit den Flüchtlingen in Deutschland und die Erwar- tungen an ihren Integrationserfolg gewinnen", sagte Braun.
 
Schlechtere Chancen trotz identischer Bildung und Sprache
Wesentlicher Unterschied zwischen den Flüchtlingsgruppen ist demnach das Sprach- und Bildungsniveau. „Während viele der heute Flüchtenden nur unterdurchschnittlich qualifiziert sein dürften, waren schulische Bildung und berufliche Qualifi- kation von Vertriebenen und nichtvertriebenen Westdeutschen nach dem 2. Weltkrieg beinahe identisch, zudem hatten Vertriebene und Einheimische dieselbe Muttersprache", so Braun.
 
Dennoch verdienten die Vertriebenen noch 1971 unterdurchschnittlich, hatten weniger Vermögen und geringere Chancen, einen eigenen Betrieb zu besitzen, als die einheimische Bevölkerung. Insbesondere in den 1950er Jahren waren die Vertriebenen – gerade in Regionen mit hohem Vertriebenenanteil – auch besonders häufig arbeitslos. Erst ihre bereits in Westdeutschland geborenen Kinder hatten ähnlich gute Startchancen wie die Kinder der nichtvertriebenen Westdeutschen. Braun: „Da die jetzigen Flüchtlinge teilweise deutlich schlechtere Voraussetzungen mitbringen, als die Vertriebenen von damals, wird Integration heute erst recht sehr viel Zeit brauchen."
 
Keine negativen Beschäftigungseffekte für Einheimische zu erwarten
Die Bereitschaft zur Mobilität hielt bei den Vertriebenen auch nach Ankunft in Westdeutschland an. Um Arbeit zu finden, verließen viele die ländlichen Gebiete wieder, in denen sie zunächst untergebracht waren, und zogen in die industriellen Zentren ?im Westen und Südwesten Deutschlands. Noch in den 1960er Jahren lag die Wahrscheinlichkeit, dass ein Vertriebener den Wohnort wechselte, doppelt so hoch wie die entsprechende Wahrscheinlichkeit der nichtvertriebenen Westdeutschen. „Vor diesem Hintergrund erscheint es unrealistisch, dass die Flüchtlinge von heute den Bevölkerungsschwund im ländlichen Raum stoppen können. Sobald sie die Möglichkeit haben, werden viele von ihnen ihr Glück in den Städten suchen, ähnlich wie die Vertriebenen vor 70 Jahren", so Braun.
 
Auswirkungen auf die Arbeitsmarktchancen der Einheimischen sind dennoch kaum zu erwarten. Kurzfristig hatte der Zustrom der Vertriebenen nur dort nennenswerte Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit der Einheimischen, wo der Vertriebenenanteil mehr als 15 Prozent betrug. Bis zu diesem Schwellenwert waren praktisch keine Effekte auf die einheimische Arbeitslosigkeit erkennbar. Braun: „Dieses Ergebnis überrascht, da Vertriebene und Einheimische aufgrund ihrer sehr ähnlichen Ausbildung vielfach direkte Konkurrenten auf dem westdeutschen Arbeitsmarkt waren. Da die Flüchtlinge heute deutlich schlechter qualifiziert sind und zudem noch erhebliche sprachliche Defizite haben, dürfte der derzeitige Flüchtlingsstrom kaum negative Beschäftigungseffekte für die einheimische Erwerbsbevölkerung mit sich bringen."
 
Die Analyse zu den Flüchtlingsbewegungen ist Teil der Mittelfrist-Konjunktur- prognose des IfW, die erschien am 22. März 2016.
 
Kontakt: Mathias Rauck | Tel. 0431-8814-411 | mathias.rauck@ifw-kiel.de
 

Gesellschaft | Migration & Integration, 21.03.2016

     
        
Cover des aktuellen Hefts

Save the Ocean

forum 02/2025 ist erschienen

  • Regenerativ
  • Coworkation
  • Klimadiesel
  • Kreislaufwirtschaft
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
07
MAI
2025
MakerCamp Genossenschaften 2025
Genossenschaftliche Lösungen in Wirtschaft, Kommunen und Gesellschaft
65189 Wiesbaden
08
MAI
2025
Die intelligente Transformation: ESG + KI = Zukunftssicherung
Wer Nachhaltigkeit ohne KI umsetzt, verpasst entscheidende Chancen
Webinar
14
MAI
2025
Klimaschutz im peruanischen Regenwald
Delegierte der Asháninka teilen ihre Perspektiven
80802 München, Seidlvilla
Alle Veranstaltungen...

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Politik

Sind wir alle viel zu geldfixiert geworden?
Mit Blick auf auf das Börsenchaos überlegt Christoph Quarch, was ein gutes Leben ausmacht
B.A.U.M. Insights
Lassen Sie sich begeistern von einem Buch, das Hoffnung macht.

Jetzt auf forum:

Dialog und Kooperation – Sie sind gefragt!

GROHE Water Insights 2025

Gesundheits- und Sozialwirtschaft muss auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützt werden

„Ökobilanz-Rechner“ der DEUTSCHEN ROCKWOOL

Porsche investiert entschlossen in die Zukunft

Umwelt- und Gesundheitskosten des Ernährungssystems belasten Wirtschaft und Gesellschaft mit Milliarden Euro im Jahr

BNW begrüßt CDU-Vorschlag

ChangeNOW 2025: Ein Wendepunkt für die Wirtschaft der Zukunft

Sustainable Finance, forum-Sonderveröffentlichung, Download kostenlos
  • Global Nature Fund (GNF)
  • Kärnten Standortmarketing
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • ECOFLOW EUROPE S.R.O.
  • Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW)
  • NOW Partners Foundation
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • toom Baumarkt GmbH
  • Engagement Global gGmbH
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • circulee GmbH
  • Global Nature Fund (GNF)
  • Kärnten Standortmarketing
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • ECOFLOW EUROPE S.R.O.
  • Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW)
  • NOW Partners Foundation
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • toom Baumarkt GmbH
  • Engagement Global gGmbH
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • circulee GmbH