Ein Fluss, Lindenbäume, Honigtau. Solche Bilder assoziiert man beim Stichwort „Stadt" eher nicht. Vermutlich denken viele erst einmal an Gebäude, Sehenswürdigkeiten oder Skylines. Doch was ist mit den Bäumen und Parks, den Bienen und Flüssen, den Ökosystemen und ihren Geschichten? Die studentische Ausstellung „Ecopolis München" des Rachel Carson Centers fragt nach der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt im urbanen Umfeld. Sie ist vom 25. bis 27. Juli jeweils von 10 bis 20 Uhr im Lichthof des LMU-Hauptgebäudes zu sehen (Ludwig-Maximilians- Universität München, Geschwister-Scholl-Platz 1).
Viele Perspektiven ergeben ein Bild
Die Studierenden des Umweltstudienprogramms kommen aus Fachrichtungen wie Physik, Germanistik, über Biologie und Business Administration bis hin zu Geologie und Ethnologie. Sie haben gewagt, zwischen Disziplinen zu denken. In Teamarbeit decken sie Umweltgeschichten Münchens auf. Der Zugang zur Ausstellung ist dabei ein ganz persönlicher – von wissenschaftlicher Erkenntnis und den Alltagserfahrungen und Interessen der Studierenden gleichermaßen geprägt. Darüber hinaus haben sie mit Experten aus Forschung oder Stadtverwaltung gesprochen und Stimmen von Vereinen, aus der Wirtschaft und der Münchner Bevölkerung eingeholt. In nur sechs Monaten realisierten sie das Projekt „Ecopolis" und wollen mit der Ausstellung zum Nachdenken anregen. So wie die Studierenden selbst einen anderen Blick auf bekannte Münchner Orte gewonnen haben und Themen neu entdeckt haben, sollen auch die BesucherInnen der Ausstellung angestiftet werden, die städtische Umwelt bewusster wahrzunehmen als zuvor.
Der Titel „Ecopolis" greift folgenden Gedanken auf: Städte sind politische Gemeinwesen, aber zugleich komplexe Ökosysteme. Unsere urbane Realität wird einerseits durch menschliche Planung und Politik gestaltet und andererseits wirkt sich ein komplexes Zusammenspiel unterschiedlichster natürlicher Faktoren auf sie aus.
München hat in Deutschland die höchste Bevölkerungsdichte und kämpft mit explodierenden Mietpreisen. Gleichzeitig genießt man hier eine hohe Lebensqualität. Dass die Menschen sich in München so wohl fühlen, liegt nicht zuletzt an beliebten grünen Naherholungsflächen, wie der Isar, dem Englischen Garten oder dem Olympiapark. Doch auch nicht-menschliche Akteure wie Steine, Pflanzen, Tiere und Bakterien zählen zu Münchens Bewohnern.
Das Rachel Carson Center for Environment und Society (RCC)
Das Rachel Carson Center for Environment and Society
(RCC) der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München wurde 2009 als Initiative
der LMU und des Deutschen Museums gegründet. Es ist das weltweit größte Center for
Advanced Studies in den geisteswissenschaftlichen ausgerichteten Umweltstudien.
Mehr als 300 ProfessorInnen und Postdocs aus aller Welt haben am RCC als
Fellows geforscht und publiziert. Neben öffentlichen Vorträgen, Diskussionen
mit Umweltexperten, Workshops, Konferenzen und Filmgesprächen organisiert das
RCC auch Ausstellungen. Das Environment and Society Portal www.environmentandsociety.org hat bislang ca. 500.000 individuelle Nutzern in 220 Ländern und Territorien
erreicht.
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Der ideale Stadtbaum
Die Linde ist Leitbaum des Olympiaparks und säumt seine Wege. Als klassischer Alleebaum ist die Linde typisch für München. Allerdings kommt sie aktuell aus der Mode, denn die auf ihr lebenden Blattläuse produzieren süß-klebrigen Honigtau, der besonders im Juni Ärgernis für viele Menschen ist. Er tropft vom Baum und verklebt Autoscheiben, Fahrradsessel und Fußwege. Auch aus der Perspektive der Stadtplanung gibt es beliebtere Bäume: Jene, die bestimmten Ökosystemdienstleistungen entsprechen. Ein Baum in der Stadt soll gerade wachsen, seine Wurzeln dürfen nicht zu tief reichen und er ist bestenfalls unempfindlich gegenüber Streusalz und Hunde-Urin. Außerdem trotzt der ideale Stadtbaum Hitze und Dürreperioden – dieser Aspekt wird gerade in Hinblick auf den Klimawandel immer wichtiger. Daher ist wahrscheinlich, dass in Zukunft besser angepasste, sogenannte Klimabäume wie Schnurbaum, Stieleiche oder Ginkgo die Linde ersetzen.
Die pollenreiche Blüte der Linde aber macht sie zu einem lebenswichtigen Baum für Bienen und andere Insekten der Stadt. Ein Faktor, der nicht zu unterschätzen ist – vor allem, da das aktuelle Bienensterben seit einigen Jahren weltweit Anlass zur Sorge gibt.
Über die Ausstellung hinaus
„Ecopolis" macht Zusammenhänge deutlich. Als öffentliches und offenes Forum möchte sie die gesellschaftspolitische Funktion von Ausstellungen nutzen. Das Projekt macht Themen erfahrbar und spricht die BesucherInnen direkt an, denn jeder trägt Verantwortung und kann die Stadt mitgestalten. Der Englische Garten ist der Münchner Freizeitort schlechthin. Zwischen Surfern, Fußballern, und Joggern lädt das Projekt „Stimmenspur" zu einer dreistündigen Audioführung durch den Englischen Garten ein. In einer Mischung aus Information, Interviews und sinnlichen Eindrücken wird ein völlig neues Erleben des Englischen Gartens möglich. Mit der Audioführung auf dem eigenen Smartphone können NutzerInnen staunen und völlig neue Facetten des Englischen Gartens kennenzulernen. Es werden Freiräume geschaffen, damit die Ausstellungsinhalte auch außerhalb des LMU-Hauptgebäudes weiterwirken.
„Ecopolis München" ist ein Projekt, in dem Kommunikation und Kollaboration wichtig sind. Ergänzend zu ihren Routinearbeiten im jeweiligen Studiengang, haben die Studierenden experimentiert, wie sie die recherchierten Themen im dreidimensionalen Raum verständlich darstellen können. Unterstützt wurden sie dabei von professionellen Szenografen. Gemeinsam mit den Ausstellungspublikum und internationalen Wissenschaftlern des Rachel Carson Centers beginnt ein Dialog über München und über Visionen für die Zukunft. Das Projekt „Ecopolis" wird weiter noch wachsen. Zum Beispiel wird es als virtuelle Ausstellung des Rachel Carson Centers fortgesetzt. Man darf gespannt sein.
Kontakt: Rachel Carson Center for Environment and Society
Sasha Gora und Raphaela Holzer, Kuratorinnen am Rachel Carson Center