Lebenslänglich für Delphine - oder Rettung durch Zoohaltung?

Ein Interview mit Wolfgang Rades von Loro Parque, Teneriffa

Keine andere Tierart bewegt die Menschen so sehr wie Delphine. Seien es die Fernsehserie Flipper aus den 60er-Jahren, Begegnungen in Delphinarien oder beim Dolphin-Watching oder aber Berichte von Delphinen als Beifang riesiger Fischfänger. Doch wo sind die ethischen Grenzen im Umgang mit diesen faszinierenden Tieren? Die Ansichten darüber gehen zum Teil weit auseinander.
 
Nachfolgend lesen Sie ein Interview mit Wolfgang Rades, Zoologischer Direktor von Loro Parque, Teneriffa.

Herr Rades, welche Rolle spielen Delphinarien beim Schutz von Delphinen?
Mehr zum Thema Delphinarien lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von forum mit dem Schwerpunkt "Tierische Geschäfte".
 
 
Um ein faires Forum in Sachen Delphinarien, Delphinschutz und Geschäfte mit Delphinen zu bieten, haben wir mehrere Interviews mit identischen Fragen geführt. Lesen Sie dazu die Interviews mit Dr. Dag Encke vom Nürnberger Tiergarten, mit Ulrich Karlowski von der Gesellschaft zur Rettung der Delphine sowie mit Jürgen Ortmüller vom Wal- und Delfinschutz-Forum.
Nur wer Tiere kennt, wird Tiere schützen! Standen Delfine früher nicht im Focus der Öffentlichkeit, so hat sich dies aufgrund der Flipper-Filme (auch wenn sich bei diesen der heutige radikale Delfinariengegner Ric O'Barry als Delfintrainer durch nicht tierschutzgerechte Methoden so negativ hervorgetan hat, dass er in diesem Bereich keinen Job mehr bekommen hätte - das muss man wissen, um dessen heutige Rolle als Delfinariengegner einschätzen zu können!), und nicht zuletzt der Delfinarien grundlegend geändert.
 
Delfine und andere Kleinwale sind heute Sympathieträger und folglich auch im MODERNEN Delfinarium wichtige Botschafter für den Schutz ihrer durch Umweltverschmutzung und Überfischung der Meere durch eine wachsende, und zudem immer naturentfernter lebenden Menschheit zunehmend bedrohten Artgenossen, und auch für andere gefährdete Meerestiere.
 
Zudem sind sie ein wichtiges Instrument für die wissenschaftliche Forschung, die in der modernen Biologie sowohl im Delfinarium als auch im Freiland erfolgt! Beide Bereiche ergänzen sich sinnvoll und kommen dem Artenschutz zugute, siehe das aktuelle Beispiel des hochgradig von der Ausrottung bedrohten Vaquita, dessen letzte Chance die Anwendung der in der Delfinhaltung gewonnenen Erkenntnisse ist.
 
Wie artgerecht kann die Haltung von Delphinen gestaltet werden? 
Man muss die Herkunft der Tiere unbedingt differenziert betrachten! Die in den modernen Delfinarien der westlichen Welt gehaltenen Delfine stammen von residenten Populationen ab, also von Tieren, die auch in der Natur, in Abhängigkeit von der verfügbaren Nahrung und Sozialpartnern, recht standorttreu sind und in küstennahen Bereichen leben. Dort schwimmen sie weder "150 km am Tag" noch "tauchen sie 500 m tief"  (wie dies immer wieder von emotional verklärten Aktivisten entgegen den wissenschaftlichen Erkenntnissen behauptet wird), eben,weil sie dies nicht müssen... Oder machen Sie, verehrte Leser, täglich einen Marathonlauf, wie dies Hochleistunssportler tun?
 
