Der Elektroschrott-Transformer Batman
NachhaltigKunst in Berlin
Die zunehmende Elektrisierung der Haushalte und die vollständige Digitalisierung unseres Lebens führen zu immer mehr kaputten Elektrik- und Elektronikprodukten. Diese kann man entweder reparieren oder auch zu Kunst verwandeln. Und genau diese zwei Lösungswege realisiert der türkischstämmige Künstler und Betreiber eines Reparaturladens in Berlin-Neukölln Muharrem Batman.
Geburt einer Schrottidee
Schon als Kind hortete Muharrem Batman (dies ist kein Künstlername, sondern ein alter türkischer Name) zum Leidwesen seiner vier Schwestern Unmengen an Elektro- schrott in der elterlichen Wohnung. Nach seinem Umzug nach Deutschland eröffnete er ein Handelsgeschäft für Elektroschrott und für Reparaturen in Berlin. Ihm war immer völlig schleierhaft, warum Elektroschrott als Son- dermüll abgestempelt und nicht als wertvolle Ressource wahrgenommen und wertgeschätzt wurde. Für ihn be- saß Elektroschrott mit seinen Mustern und Materialien wie Gold immer etwas Ästhetisches – ähnlich wertvoll und schön wie Schmuck.
Als er überlegte, wie er die Schaufenster seines Ladenge- schäfts interessant und aufmerksamkeitsstark gestalten kann, half der Zufall und die Inspiration. In den Kellern des übernommenen Ladengeschäfts, welches vorher eine Modeboutique war, fand Muharrem Batman Styro- porköpfe und -körper. Das inspirierte ihn, diese Formen mit Elektroschrott zu verbinden. Diese Idee setzte er zusammen mit seiner Schwester Ayse Batman, die größere Handfertigkeit als er selbst besaß und die filigrane Umsetzung realisierte, um und stellte die erste Skulptur ins Schaufenster. Schon bald kamen Anfragen von Kunden und Passanten, ob man diese Kunstwerke erwerben könnte.
Schrottobjekte erobern Berlin-Neukölln und das größte Computermuseum der Welt
Aus den ersten Objekten entstanden nach und nach immer mehr Kunstwerke. Dioden, Platinen, Kabel, Tran- sistoren, Knöpfe und anderer Elektroschrott werden mittlerweile zu Köpfen, Köpern, Computerviren und sogar tragbaren Kleidern von Muharrem Batman und seinem Team (Ayse Batman, Steve Studinski, Kemal Cantürk, Judith Brun, Dirk Israel) verwandelt. Der Repa- raturladen in Berlin-Neukölln ist nicht nur ein Treff- punkt für Kunden mit alten und reparaturbedürftigen Elektrogeräten, sondern auch ein Geheimtipp für Computerbegeisterte, Nerds, Kunstinteressierte und Touristen aus aller Welt. Das Geschäft mit seinen Kunst- werken im Schaufenster und im Laden ist auch ein wichtiger Bestandteil der Nachbarschaft. Als Muharrem Batman vor ein paar Jahren zur Vorbereitung eines Events für wenige Tage die Schaufenster verhangen hatte, hatten Passanten Angst, dass der Laden Batman Elektronik schließt. Als er dann wieder die Schaufenster öffnete und zu dem Event einlud, hatte ein Besucher vor Freude Tränen in den Augen.
Elektroschrott-Kunstwerke gehen zwar noch nicht so häufig wie Stecker und andere Ersatzteile über die Ladentheke, aber sie verkaufen sich gut und die Preise steigen. Besonders stolz ist der Ladenbesitzer und Künstler, dass eines seiner Kunstobjekte den Weg in die Sammlung des Heinz Nixdorf-MuseumsForums, dem weltgrößten Computermuseum in Paderborn, gefunden hat. Auch zeigt er mittlerweile seine Kunst nicht nur in seinen beiden Läden, sondern auch in Ausstellungen und bei Events.
Elektroschrott ist schön und wertvoll
Nach einer aktuellen Studie der United Nation University fielen im Jahr 2014 41,8 Millionen Tonnen Altelektronik weltweit an. Nur rund 16 % davon werden den offiziellen Recyclingprogrammen zugeführt. In Deutschland fallen pro Jahr und Einwohner zwischen 20 und 25 kg Elektro- schrott an. Muharrem Batman möchte mit seiner Kunst nicht nur Aufmerksamkeit für seinen Laden erzeugen, sondern die Betrachter für die Elektroschrottproblema- tik sensibilisieren und sie dazu motivieren, Elektrogeräte zu reparieren oder zumindest mit den funktionsuntüch- tigen Geräten verantwortungsvoll umzugehen. Elektro- schrott ist seiner Meinung nach viel zu schön und wert- voll, um es achtlos und falsch zu entsorgen.
Elektroschrott-Träume
Aber Muharrem Batman wäre nicht er selbst, wenn er nicht schon wieder an neuen Kunstideen tüfteln würde. Bald will er seine Lebensgefährtin heiraten. Die Hochzeit soll im Heinz Nixdorf-MuseumsForum stattfinden und die Braut in einem weißen Kleid – selbstverständlich vollständig aus weißen Platinen – den Mittelpunkt der Feier darstellen. Auch träumt er davon, ein Kunst- und Kulturzentrum in der Nähe seines jetzigen Wohnortes im brandenburgischen Schlieben aufzubauen, welches nicht nur seine Kunstwerke beheimaten soll, sondern auch für Elektroschrott-Fans aus aller Welt und die Bevölkerung vor Ort ein Begegnungsraum werden soll. Der Name steht schon fest: Bergapolis.
www.elektroschrottkunst.com
www.batman-elektronik.de
Prof. Dr. Carsten Baumgarth ist Professor für Marketing, insbesondere Markenführung, an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der Verbindung von Marke und Nachhaltigkeit sowie den Verknüpfungen zur Kunst. Speziell die Kooperation von Kunst und Unternehmen ist ihm ein Anliegen.
www.arts-push-business.de
Die Serie „NachhaltigKunst" stellt in jeder Ausgabe einen Künstler, eine Künstlergruppe und/oder ein Kunstwerk vor, welche die Sphären Nachhaltigkeit und Kunst interessant verbinden. Das soll Sie als Leser berühren und für Kunst begeistern. Es darf aber auch als Inspiration für Unternehmen, Institutionen und NGOs dienen, sich mit den Potenzialen von Kunst für die Nachhaltigkeitskommunikation auseinanderzusetzen.
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 01.11.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2016 - Klima, Krieg und gute Taten erschienen.
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