BIOFACH 2025

Alarmierende Ergebnisse

Schadstoffbelastung durch Plastik-Giftcocktails im Sediment höher als erwartet

Zu alarmierenden Ergebnissen kommt die Untersuchung von Mikroplastik im Sediment von Elbe, Weser, Trave, der Boddengewässer und der Nord- und Ostsee: Mikroplastik bindet deutlich mehr Schad- und Giftstoffe im Sediment als bisher vermutet. Die kleinen Plastikteilchen sind um das Drei- bis Vierfache stärker belastet als das ohnehin schon kontaminierte Sediment. Die größte Schadstoffbelastung wurde nahe der Kläranlage Lübeck gemessen.
 
Foto: Mark LenzSeit 2015 untersucht ein Forscher-Team um Prof. Dr. habil. Gesine Witt von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojektes neben der Schadstoffbelastung auch die Plastik-Vermüllung im Sediment von Gewässern. Auf zwei Expeditionen mit dem Forschungsschiff ALDEBARAN wurde die Kontaminierung im Sediment über drei Monate mit eigens von der HAW Hamburg entwickelten Plastik-Schadstoffsammlern gemessen. Anschließend wurden die Proben im Labor der HAW-Fakultät Life Sciences auf Schadstoffkonzentrationen untersucht. Was man bis jetzt weiß ist, dass kleinste Plastikteile auf Schadstoffe wie Magnete wirken: Je länger sie sich im Wasser befinden, desto mehr Giftstoffe binden sie an sich und bilden eine Art Giftcocktail. Lagern sie sich im Sediment ab, können sie durch Würmer, Muscheln und Fische in die menschliche Nahrungskette gelangen.
 
Mikroplastik drei- bis vierfach stärker belastet als umliegendes Sediment
Bislang vermutete das Forscher-Team, dass die Belastung von Mikroplastik mit Schadstoffen im Vergleich zu dem umliegenden Sediment mindestens genauso hoch sei. Mit den aktuellen Messdaten haben die Forscher um Prof. Dr. habil. Gesine Witt nun ein erweitertes Schadensbild: „Mit 50 Probensammlern konnten wir nachweisen, wie stark Mikroplastikteile in Sedimenten tatsächlich belastet sind. Die kleinen Plastikteilchen sind um das Drei- bis Vierfache stärker belastet als das ohnehin schon kontaminierte Sediment. Zusätzlich wissen wir nun besser, wo sich die unterschiedlich großen Teile nach ihrem Gebrauch im Gewässer oder im Sediment aufhalten."
 
Polyethylen: meistverwendeter Kunststoff der Industrie bindet noch mehr Schadstoffe
Zusätzlich beklemmend ist die weitere Erkenntnis: „Schlickhaltiges Sediment nimmt im Gegensatz zu sandhaltigem deutlich mehr Schadstoffe auf, was im Umkehrschluss auch mit einer höheren Belastung des Mikroplastiks einhergeht. Darüber hinaus können wir mit den Ergebnissen der untersuchten Silikon-Proben aus den Probensammlern und vergleichenden Labortests auf die schadstoffbindenden Eigenschaften von Polyethylen schließen. Demnach bindet Polyethylen noch einmal etwa doppelt so viele Schadstoffe wie Silikon", warnt die Umweltchemikerin Prof. Dr. Gesine Witt. „Dies ist von besonderer Bedeutung, denn Polyethylen ist der in der Industrie meistverwendete Kunststoff."
 
Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass insbesondere Mikroplastik aus Weser- und Elbsedimenten erhöht mit Polychlorierten Biphenylen (PCB) belastet ist. Hier traten je nach Fettlöslichkeit der Schadstoffe Konzentrationen im Bereich von 1,5 bis 280 µg pro kg Polyethylen auf.
 
Die höchste Belastung durch polycyclische aromatische Kohlen¬wasserstoffe (PAK) wurde in den Hafensedimenten des Stralsunder Hafens und des Fischereihafens Marienehe (Rostock) ermittelt. Dies liegt vorwiegend daran, dass Öl- und Ölprodukte wie Dieselkraftstoffe PAK enthalten – einige davon sind krebserzeugend. Die maximale Schadstoffbelastung wurde mit bis zu 1400 µg Fluoranthen pro kg Silikon nahe der Kläranlage Lübeck gemessen. Weitere hohe Belastungswerte fand das Team ebenfalls in der Wesermündung und der Warnow bei Rostock.
 
