Arbeit muss sinnvoll sein

Ein Interview mit Andreas Gnesda - Präsident des österreichischen Gewerbevereins

Andreas Gnesda, Unternehmer und Präsident des Österreichischen Gewerbevereins // Foto: © Foto WilkeAndreas Gnesda begleitet seit über dreißig ­Jahren Organisationen bei der Entstehung neuer Arbeits­welten und hat daraus das Modell „Next World of Working" entwickelt. Sein Credo in seinem gleichnamigen Buch: Erfolg ist mehr als eine positive Bilanz und fette Gewinne. Er besucht jedes Jahr viele Schulen und diskutiert mit den Jugendlichen über ihre Zukunftspläne, aber auch mit den Unternehmen über ihre personellen Bedürfnisse.
Susanne Baust sprach mit ihm über seine Erfahrungen und Vorschläge zur Neugestaltung der Arbeitswelt von morgen.

Die Sinnhaftigkeit der Arbeitswelt von heute wird von vielen Jugendlichen in Frage gestellt. Wo sehen Sie die Gründe?
Viele Schüler wissen überhaupt nicht, wo ihre Stärken liegen, denn ihre Eltern haben nicht die Möglichkeit genützt, Interessen zu wecken und zu fördern. Ich versuche immer, in den Gesprächen herauszufinden, was den Jugendlichen Spaß macht, an was sie Freude haben. Denn ein Beruf muss Freude machen und für den Ausübenden sinnvoll sein, sonst ist ein Burn Out vorprogrammiert. 

Die Drop-Out-Quote gut ausgebildeter, aber als „zu teuer" eingestufter Arbeitnehmer im fortgeschrittenen Alter steigt derzeit rasant und endet meist in der Langzeitarbeitslosigkeit. Deren Kinder sind dann nur schwer davon zu überzeugen, dass eine berufliche Karriere sinnvoll sein kann.
Das ist ein schwerer Fehler in unserem System. Wir brauchen gut ausgebildete, erfahrene Mitarbeiter in unseren Unternehmen wie einen Bissen Brot. Aber viele Unternehmen sehen nicht, wie wertvoll das Wissen dieser Mitarbeiter ist, sie sehen nur die Kosten und manchmal haben sie auch Probleme damit, dass diese Arbeitnehmer aufgrund ihrer Erfahrung sehr fixe Standpunkte haben, die dem Management nicht gefallen. Sie sind beharrlicher und weniger manipulierbar. Aber ich hoffe, dass dieses Problem in Zukunft durch Angebot und Nachfrage geregelt wird, denn die Unternehmen werden das Wissen, das für die Konkurrenzfähigkeit ihrer Produkte und Dienstleistungsangebote Voraussetzung ist, nur noch in der älteren Generation vorfinden.

In England gibt es spezielle Förderungen für die Schaffung von Mentoren-Arbeitsstellen, die Berufsanfängern ihre Erfahrungen weitergeben. 
Eigentlich bedarf es nur eines Umbaus des Sozialversicherungs-Systems. Ich bin der Meinung, dass man von Arbeitnehmern, je länger sie im Arbeitsprozess bleiben, desto weniger Sozialversicherungsbeiträge verlangen sollte, um sie zum Bleiben zu motivieren. Auf der anderen Seite wäre das auch ein Anreiz für die Unternehmen, denn auf diese Weise würden bei älteren Arbeitnehmern auch die Arbeitgeberkosten sinken.

Viele Posten werden heute aus Effizienzgründen eingespart: Der Druck, ausgelöst durch den Shareholder-Value-Ansatz, hat Vorrang vor allen anderen langfristigen Planungen.
Da wird häufig, und vor allem in großen Unternehmen, mit einer falschen Gleichung gearbeitet: Sie denken, Kosten und Aufwand müssen unbedingt kleiner sein als der Outcome. Daher wird reduziert und reduziert, und schließlich bleibt nur noch der „schöne Schein" übrig. Auf Dauer kann das nicht gut gehen, denn die Qualität der Produkte sinkt auf diese Weise kontinuierlich und damit ist der Crash praktisch unvermeidlich. Folgerichtig ist der bessere Weg, am Outcome zu arbeiten. Wenn sich sowohl das Management als auch jeder andere Mitarbeiter des Unternehmens mit dem Outcome identifizieren können und permanent an dessen Verbesserung arbeiten, rentiert sich der Aufwand schnell und es muss nicht an den Arbeitsplätzen gespart werden. Das Problem ist, dass börsennotierte Unternehmen auch oft glauben, in erster Linie auf den Shareholder Value achten zu müssen, und der hat meist wenig mit dem eigentlichen Unternehmenszweck, nämlich ein gutes und konkurrenzfähiges Produkt auf den Markt zu bringen, zu tun. Deshalb sind inhabergeführte Unternehmen in ihrer eigenen Größenordnung oft sehr erfolgreich. Denn hier kommt zur Identifikation mit dem Produkt auch noch hinzu, dass der Inhaber meist über einen langjährigen Erfahrungsschatz verfügt, den er kontinuierlich einbringt und bei einem Generationswechsel auch weiterzugeben gewillt ist. Früher haben sich auch Aktionäre großer Unternehmen als „Teilinhaber" gefühlt und sich mit deren Produktpalette identifiziert. Heute sind Aktionäre meist an vielen Unternehmen „beteiligt", betrachten das aber mehr wie Sparbücher, in die man Geld einlegt und es nach einer gewissen Zeit mit möglichst hohem Gewinn wieder herausholen möchte. Da spielt das Unternehmen selbst keine große Rolle mehr.

