BIOFACH 2025

Paradiese auf Erden durch Permakultur

Ein ganzheitliches Konzept, das essbare Landschaften gestaltet

Einst als Hippie-Hobby belächelt, entwickelt sich ein australisches Nachhaltigkeitskonzept weltweit zum neuen Hoffnungsträger – nicht nur in der Landwirtschaft.

Bill Mollison begründete das nachhaltige Konzept der Permakultur in den 1970er Jahren. Inzwischen erfährt dieses Konzept auch in der gesellschaftlichen Mitte Anerkennung und Wissenschaftler, Unternehmer und sogar die Vereinten Nationen beginnen sich für diese „Landwirtschaft und Kultur der Langfristigkeit” zu interessieren. Permakultur soll die Qualität landwirtschaftlichen Bodens nicht nur bewahren, sondern verbessern, zerstörte Lebensräume wiederherstellen und benachteiligten Bevölkerungsgruppen neue Lebensperspektiven bieten.

Links: Olivenbäume in Mischkultur mit Getreideanbau. Die Fläche wird doppelt genutzt und vor Winderosion geschützt. Rechts: Die übliche Anbauweise – der Boden wird ständig offen gehalten, die Erde ist der Sonne vollständig ausgesetzt, verliert Bodenlebewesen und Nährstoffe und ist der Erosion durch Wind und Regenfälle preisgegeben. Südspanien. Fotos: © Immo FiebrigPermakultur oder permaculture ist ein Kunstwort, das sich aus permanent für "dauerhaft” und agriculture/culture für Landwirtschaft beziehungsweise Kultur zusammensetzt. Der 1928 in Tasmanien geborene Umweltschützer und Biologe Bruce Charles (Bill) Mollison war von der rücksichtslosen Zerstörung seines Heimatlandes durch Abholzung entsetzt und wollte nachhaltige Lösungen entwerfen, die ein erfreuliches Leben im Einklang mit der Natur bieten und die Lebensgrundlagen für die kommenden Generationen erhalten sollten. Zusammen mit David Holmgren veröffentlichte Mollison 1978 sein erstes Buch: Permaculture one, drei Jahre später wurde ihm für seine Verdienste im Umweltschutz der alternative Nobelpreis verliehen.

Permakultur – ein ganzheitliches Konzept für die Gestaltung essbarer Landschaften
Angelehnt an Mollisons ursprüngliche Definition ist Permakultur die bewusste Gestaltung sowie Unterhaltung von essbaren Landschaften, die über Diversität, Stabilität und Widerstandsfähigkeit eines (Ur-)Waldes verfügen. Die Philosophie der Permakultur arbeitet mit und nicht gegen die Natur, sie beinhaltet fortlaufendes und aufmerksames Beobachten, überlegtes und gewissenhaftes Planen sowie kongruentes Handeln – nicht ständigen, gedankenlosen Aktionismus. Sie betrachtet Systeme in der Vielfalt ihrer Funktionen, anstatt nur eine Art von Ertrag abzuverlangen, und sie erlaubt diesen Systemen, ihre eigene Evolution zu entfalten. Die Weltanschauung der Permakultur wird von vielen Autoren in drei Punkten zusammengefasst:

  • Sorge für die Erde (earth care)
  • Sorge für die Menschen (human care)
  • Begrenze Konsum und Wachstum (fair share)

Am Anfang jeder Permakultur steht Planung und Gestaltung mit der Natur als Vorbild
Permakultur befasst sich in der Praxis vor allem mit dem Thema „Design”. Gärten und landwirtschaftliche Betriebe bedürfen einer sorgfältigen Planung und Gestaltung vor ihrer Neuanlage oder Umstellung. Die Überlegungen hierzu berücksichtigen ein Denken in Systemen, in denen alles mit allem direkt oder indirekt verbunden ist, also in weitgehend geschlossenen Stoff- und Wirtschaftskreisläufen, in denen möglichst jeder Beteiligte angemessen profitiert und nicht zu Schaden kommt. Am Anfang der Planungsarbeiten für ein Stück Land steht daher die Beobachtung und Wahrnehmung, das Lesen der Natur. Besonders folgende Fragen sind von Bedeutung: Was kann auf diesem Boden und unter den vorliegenden klimatischen Verhältnissen besonders gut gedeihen? Wie intensiv ist die Sonneneinstrahlung? Woher weht der Wind, wieviel Regen fällt? Ist das Gelände abschüssig und kann es dadurch zur Bodenerosion kommen? Welche Wildpflanzen wachsen dort und welchen Hinweis geben sie auf die Qualität des Standorts?