Daten zur Expedition und zum Forschungsprojekt
Mit dem Hamburger Forschungsvorhaben verbunden waren Projekte der Universität Bayreuth und des Geoforschungszentrums Potsdam, bei denen Mikroplastikproben im Wasserkörper mit Spezialnetzen gesammelt wurden. Erstmals kamen Satellitenbeobachtungen für die Identifikation von Plastik in Gewässern zum Einsatz. Mit dem auf Flachwasser spezialisierten Forschungsschiff ALDEBARAN legten die Wissenschaftler/innen insgesamt 1.025 Seemeilen (etwa 2.000 km) auf norddeutschen Flüssen und Küsten zurück. Die Expeditionen auf der ALDEBARAN wurden vom Portal Deutsche Forschungsschiffe, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem BMBF gefördert. Das Forschungsprojekt hat ein Volumen von mehr als 200.000 Euro und finanziert sich aus Mitteln der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH), der HAW Hamburg und weiteren Drittmitteln. Unterstützt wird es ebenfalls von ALDEBARAN Marine Research & Broadcast.
 
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt:
 
Kontakte:
HAW Hamburg | Prof. Dr. habil. Gesine Witt | gesine.witt@haw-hamburg.de  | http://www.haw-hamburg.de
 
Die ALDEBARAN: ein segelndes Forschungsschiff
Um mit Forschungstaucheinsätzen, Bodengreifern und Wasserschöpfern bei geringem Tiefgang effektiv in der Elbe und den Küstengewässern Plastikmüll-Verunreinigungen aufzuspüren, nutzen die Wissenschaftler/innen das dafür bewährte und flachwassergängige Forschungsschiff ALDEBARAN. Das 14 Meter lange und privat betriebene Forschungs-Segelschiff ist seit knapp 25 Jahren im Dienste der Wissenschaft mit einem modern ausgestatteten Mini-Labor und mit einem kleinen Radio-Studio an Bord für eine aktuelle Wissenschaftskommunikation vor Ort unterwegs, um über Meeres- und Klimathemen zu informieren. Die Forschungsergebnisse und das Forschungsschiff ALDEBARAN werden auch auf dem Tag der offenen Tür der Bundesregierung vor dem Bundesverkehrsministerium Ende August in Berlin präsentiert.
 
 

Umwelt | Wasser & Boden, 03.08.2016

     
        
Cover des aktuellen Hefts

Der Zauber des Wandels

forum 04/2024 ist erschienen

  • Windkraft
  • Zirkuläre Produkte
  • Tax the Rich
  • Green Events
  • Petra Kelly
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
26
NOV
2024
Ein leuchtendes Zeichen für Demokratie und Gemeinschaft
Tollwood Winterfestival unter dem Motto "Wir braucht Dich!"
80336 München
28
NOV
2024
17. Deutscher Nachhaltigkeitstag
Transformation im Gegenwind - Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises
40474 Düsseldorf
10
DEZ
2024
KI-PowerWorkshop
Die besten KI-Tools für Selbständige & KMU's
online
Alle Veranstaltungen...
Lassen Sie sich begeistern von einem Buch, das Hoffnung macht

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Megatrends

Depression ist die neue Volkskrankheit
Um den Trend zu stoppen empfiehlt Christoph Quarch einen Kommunikations- und Perspektivenwechsel - auch der Medien
B.A.U.M. Insights

Jetzt auf forum:

Eindämmung der Barbarei durch Kultur

Einerseits... und andererseits

Der Gender Pay Gap in Pizzaform:

"Real Estate Social Impact Investing Award 2024"

When less equals more: the incredible potential of efficiency

Simulation beschleunigt Nachhaltigkeit in der Produktentwicklung

Kompostierbare Verpackung für Vicentini Teebeutel

Akzeptanz durch Erleben

  • B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • Global Nature Fund (GNF)
  • Engagement Global gGmbH
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • Kärnten Standortmarketing
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • ECOFLOW EUROPE S.R.O.
  • circulee GmbH