Krisen in der Landwirtschaft
Minister Schmidt konzept- und tatenlos
Wenige Tage vor der „Wir haben Agrarindustrie satt!"-Demonstration, zu der auch im siebten Jahr viele tausende Teilnehmer erwartet werden, ziehen die Veranstalter eine verheerende Bilanz der Amtszeit von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Der Zusammenschluss aus Bauern, handwerklichen Lebensmittelherstellern und zivilgesellschaftlichen Organisationen wirft dem Minister Konzeptlosigkeit auf ganzer Linie vor. Seit seinem Amtsantritt vor fast drei Jahren habe sich der CSU-Politiker den Herausforderungen im Agrarbereich nicht gestellt und keine ernsthaften Schritte unternommen, um die schweren Krisen der Landwirtschaft zu überwinden. Daher wollen die rund 100 aufrufenden Organisationen im Wahljahr 2017 eine neue Agrar- und Ernährungspolitik auf die politische Agenda setzen. In Berlin stellen die Organisatoren heute neun Forderungen für Bauernhöfe statt Agrarindustrie, für gesundes Essen und Demokratie statt Konzernmacht vor.

Jedes Jahr zur Grünen Woche kündigt Bundesminister Schmidt symbolträchtige Projekte an, die bei genauerer Betrachtung kaum Substanz haben. Dabei ist die Aufgabenliste des Ministers lang: Anstelle des angekündigten freiwilligen Tierwohl-Labels ist eine Tierhaltungs- und Herkunfts-Kennzeichnung mit klaren Kriterien und finanziellen Anreizen für tiergerechte Haltungsbedingungen dringend nötig Das Artensterben schreitet wegen der Intensivlandwirtschaft und des flächendeckenden Einsatzes von Pestiziden immer weiter voran. Das höchst umstrittene Gentechnikgesetz muss klare Vorgaben machen, statt mit einem „Flickenteppich" Gentechnik durch die Hintertür auf deutsche Äcker zu bringen. Auch in der lang anhaltenden Milchkrise muss der Erhalt vieler tausender Betriebe sichergestellt werden. Der Minister sollte Partei für die Vielfalt von Betrieben im ländlichen Raum ergreifen und endlich den Schulterschluss mit der Agrarindustrie beenden.
Matthias Brümmer von der Gewerkschaft Nahrung, Genussmittel und Gaststätten (NGG), der auf der Auftaktkundgebung der Demonstration sprechen wird, kritisiert die prekären Arbeitsverhältnisse in der Fleischindustrie. Trotz des Mindestlohns und der Selbstverpflichtung der deutschen Fleischindustrie hat sich an der Summe der Werkvertragsarbeiter fast nichts verändert. Brümmer erklärt: „Die wachsende Konzentration in der Fleischwirtschaft wird bei der NGG mit Sorge gesehen. Noch vor 15 Jahren spielte die deutsche Fleischindustrie in Europa kaum eine Rolle, heute steht sie an erster Stelle und baut ihre Vormachtstellung weiter aus. Viele europäische Gewerkschaftsverbände beklagen diese Entwicklung, die dazu geführt hat, dass bereits mehrere zehntausend Arbeitsplätze vernichtet worden sind. Ein Ende ist nicht absehbar."
Die Tendenz zu Megaställen lässt sich insbesondere im Bereich der Schweinefleischproduktion nachvollziehen. Hier haben seit 2010 rund 60 Prozent der Schweine haltenden Bauern aufgegeben, während gleichzeitig die Tierzahl pro Betrieb um 144 Prozent angestiegen ist.
Um die Missstände in der Land- und Ernährungswirtschaft zu überwinden, legt das „Wir haben es satt!"-Bündnis zum Wahljahr 2017 neun Forderungen für eine neue Agrarpolitik vor: So fordern die Demonstranten etwa, bis 2020 müssen 50 Prozent der öffentlichen Beschaffung aus regionaler und ökologischer Landwirtschaft kommen. Außerdem muss der Antibiotikaeinasatz bis 2020 halbiert und Reserveantibiotika verboten werden. In Intensivtierhaltungsgebieten sollen die Tierbestände reduziert werden und die Tierhaltung an die Betriebsfläche gebunden werden, um weitere Klagen wegen Verletzung der europäischen Nitratrichtlinie zu verhindern.
Antje Kölling von Demeter erläutert eine weitere Forderung: „Die Bundesregierung muss jetzt dringend handeln! Sie kann z.B. jährlich 500 Millionen Euro von der Flächenprämie für eine ökologische und tiergerechtere Landwirtschaft umschichten – das hat sie selbst in der Hand. Bauern ernähren uns und pflegen unsere Landschaft, dafür müssen sie fair bezahlt werden. Statt auf mehr Einkommen aus Exporten zu setzen, muss der Landwirtschaftsminister für mehr Wertschätzung, für regionale Wirtschaftsstrukturen und für engere Beziehungen zwischen Stadt und Land sorgen." Deutschland habe eine globale Verantwortung und dürfe nicht weiter mit Dumpingexporten kleinbäuerliche Strukturen im Süden zerstören.
„Am meisten freut mich, dass die Demonstration in diesem Jahr von einem Block Jungbäuerinnen und Jungbauern angeführt wird, die sich für eine Zukunft auf dem Land einsetzen", sagt Jochen Fritz, Organisator der „Wir haben es satt!"-Demonstration. „Auch freut mich, dass unsere Debatten nach sieben Jahren mittlerweile nicht nur in der Mitte der Gesellschaft, sondern auch in der Branche angekommen sind. Wir zeigen einen Weg auf, bei dem Bauern, Verarbeiter und Verbraucher profitieren. Jetzt ist die Politik am Zug und muss dem gesellschaftlich gewollten Umbau hin zu einer sozial gerechten, tier- und umweltfreundlichen Landwirtschaft konsequent umsetzen."
Die „Wir haben Agrarindustrie satt!"-Demonstration wird von tausenden Bäuerinnen und Bauern – konventionell und bio – getragen, von denen viele mit Traktoren aus dem gesamten Bundesgebiet anreisen. Zusammen mit rund 100 Organisationen aus der Zivilgesellschaft treten sie für eine Landwirtschaft und Lebensmittelpolitik ein, in der Bauern fair entlohnt werden und sich alle Menschen gesund ernähren können. Der Auftakt der Demonstration findet am Samstag, den 21.1.17 um 12 Uhr am Potsdamer Platz statt. Alle Menschen, die sich für gute Landwirtschaft und gesundes Essen einsetzen, sind herzlich willkommen an der Demonstration teilzunehmen.
Kontakt:
Christian Rollmann, „Wir haben es satt!"
Gesellschaft | Politik, 16.01.2017

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