Keine andere Tür führt zum Wissen als die Tür, die die Natur öffnet. Es gibt keine Wahrheit außer jener Wahrheit, die wir in der Natur entdecken.
Luther Burbank, 1849 bis 1926, US-amerikanischer Botaniker und Agrarwissenschaftler
 
Nach genauer Analyse einer Vielzahl von Faktoren kann eine Liste infrage kommender Kulturen erstellt werden. Im Gegensatz zu der konventionellen Landwirtschaft setzt man in der Permakultur, die die Natur nachahmt, auf eine Pflanzenvielfalt, die ein Ausbreiten von Schädlingen und Krankheiten reduzieren hilft. Außerdem können sich verschiedene Pflanzen in ihren Funktionen gegenseitig unterstützen, also Mischkultur statt Monokultur. Zusammen angebaut bieten sie einen Ertrag für den Menschen sowie einen ökologischen Nutzen für den Standort. Leguminosen, wie zum Beispiel Bohnen oder Erbsen, sammeln den lebenswichtigen Stickstoff aus der Luft. Andere Pflanzen sind Lebensraum für nützliche Insekten und erfreuen mit ihren Blüten das menschliche Auge. Auch Tiere sind wichtige Mitarbeiter. Allen voran der Regenwurm, der unermüdlich aus organischen Resten wertvollen Boden herstellt, oder die Myriaden an Boden-Mikroorganismen, die Nährstoffe für die Pflanzen bereitstellen. Zur Erhaltung und Steigerung der Bodenfruchtbarkeit sollte der Boden möglichst ständig durch Mulch, einer Schicht organischen Pflanzenmaterials, oder Bewuchs bedeckt sein, wie dies in der Natur auch der Fall ist. Chemisch-synthetische Spritz- und Düngemittel sind in einem solchen System selbstverständlich tabu.

 

Nun interessiert sich auch die Wissenschaft für die Permakultur
Avocado Gwen (links) und kernlose Cocktail-Avocado (Wildform, rechts). Fotos: © Lehmann natur GmbHVom 8. bis 9. September 2015 fand die 12. Internationale Permakultur-Konferenz in der britischen Metropole London statt. Über 1.000 Teilnehmer, darunter Universitätsprofessoren, Forscher, Agraringenieure, Praktiker, Umweltaktivisten und andere Interessierte aus insgesamt 70 Ländern, hatten sich – zwei Wochen vor dem UN-Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung – versammelt, um in Workshops und Vorträgen Erfahrungen auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Trotz guter Stimmung ging es um ein ernsthaftes Thema: Wie die Menschheit in Zukunft leben und überleben kann, in Selbstverantwortung, Fülle und Frieden – trotz oder gerade wegen des Klimawandels, der zunehmenden Verknappung von Rohstoffen, fortschreitender Entwaldung und Verwüstung von Lebensräumen sowie steigendem Bevölkerungsdruck. Auf der Konferenz präsentierte der Agrarökologe Dr. Rafter Sass-Ferguson von der Universität Illionis seine Studienergebnisse zur Permakultur. Bei seinen Untersuchungen stellte er fest, dass fast die gesamte Literatur hierzu nicht-wissenschaftlicher Art ist. Sie richte sich vornehmlich an Naturbegeisterte und habe sich mit der Fachwelt aus der Landwirtschaft bisher kaum auseinandergesetzt.

