Energiewende erfasst den Wärmemarkt
Versorger müssen sich auf erhebliche Veränderungen einstellen und brauchen Wärmestrategie 2030
Nachdem die erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren den Strommarkt revolutioniert haben, ist als nächstes der Wärmesektor dran: Heute kommt die Energie für Heizen und Kühlen in Deutschland noch fast vollständig aus konventionellen Quellen (2015: 87%) – zu viel, um die in Paris eingegangene Verpflichtung zu erfüllen, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Deshalb hat die Bundesregierung in ihrem nationalen Klimaschutzplan 2050 erstmals für die Sektoren Strom, Wärme, Industrie und Verkehr jeweils individuelle Zwischenziele für 2030 eingeführt. Außerdem sollen die Sektoren enger miteinander verzahnt werden, um die Effizienz zu steigern. Auf Wärmeversorger und –Kunden kommen dadurch erhebliche Veränderungen zu, die sie in ihren Investitionsentscheidungen frühzeitig berücksichtigen müssen. Um den Unternehmen dafür die nötigen Planungsgrundlagen an die Hand zu geben, haben die Energieexperten von Roland Berger in ihrer neuen Studie "Wärmewende in Sicht" den aktuellen und zukünftigen Wärmemarkt sowie die Auswirkungen des Klimaschutzplans 2050 auf die Versorger analysiert.
"Der Wärmemarkt wird in den kommenden Jahren genauso umgekrempelt, wie wir es im Strommarkt gesehen haben", sagt Torsten Henzelmann, Partner von Roland Berger. "Getrieben durch neue Technologien und die Vorgaben des Klimaschutzplans 2050 wird das deutsche Wärmesystem komplett umgebaut: hin zu einer dezentralen Struktur und überwiegend basierend auf erneuerbaren Energiequellen. Zudem werden die Wechselwirkungen mit den anderen Sektoren verstärkt." Für Wärmeversorger heißt das, dass sie die technologischen und strategischen Entwicklungen nicht nur im Wärmesektor selbst, sondern auch in den anderen Sektoren in ihre Entscheidungen einbeziehen müssen. Und dies möglichst frühzeitig, mahnt Henzelmann: "Ohne eine umfassende Wärmestrategie 2030 drohen Fehlinvestitionen in falsche Technologien, möglicherweise gehen auch ganze Kundensegmente verloren."
Bereits heute betroffen sind Energieversorger, die in großen, konventionellen Heizkraftwerken Wärme produzieren und ihre Kunden über ein zentrales Fernwärmenetz beliefern. "Diese Wärme war anfangs ein Nebenprodukt der Stromerzeugung, später dann eine sichere Erlösquelle, als die Stromgroßhandelspreise sanken", sagt Ingmar Kohl, Partner von Roland Berger. "Mit dem weiteren Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken sinken die Preise aber noch weiter und werden zunehmend volatiler. Deshalb laufen ältere, unflexible Anlagen immer öfter im "Wärme-Must-Run", das heißt, sie müssen Wärme produzieren, verlieren aber auf der Stromseite Geld."
Vier zentrale Trends prägen den Wärmemarkt der Zukunft
In ihrer Studie haben die Roland Berger-Experten die zukünftigen Entwicklungen im Wärmesektor detailliert untersucht. Entscheidend sind dabei vier Trends, die sich gegenseitig beeinflussen und verstärken: Der erste ist die Dekarbonisierung als Grundvoraussetzung für das Erreichen der Emissionsziele. Dazu kommen Digitalisierung und neue Technologien, die das Energiesystem insgesamt effizienter und intelligenter steuerbar machen und so die Dekarbonisierung überhaupt erst ermöglichen. Drittens wird es eine deutliche Dezentralisierung geben, bedingt durch den weiteren Ausbau der – meist dezentralen – erneuerbaren Energien.
Der vierte Trend ist die engere Verzahnung der Sektoren, die nicht nur durch den Klimaschutzplan 2050 forciert wird, sondern vor allem durch neue Technologien getrieben wird. Beispiele dafür sind Power-to-Heat-Anlagen (P2H), die Wärme idealerweise aus überschüssigem erneuerbaren Strom erzeugen, oder auch Power-to-Gas-Anlagen (P2G), die den Strom zur Erzeugung von Gas nutzen, das langfristig im Gasnetz gespeichert werden kann. Zur kurzfristigen Speicherung von überschüssigem Strom kommen zunehmend dezentrale Stromspeicher in Elektroautos oder Gebäuden zum Einsatz. Sektor-übergreifend ist auch die Nutzung von Abwärme aus Industrieanlagen für die Wärmeversorgung.
"Der Wärmemarkt wird in den kommenden Jahren genauso umgekrempelt, wie wir es im Strommarkt gesehen haben", sagt Torsten Henzelmann, Partner von Roland Berger. "Getrieben durch neue Technologien und die Vorgaben des Klimaschutzplans 2050 wird das deutsche Wärmesystem komplett umgebaut: hin zu einer dezentralen Struktur und überwiegend basierend auf erneuerbaren Energiequellen. Zudem werden die Wechselwirkungen mit den anderen Sektoren verstärkt." Für Wärmeversorger heißt das, dass sie die technologischen und strategischen Entwicklungen nicht nur im Wärmesektor selbst, sondern auch in den anderen Sektoren in ihre Entscheidungen einbeziehen müssen. Und dies möglichst frühzeitig, mahnt Henzelmann: "Ohne eine umfassende Wärmestrategie 2030 drohen Fehlinvestitionen in falsche Technologien, möglicherweise gehen auch ganze Kundensegmente verloren."
