Nicht nur gut, sondern gut für etwas
Ein Aufruf zum Entrepreneurship von Hannes Offenbacher
Vor zehn Jahren habe ich in den Bergen Salzburgs ein Ideencamp für nachhaltige Geschäftsideen organisiert. Heute würde man es „Eco Start-up Camp" nennen, damals gab es diese Wörter im Sprachgebrauch nicht. Grundsätzlich ernteten wir eher Skepsis für den Versuch, Probleme der nachhaltigen Entwicklung im Bereich der Umwelt mit Geschäftsmodellen zu lösen – und dabei auch noch unternehmerisch erfolgreich, vielleicht sogar reich zu werden.
Die große Cleantech Parade für innovative, ressourcen- und energieschonende Produkte sollte erst einige Jahre später einmarschieren. Heute hat Tesla als schöpferischer Zerstörer á la Joseph Schumpeter einer ganzen Branche den Teppich unter den Füßen weggezogen. Noch immer bestreiten das einige, sehen nicht das große Ganze und nur wenige erkennen, dass es nicht um die Elektrifizierung oder Digitalisierung geht, sondern um die „Smartifizierung" aller Branchen.
Nicht zuletzt durch den Druck von Klimawandel und sozialen Unruhen bleibt keine Zeit mehr, überholte Lösungen und selbstzerstörerische Verhaltensweisen zu verteidigen. Zum Glück für die Welt haben viele damit aufgehört, die Gebetsmühlen der alten Wirtschaftsordnung zu drehen und zu hoffen, dass sich doch nicht so viel ändern wird.
Hermann Scheer, Vordenker der Energieautonomie, prognostizierte in seinen brillanten Reden schon vor vielen Jahren: Der Durchbruch kommt, wenn sich der nachhaltige Wandel auch ökonomisch rechnet. Schade, dass er es nicht erleben kann, denn – aber Hallo! – genau da sind wir sind angekommen.
Volvo hat eben erst verkündet, ab 2019 ausschließlich Elektroautos herzustellen. Elon Musk hat bestätigt, dass die Produktion des Massenmodels Tesla 3 erfolgreich gestartet ist und er ab Dezember schon bei einer monatlichen Produktionshöhe von 20.000 Stück liegen wird. Ein lautes „Guten Morgen" an alle, die weiterhin Verbrennungsmotoren optimieren wollen.
Und dennoch, da geht mehr. Vor allem in der Frage, welchen Fokus ihres Schaffens die besten Köpfe in unserer Gesellschaft haben. Wovon träumen junge Ingenieure, Naturwissenschaftler und Kreative? Welche Werte dominieren ihr soziales Umfeld? Mag die Karriere mit All-in Vertrag im Consulting Bereich schon an Reiz verloren haben, so dominiert – zumindest medial – derzeit das Bild vom schnellen Geld durch coole Start-ups. Eine gute, motivierte Energie durchströmt die Events der Szene. Doch noch jagen alle das Einhorn, das superskalierbare Digital- Startup, das in fünf Jahren für einen aberwitzigen Preis verkauft wird. Und hier haben wir Korrekturbedarf, denn die Risikokapitalgeber haben die letzten Jahren eine erstarkende Gründerszene mit ihrer Orientierung an schnellen Returns on Investments und Exits verseucht. Doch Unternehmertum ist nicht Investment Banking, es geht nicht nur um Zahlen, um Geld, sondern: um Wert für die Kunden, das Lösen von Problemen in der Gesellschaft – und damit um den ganzheitlichen Sinn seines Schaffens.
Wir brauchen wieder Visionen. Große Visionen, die das Zeug dazu haben, die Welt zu verändern. Wir müssen in Möglichkeiten, nicht in Limitationen denken. Oder wie kann es sein, dass es im Autoland Deutschland kein einziges ernstzunehmendes Start-up für Elektroautos gibt? Es braucht Pioniere, Rebellen und Verrückte, die das Unmögliche probieren, um Probleme der nachhaltigen Entwicklung mit tragfähigen Geschäftsmodellen zu lösen.
An Engagement, Wissen und Kapital fehlt es Europa nicht. Nur an der Phantasie.
Technik | Innovation, 30.09.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2017 - Tierische Geschäfte erschienen.
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