Peace Counts:

Fokus auf Friedensstifter

Politiker jeglicher Couleur fordern derzeit, die Ursachen von Flucht und Migration zu bekämpfen. Aber wie? Gefordert ist ein stärkeres internationales Engagement in jenen Ländern, in denen die Gesellschaften durch Gewaltkonflikte zerrissen und zerrüttet sind. Aber auch eine Stärkung der Zivilgesellschaft, um Wunden heilen zu lassen und verfeindete Gruppen miteinander zu versöhnen. Der Global Peacebuilder Summit versammelt Anfang September in Berlin herausragende Friedensstifter aus aller Welt. Sie alle treibt die Frage um: Wie kann die Rückkehr zum Frieden gelingen?
 
Das Dokumentationsprojekt Peace Counts stellt diese Frage seit 13 Jahren. Ende 2002 fand ein ungewöhnliches Netzwerk zusammen: Reporter und Fotografen begannen, mit Friedenspädagogen und Konfliktforschern zu kooperieren. Die Journalisten reisen seitdem immer wieder in Konflikt- und Krisenregionen, um die Arbeit von erfolgreichen Friedensmacherinnen und ihren Organisationen zu recherchieren. Mit welchen Methoden arbeiten sie? Welche sind wirksam, welche nicht? Welche Fähigkeiten braucht jemand, der sich jahrelang in die mühselige Kleinarbeit von Friedensprozessen stürzt? Wie verkraftet er die Rückschläge? Wie kann das Zusammenspiel von privaten Organisationen und staatlichen Stellen funktionieren? Mittlerweile haben die Teams Einsätze in fast 50 Ländern gewagt, von A wie Afghanistan bis Z wie Zimbabwe.

Ruanda: Zwischen Opfern und Tätern werden versöhnende Gespräche organisiert. Foto: © Uli Reinhardt/zeitenspiegel/Peace CountsRuanda: Zwischen Opfern und Tätern werden versöhnende Gespräche organisiert. Foto: © Uli Reinhardt/zeitenspiegel/Peace Counts

„Am Anfang war die Skepsis groß", sagt der Initiator des Projekts, Michael Gleich, der auch die Idee zu dem Berliner Friedensgipfel hatte (siehe Info-Kasten). „Krieg ist spannend, Frieden ist langweilig – das hat mir damals ein Chefredakteur tatsächlich gesagt." Das hat ihn und seine Kollegen erst recht herausgefordert. Sie geben in aufwändig recherchierten Reportagen Einblicke in das Leben von Friedensmachern, die unter Lebensgefahr einen kühlen Kopf behalten und es immer wieder schaffen, verfeindete Gruppen miteinander ins Gespräch zu bringen. „Wir treffen auf charismatische Persönlichkeiten, die eine wechselhafte Biografie haben und in äußerst angespannte Situationen geraten. Wir haben faszinierende Geschichten zu erzählen." Gleich nennt ein paar Beispiele:

  • In Nigeria, wo es immer wieder zu Massakern zwischen Christen und Muslimen kommt, vermitteln Imam Muhammad Ashafa und Pastor James Wuye zwischen den verfeindeten Gruppen. Ihr Interfaith Mediation Center baut Frühwarnsysteme auf: Sie lösen bei den geringsten Anzeichen von Gewalt eine Alarmkette aus, um blutige Eskalationen zu verhindern.

  • Der Syrer Ahmad Edilbi organisiert mit seiner NGO Dubarah („Lösung”) und mit Hilfe von sozialen Netzwerken Beratung, Hilfe und Vernetzung für syrische Flüchtlinge in der ganzen Welt. Die Betroffenen helfen sich untereinander, einige von ihnen werden sogar bis zur Gründung eines eigenen Unternehmens begleitet.

  • Quadeem Mossarat holt in Pakistan radikalisierte junge Männer aus den Fängen der Extremisten. Sie arbeitet eng mit den Familien zusammen und berät sie, wie die Ex-Kämpfer wieder in die Gesellschaft integriert werden können.

  • Nava Sonnenschein organisiert und begleitet in der School for Peace Begegnungen zwischen jungen Juden und Palästinensern. Aber nicht in einem „Friede-Freude-Eierkuchen"-Setting, vielmehr lernen sie, sich ohne Gewalt zu streiten – und mit der Zeit eine ganz andere Deutung des Konflikts und seiner Ursachen zu respektieren. Die Methodik dieser „kritischen Dialoge" wird mittlerweile in anderen Konfliktregionen weltweit übernommen.