Sass-Ferguson wies jedoch auch darauf hin, dass viele der in der Permakultur üblichen Praktiken sehr wohl durch wissenschaftliche Studien belegt seien. Allerdings wurden diese dem Fachbereich der Agrarökologie zugeordnet. Der eigentliche Beitrag der Permakulturisten liege vielmehr in der Ganzheitlichkeit und Interdisziplinarität ihres Ansatzes: die Verbindung von wirtschaftlichen mit ökologischen und sozialen Aspekten, die in sämtliche Bereiche des menschlichen Lebens hineinreichen, wie Bauwesen, Technologien, Finanzen, Bildung, Gesundheit oder Spiritualität.

Permakultur in Deutschland und in der Welt
In Deutschland findet Permakultur hauptsächlich bei Hausgartenbesitzern eine Anhängerschaft. In den USA hingegen gibt es eine Reihe von professionellen Permakulturbetrieben. Permakulturist Jerome Osentowski aus Colorado bietet zum Beispiel eine Besonderheit: Er plant Gewächshäuser, die ohne fossile Energie geheizt oder gekühlt werden können (crmpi.org).

Insbesondere Kleinbauern in Entwicklungsländern können von den Ansätzen der Permakultur profitieren, hierzu gibt es bereits zahllose Beispiele aus Asien, Lateinamerika und Afrika. Aber auch in Deutschland kann Permakultur in Zeiten des Klimawandels eine zunehmende Bedeutung in der Landwirtschaft erlangen. Auf der Konferenz in London wurden deshalb auch Permakulturprojekte mit einer kommerziellen Zielsetzung jenseits von Hobby oder Selbstversorgung präsentiert – eines davon war der Obstbaubetrieb Jelanisol & Montebello in Südspanien nahe Sevilla.

Ertragssteigerungen im Verlauf von fünf Jahren für vier Obstsorten aufgrund verschiedener Maßnahmen, insbesondere mikrobiologische Bodenverbesserung. Die Granatapfel- und Kumquatkulturen stammten aus Neuanpflanzung, Avocado und Orangen aus älteren Pflanzungen. Finca Jelanisol & Montebello, Südspanien.Der Betrieb gehört Friedrich Lehmann, zugleich Geschäftsführer des in Mönchengladbach ansässigen Unternehmens Lehmann natur, Gesellschaft zur Erzeugung und zum Vertrieb ökologischer Produkte mbH. Die 1988 gegründete Importfirma liefert ihre Ware an den Einzelhandel, wie es auf deren Webseite heißt – kontrolliert ökologisch und nachhaltig – von Auberginen bis Zucchini, von Aprikose bis Zitrone.

Lehmann natur hatte sich schon bei Firmengründung das Ziel gesetzt, allen Verbrauchern den Genuss von nachhaltig angebautem Bio-Obst und Bio-Gemüse zu ermöglichen. Doch der Firmenchef wollte mit seinem Unternehmen noch einen Schritt weiter gehen: von der Nachhaltigkeit zur Regenerierung. Deshalb startete er mit dem Obstbaubetrieb Jelanisol & Montebello in Südspanien Versuche mit regenerativer Landwirtschaft. Für Lehmann bedeutet Permakultur das Schaffen von landwirtschaftlichen Paradiesen und nicht weniger als die natürliche Zukunft für unsere Erde und somit für uns und unsere Kinder.

Jelanisol & Montebello: Regenerative Landwirtschaft im Obstbau Südspaniens
Seit dem Besuch von zwei Permakultur-Beratern vor einigen Jahren hat sich auf Jelanisol & Montebello vieles verändert. Wer den Obstbaubetrieb besucht, wird mit frischem Obst der Saison und lautem Vogelgezwitscher begrüßt: Zwei Forscher vom Zentrum für Agrarökologie, Wasser und Resilienz (CAWR) der University of Coventry, ein Biochemiker und eine Pflanzen-Ökologin, verbrachten im Juni zwei Wochen auf dem 50 Hektar großen Demeter-Betrieb, der seit 1990 hauptsächlich Avocado und Orangen, neuerdings auch Kumquat und Granatapfel anbaut.

Das Forschungszentrum in Coventry hat sich zum Ziel gesetzt, die Veränderungen auf Jelanisol & Montebello zu dokumentieren und zu bewerten. Die Ersterhebung zur Nachhaltigkeit erfolgte durch einen offiziellen Fragenkatalog (SAFA1) der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO (Food and Agriculture Organisation). Das Ergebnis zeigt, dass der Betrieb seit seiner Umstellung große Fortschritte gemacht hat.