Natürlich ist es wichtig, die Tiere in mentaler und körperlicher Fitness zu halten, und dazu dienen eben im modernen Delfinarium Training und Shows, wobei letztere im Sinne des EDUTAINMENT sowohl dem Wohlbefinden der Tiere, als auch durch Schaffung von Faszination und Begeisterung für diese Tiere bei den zumeist stark naturentfremdeten Besuchern, in der Folge auch dem Natur- und Umweltschutz zugute kommen. Unter diesen Voraussetzungen und in der Erkenntnis, dass jegliches Leben, ob in der Natur oder in menschlicher Obhut, nicht ohne Kompromisse ist, ist eine tiergerechte Haltung im MODERNEN Delfinarium absolut möglich.
 
Welche Auswirkungen hat die Haltung von Delphinen auf den Wildbestand? 
Heutzutage in der westlichen Welt keine negativen! Schon seit vielen Jahren erfolgen keine Wildfänge für die westlichen Delfinarien mehr, weil die Tiere dank der heutigen Erkenntnisse im Gegensatz zu den Pionierzeiten gut reproduzieren, wenn man dies zulässt, und nicht durch, übrigens nicht verhaltensgerechte und somit tierschutzwidrige (!!!) Fortpflanzungsstopps auf Druck verklärter (und zum Teil auch geschäftstüchtiger!) selbsternannter Tierschützer (wie bei den Orcas bei SeaWorld oder aufgrund eines neuen unsinnigen Gesetzes gar bei allen Delfinartigen in Frankreich) verhindert.
Im Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) für den Großen Tümmler sind schon heute zwei Drittel in menschlicher Obhut geboren, das andere Drittel stammt noch von Wildfängen, zumeist aus den Achtziger Jahren ab.
 
Präsentation der Hilfsmaßnahmen für einen gestrandeten Großen Tümmler im Loro Parque. © Gerrit LichtWährend radikale "Tierrechtler" unsinnigerweise gegen die tiergerechte Haltung von ca. 275 Großen Tümmlern innerhalb des EEP protestieren, sterben jährlich nach Angaben der FAO etwa 300.000 Kleinwale einen grausamen Tod als Beifang in Fischernetzen, etwa 25.000 Kleinwale werden jährlich bei den unmenschlichen Treibjagden, etwa im japanischen Taiji (wo entgegen den Behauptungen radikaler Tierschützer keine Tiere für die Delfinarien in der EU oder den USA gefangen werden!) oder auf den Färöer Inseln, auf brutalste Weise abgeschlachtet, ungezählte Meeressäugetiere sterben in den Weltmeeren an der starken Belastung mit persistenten Giftstoffen oder auch an Plastikmüll, und sie leiden an der Überfischung der Meere!
 
Hingegen hat die Haltung von Delfinen in den MODERNEN Delfinarien dauerhaft für den Wildbestand sicherlich positive Auswirkungen, da wie oben erwähnt, im MODERNEN ZOO eine Umweltsensibilisierung der naturentfremdeten Bevölkerung stattfindet, die zu einem Umdenken und einem verantwortunsvolleren Umgang der menschlichen Gesellschaft mit Tierwelt und Natur wesentlich beitragen wird.
 
Wie gut funktioniert die Nachzucht in Gefangenschaft?
So gut, dass innerhalb des EEP nur noch ganz gezielt gezüchtet wird! Denn mehr als zwei Drittel der Delfine im EEP wurden bereits in Menschenhand geboren. Den Tieren werden im Sinne eines modernen Populationsmanagements zeitweise Kontrazeptiva gegeben, und zeitweise erfolgt auch eine Abtrennung der männlichen und weiblichen Tiere. Dauerhaft ist ein solches Zuchtmanagement in der modernen Tiergartenbiolgie aber nicht akzeptabel, denn Kontrazeptiva sind wegen ihrer Nebenwirkungen nicht dauerhaft applizierbar, und auch eine dauerhafte Trennung der Geschlechter wäre keinesfalls verhaltensgerecht und somit tierschutzwidrig!
 
Unterscheidet sich die Lebenserwartung von Delphinen in Gefangenschaft und in der Wildnis?
Ja, denn Delfine werden entgegen den Behauptungen radikaler Tierrechsaktivisten in den MODERNEN Delfinarien in der Regel wesentlich älter als in der Natur. So liegt die mittlere Lebenserwartung von Großen Tümmlern in der Karibik bei den meisten Populationen bei (teils weit) unter 18 Jahren, in den MODERNEN Delfinarien liegt sie heute schon bei weit mehr als 30 Jahren!
 