  • Dr. Monika Hauser baut in Krisengebieten Zentren für Mädchen und Frauen auf, die sie vor sexualisierter Kriegsgewalt schützen. Sie hat Standards für die Traumaarbeit entwickelt, die sie mit ihrer Organisation medica mondiale in Afghanistan, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Burundi, Ruanda, DR Kongo und Liberia anwendet. Sie wurde für ihr Engagement mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.
 Nigeria: Muhammad Ashafa (mitte) wandelte sich vom Anführer bewaffneter Milizen zum Imam und Vermittler zwischen Christen und Muslimen. Foto: © Uli Reinhardt/zeitenspiegel/Peace Counts Nigeria: Muhammad Ashafa (mitte) wandelte sich vom Anführer bewaffneter Milizen zum Imam und Vermittler zwischen Christen und Muslimen. Foto: © Uli Reinhardt/zeitenspiegel/Peace Counts
Reportagen über diese und andere Friedensstifter veröffentlicht Peace Counts in großen Medien; sie erschienen etwa in der Süddeutschen Zeitung, stern, brand eins, Chrismon, wurden aber auch als Sendungen im Hörfunk ausgestrahlt. „Es geht uns darum, dass eine breite Öffentlichkeit mitbekommt: Es gibt viele Konfliktherde weltweit, aber es sind gleichzeitig auch soziale Erfinder am Werk, die nach Auswegen suchen und Lösungen finden", sagt Gleich. Über diese „heimlichen Helden" werde normalerweise kaum berichtet. Dagegen dominieren Kriege, Krisen und Katastrophen die Berichterstattung. Peace Counts gilt als Modell für „konstruktiven Journalismus", ein innovativer Ansatz, der derzeit viel Beachtung in der Mediendebatte findet. Ziel ist es, Lösungen für soziale Probleme in den Fokus von Recherchen und Publikationen zu stellen.

Solche Recherchen brauchen Zeit und Geld – Ressourcen, die knapp geworden sind. Um dennoch Qualitätsjournalismus betreiben zu können, geht das Projekt Peace Counts neue Wege bei der Finanzierung. Eine Stiftung und eine gemeinnützige GmbH wurden gegründet, Fördergelder kamen vor allem vom Auswärtigen Amt, von Stiftungen und – seltener – von Unternehmen. „Diese Partner haben die journalistische Unabhängigkeit nie in Frage gestellt", betont Gleich. Konstruktiver Journalismus müsse sich eine kritische Haltung bewahren, dürfe auf keinen Fall zur „Hofberichterstattung für gute Projekte" verkommen. Selbst wenn das Thema so wichtig sei wie der Frieden.
 
Friedensgipfel der Zivilgesellschaft
Normalerweise sind es Politiker und Militärs, die zusammenkommen und das Friedensgipfel nennen.
Doch mittlerweile ist klar geworden, wie wichtig auch das Engagement der Zivilgesellschaft bei der Rückkehr einer Region zu Stabilität und Sicherheit ist. Die „Neuen Kriege", die meist nicht zwischen Staaten, sondern innerhalb eines Landes ausbrechen, brauchen auch neue Friedensstifter.
 
Dieser Tatsache trägt der Global Peacebuilder Summit Rechnung. Vom 5.-10. September 2016 treffen sich in Paretz und Berlin erstmals Führungspersonen von Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt, die in ihrer Heimat aktiv und wirksam an Friedensprozessen arbeiten. Sie werden über Wege beraten, wie die globale Zivilgesellschaft konstruktiv auf die aktuellen Herausforderungen wie Flüchtlingsströme und islamistisch motivierte Gewalt reagieren kann.
 
Der Gipfel wurde von der Culture Counts Foundation initiert, die auch am Projekt Peace Counts mitarbeitet, das Auswärtige Amt ist Förderer, weitere Partner sind die Helga Breuninger Stiftung, Berghof Foundation und Ashoka. www.global-peacebuilders.org
Von Fritz Lietsch

Gesellschaft | Migration & Integration, 01.04.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2016 - Zukunft gestalten erschienen.
     
        
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