Avocadobaum-Wildform (rechts) auf der Permakultur-Finca Jelanisol & Montebello in Südspanien, der Boden ist durch Bewuchs (sogenannte Gründüngung) ständig bedeckt. Links davon eine 2- bis 3-stufige Heckenbepflanzung auf der Grenze der landwirtschaftlichen Fläche, sie bietet Schutz vor Wind und ist für Wildtiere und Insekten ein wertvolles Rückzugsgebiet. Foto: © Immo FiebrigVerschiedene Obstbäume werden in Mischkultur mit blühenden Kräutern und Klee als Untersaaten zur dauernden Bodenbedeckung angebaut, ein spezielles Verfahren zur Kompostierung dient der Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit. Für Wildtiere und Insekten bietet ein etwa acht Meter breiter Heckensaum am Rand der Fläche ein großes Rückzugsgebiet, Artenvielfalt wird somit begünstigt. Weitere Maßnahmen haben den Verbrauch an Wasser um etwa 25 Prozent verringert, die Stromkosten halbiert und die Produktion innerhalb von fünf Jahren verdoppelt. Manolo Báez Lozano, der Betriebsleiter, ist stolz auf diesen Erfolg – man sieht es ihm an, und er arbeitet bereits an der nächsten Betriebsumstellung. Diesmal sind es 100 Hektar unweit der portugiesischen Grenze. Friedrich Lehmann ist nunmehr der Überzeugung, dass Permakultur auch in größeren landwirtschaftlichen Betrieben funktionieren kann. Hierzu bedarf es geeigneter Methoden, die aktuell von seinem Team entwickelt werden. Eine besondere Herausforderung bereitet noch die Umstellung von Gemüse produzierenden Betrieben auf eine nachhaltigere Anbauweise – aber er geht davon aus, dass die Permakultur auch hierauf Antworten finden wird.

Friedrich Lehmann, Geschäftsführer der Lehmann natur GmbH und Eigentümer der Finca Jelanisol & Montebello. Foto: © Immo FiebrigKontaktadressen für Permakultur-Interessenten

  • Permakultur Akademie, Berlin, in Zusammenarbeit mit dem PermaKultur Institut e. V., Hoffnungsthal, Deutschland, als Herausgeber des Permakultur Magazins www.permakultur-akademie.de
  • Permakultur-Akademie im Alpenraum PIA, Stainz, Österreich, des Österreichischen Instituts für angewandte Ökopädagogik E.R.D.E. www.permakultur-akademie.com
  • Permakultur Schweiz, Wattenwil, vermittelt neben Kursen auch Regiotreffs und -gruppen. www.permakultur.ch
  • Permaculture Association, Großbritannien, verbindet mit der Informationsplattform die Permakultur in Europa mit den anderen englischsprachigen Ländern der Welt. www.permaculture.org.uk

Dr. Immo Fiebrig
war als promovierter Biochemiker viele Jahre im Gesundheitswesen tätig. Seit 2008 interessiert er sich für Permakultur und entschied sich daraufhin, sich bei den Permakulturisten Sepp Holzer und Rosemary Morrow Theorie und Praxis dieses Konzepts anzueignen. An der Universität Coventry baut er derzeit das Forschungsgebiet Monitoring & Evaluierung von Permakultursystemen auf.

Marion Buley
ist Agraringenieurin und Europaökonomin und seit über 25 Jahren in der Ökolebensmittelbranche tätig. Sie widmete sich unter anderem dem Aufbau von internationalen Lieferketten und Ökolandbauprojekten. Nach Kursen bei Sepp Holzer legte sie einen Permakultur-Streuobstgarten an und bietet seitdem Planung und Management von Permakulturprojekten an.
Lesen Sie hier das Interview mit Friedrich Lehmann

1 Sustainability Assessment for Food and Agriculture Systems: Nachhaltigkeitsbewertung für Nahrungsmittel- und landwirtschaftliche Systeme


Umwelt | Biodiversität, 01.08.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2016 - Zukunft der Arbeit erschienen.
     
        
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