Wie wird diese mehrheitlich finanzorientierte Unternehmensführung Ihrer Meinung nach die Arbeitswelt der Zukunft beeinflussen?
Noch ist der Leidensdruck zu gering, um großflächig Änderungen zu bewirken. Aber viele Menschen sind jetzt schon „ausgebrannt" und fliegen aus dem Arbeitsprozess heraus. Glücklicherweise haben wir ein gut funktionierendes Sozialsystem, das diese Menschen auffängt. Doch der Staat könnte sich viel Geld ersparen, wenn diese Menschen wieder Sinn in ihrer Arbeit erkennen könnten und sich auch gerechter behandelt fühlen würden. Man kann nicht immer nur rennen und noch mehr leisten und dabei immer schlechter bezahlt werden und daneben sehen, wie andere das Leben genießen und dabei trotzdem bestens verdienen. Das funktioniert auf Dauer nicht. 

Viele Menschen ziehen aber auch Konse­quenzen, indem sie andere Prioritäten setzen. Dann hat weder Arbeit noch Geld vorrangige Bedeutung, die Notwenigkeit von Statussymbolen wird überdacht und zugunsten von Lebensqualität neu bewertet. Das wirkt sich nicht nur auf das Arbeitskräftepotenzial negativ aus, sondern auch auf den Konsum.
Womit wir wieder bei „sinnvoller" Arbeit wären. Eine sinnvolle Arbeit bedeutet auch Lebensqualität, weil sie Freude macht und man sie gerne ausübt. Wir vom Österreichischen Gewerbeverein versuchen, mit Workshops und Netzwerkarbeit den Erfahrungsaustausch unserer Mitglieder zu fördern und damit zu bewirken, dass mit Hilfe von Best Practice Beispielen wieder mehr unternehmerisches Denken im positiven Sinne in Österreich Fuß fassen kann. Nachhaltiges und soziales Engagement sollte auch nicht nur als lästige Verpflichtung empfunden werden, sondern als Chance für das eigene Unternehmen. Das funktioniert in einer Gemeinschaft wie unserem Verein, der aktuell mehr als 3.500 Mitglieder zählt, recht gut und ist sicher auch effektiv. Außerdem haben wir ein Mentorenprogramm ins Leben gerufen, wo junge Unternehmer von erfahrenen lernen können. Darüber hinaus ist es uns ein Anliegen, das Image des Lehrberufes zu fördern, denn ohne qualifizierte Handwerker werden viele Unternehmen in absehbarer Zeit massive Probleme bekommen.

Betreibt der Gewerbeverein auch Lobbying?
Nein, dafür haben wir kein Mandat, aber wir versuchen immer wieder, Politiker zu Gesprächen mit Unternehmern einzuladen und so die politischen Rahmenbedingungen zu beeinflussen. Große Unternehmen haben natürlich bessere Interessenvertretungen. Aber in Österreich gibt es 316.000 Unternehmen, von denen nur 1.100 mehr als 250 Mitarbeiter haben, und von den mittelständischen Unternehmen fließt erwiesenermaßen auch mehr Steuergeld in die Staatskassen als von den großen Konzernen. Daher wäre es wichtig, dass den kleinen Unternehmen endlich mehr Gehör geschenkt wird, aber leider sieht das unser System derzeit noch nicht vor.


Erfolg ist mehr als eine positive Bilanz und fette Gewinne. Ein nachhaltiges Management stellt sich vielmehr Fragen wie:
Wie verändern sich Menschenbilder in der Arbeitswelt?
Was ist Glück und wie zeigt sich Erfolg wirklich?
Wie erkenne ich, was mich erfüllt, und
wie gestalte ich meine Lebenswelt entsprechend?

Das Buch, in dem er dieses Modell anhand vieler persönlicher Erlebnisse präsentiert, ist im ­Molden Verlag erschienen.

Auflage: 1 (6. April 2016)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3854853408 ISBN-13: 978-3854853404

Wirtschaft | Führung & Personal, 01.08.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2016 - Zukunft der Arbeit erschienen.
     
        
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