Bereits heute betroffen sind Energieversorger, die in großen, konventionellen Heizkraftwerken Wärme produzieren und ihre Kunden über ein zentrales Fernwärmenetz beliefern. "Diese Wärme war anfangs ein Nebenprodukt der Stromerzeugung, später dann eine sichere Erlösquelle, als die Stromgroßhandelspreise sanken", sagt Ingmar Kohl, Partner von Roland Berger. "Mit dem weiteren Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken sinken die Preise aber noch weiter und werden zunehmend volatiler. Deshalb laufen ältere, unflexible Anlagen immer öfter im "Wärme-Must-Run", das heißt, sie müssen Wärme produzieren, verlieren aber auf der Stromseite Geld."
Vier zentrale Trends prägen den Wärmemarkt der Zukunft
In ihrer Studie haben die Roland Berger-Experten die zukünftigen Entwicklungen im Wärmesektor detailliert untersucht. Entscheidend sind dabei vier Trends, die sich gegenseitig beeinflussen und verstärken: Der erste ist die Dekarbonisierung als Grundvoraussetzung für das Erreichen der Emissionsziele. Dazu kommen Digitalisierung und neue Technologien, die das Energiesystem insgesamt effizienter und intelligenter steuerbar machen und so die Dekarbonisierung überhaupt erst ermöglichen. Drittens wird es eine deutliche Dezentralisierung geben, bedingt durch den weiteren Ausbau der – meist dezentralen – erneuerbaren Energien.
Der vierte Trend ist die engere Verzahnung der Sektoren, die nicht nur durch den Klimaschutzplan 2050 forciert wird, sondern vor allem durch neue Technologien getrieben wird. Beispiele dafür sind Power-to-Heat-Anlagen (P2H), die Wärme idealerweise aus überschüssigem erneuerbaren Strom erzeugen, oder auch Power-to-Gas-Anlagen (P2G), die den Strom zur Erzeugung von Gas nutzen, das langfristig im Gasnetz gespeichert werden kann. Zur kurzfristigen Speicherung von überschüssigem Strom kommen zunehmend dezentrale Stromspeicher in Elektroautos oder Gebäuden zum Einsatz. Sektor-übergreifend ist auch die Nutzung von Abwärme aus Industrieanlagen für die Wärmeversorgung.
"Mit dem langfristig angelegten Klimaschutzplan 2050 versucht die Bundesregierung, den Systemwandel in geordnete Bahnen zu lenken und größere Umbrüche zu vermeiden", sagt Roland Berger-Experte Kohl. "Trotzdem kann es zu disruptiven Veränderungen im Wärmemarkt kommen, zum Beispiel wenn große Kohle-Heizkraftwerke wegen mangelnder Rentabilität auf der Stromseite stillgelegt werden und damit schlagartig als zentrale (Haupt-)Wärmequellen wegfallen."
Die zunehmende Flexibilität im Energiesystem wirkt sich auch auf den Strommarkt aus: Je besser Wind- und Solarstrom durch Sektorkopplung, netztechnische Maßnahmen und Lastmanagement integriert werden und je mehr Stromspeicher zukünftig installiert werden, desto geringer werden Preisniveau und -fluktuation an der Strombörse. Genau das wird aber wiederum zum Problem für die neuen, auf Flexibilität ausgelegten Gas-Kraftwärmekopplungsanlagen, die aktuell in Planung oder bereits im Bau sind. "Kommen zu einem Strommarkt, von dem kaum noch Signale ausgehen, noch weitere Emissionsabgaben dazu, macht eine zentrale, konventionelle Wärmeversorgung wirtschaftlich keinen Sinn mehr", fasst Kohl zusammen.
Strategien in unsicheren Zeiten
Die Roland Berger-Experten sehen daher Versorger und Netzbetreiber vor allem in der Pflicht, mit der hohen Komplexität der Energiesysteme umgehen zu lernen: "Nur dann können sie die durch neue Technologien und Sektor-übergreifendes Denken entstehende Flexibilität in einer dezentralen Erzeugungs- und Verbrauchsstruktur optimal nutzen", sagt Henzelmann. Außerdem sei es dann nicht mehr sinnvoll, Strom-, Gas- und Wärmenetze weiter parallel auszubauen. "Viel wichtiger ist, die verschiedenen Versorgungsinfrastrukturen im Sinne eines Gesamtoptimums aufeinander abzustimmen. Dazu muss auch die lokale Verbraucherstruktur berücksichtigt werden und für jede Kommune eine eigene optimale Lösung gefunden werden."
Je nachdem, wie schnell die Transformation der deutschen Energiewirtschaft erfolgt, wird die Zeit bis 2030 von tiefgreifenden, potenziell disruptiven Veränderungen geprägt sein. Da der Aufbau eines Portfolios von dezentralen Lösungen viel Zeit und Ressourcen benötigt, sollten Wärmeversorger bereits heute beginnen, sich auf die Umstellung des Energiesystems vorzubereiten. "Aufgrund der jeweils spezifischen lokalen Situation der Versorger gibt es dafür keine allgemeine Blaupause, an der man sich orientieren könnte", sagt Henzelmann. "Jedes Unternehmen muss möglichst frühzeitig seine eigene 'Wärmestrategie 2030' formulieren."
Technik | Energie, 18.05.2017
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