Im Rahmen der Proteste gegen Delphinarien wird unter anderem die Gabe von Beruhigungsmitteln kritisiert – wie ist hier die Faktenlage?
Hier werden ganz gezielt zum Schüren von Emotionen (und dem reslutierenden Sammeln von Spenden, die zumeist nicht den Tieren zugute kommen, sondern nur allzu oft der Finanzierung der Selbstgefälligkeit teils gut bezahlter Funktionäre in den radikalen Tierrechtsorganisationen dienen) Lügen verbreitet. In den MODERNEN Delfinarien erfolgt eine Medikamentengabe natürlich nur nach tierärztlicher Einzelfallindikation und entgegen den genannten Behauptungen in der Regel nicht zur Sedierung (Ruhigstellung). Das viel zitierte Diazepam etwa hat nur in hohen Dosierungen eine sedierende Wirkung, wird jedoch im Falle stoffwechselkranker Tiere (die in der Natur nicht überleben würden) in begründeten Einzelfällen als appetitanregendes Mittel nur in sehr niedriger Dosierung verabreicht. Ein Missbrauch ist in den Delfinarien in der EU ausgeschlossen, da Zoologische Einrichtungen selbstverständlich regelmässig von Fachbehörden überprüft werden.

Welche ethischen oder moralischen Prinzipien sollten Ihrer Meinung nach die Grundlage für die Haltung von Delphinen sein?
Mehr als eine Millionen Besucher lassen sich jährlich von der Präsentation der Orcas im Loro Parque begeistern. Loro Parque unterstützt zudem den Schutz gefährdeter Meerestiere, darunter auch bedrohter Orca-Populationen und Papageien, seit kurzem auch von Löwen, mit 10 % der Eintrittseinnahmen. © zoos.mediaSolche anspruchsvollen Tiere sollten nur in MODERNEN und wissenschaftlich geführten Zoologischen Einrichtungen, die zudem Mitglied der wissenschaftlichen Fachverbände wie des Weltzooverbands WAZA, des Europäischen Zooverbands EAZA und der nationalen wissenschaftlichen Zooverbände  (z.B. in Deutschland des VdZ oder in Spanien der AIZA), sowie im Falle der Delfine auch der European Association for Aquatic Mammals EAAM gehalten werden. Eine Haltung in Vergnügungsparks, wie dies auch in Deutschland vielfach früher der Fall war, darf keinesfalls erfolgen. Bei dem für die verantwortungsvolle Haltung erforderlichen personellen und technischen Aufwand können mit Delfinen keine Geschäfte gemacht werden. Auf Wildfänge ist grundsätzlich zu verzichten, so lange dies nicht, wie jetzt beim Vaquita, aus Artenschutzgründen erforderlich ist.
 
Weiterhin müssen Delfine durch erfahrene Trainer sinnvoll in Trainings- und natürlich auch Showprogrammen (im Sinne eines EDUTAINMENTS, d.h. einer geschickten Mischung aus Unterhaltungs- und edukativen Elementen) beschäftigt werden. Selbstverständlich darf dies nicht unter Zwang erfolgen, sondern nur auf der Grundlage positiver Verstärkung.
 
Ich muss aber erneut betonen, dass den Delfinen im Sinne des Tierwohls selbstverständlich im Laufe ihres Lebens die Fortpflanzung ermöglicht werden muss! Es ist zudem ein Hohn: SeaWorld verzichtet jetzt unter dem Druck radikaler Tierrechtler auf die Nachzucht von Orcas, und gleichzeitig werden nach wie vor in Sibirien Orcas für asiatische Delfinarien gefangen! Wirkliche Tierfreunde und verantwortungsvolle NGOs sollten sich gemeinsam mit den MODERNEN Zoos gegen diese verhängnisvolle Entwicklung engagieren - für Mensch und Natur!
 
Herr Rades, wir bedanken uns für das Gespräch.

Umwelt | Naturschutz, 10.08.2017

     
        
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