Zukunftsfähige Unternehmen …
… schaffen mehr Ressourcen, als sie verbrauchen.
Unternehmen stehen unter dem Druck, stetig wachsen und sich in immer kürzeren Zyklen neu erfinden zu müssen. Wollen sie im Wettbewerb auch künftig bestehen, genügt es nicht mehr, die alten Rezepte zu wiederholen. Das Tübinger Entwicklungsmodell erfolgreicher Unternehmensführung gibt wertvolle Anregungen.
Wir brauchen endlich eine Rückbesinnung darauf, welchem Zweck Unternehmen ursprünglich dienen sollen! Die Antwort ist einfach: Wir benötigen Unternehmen dort, wo ein kooperativer Nutzen entstehen soll, den einer alleine nicht bewerkstelligen kann. Man denke etwa an eine Operation am offenen Herzen, an das Löschen eines Hochhausbrandes, die Fortbewegung auf Schienen, Straßen und in der Luft oder die Aufführung einer Oper. Mit Blick auf diese Nutzenstiftung zeigt sich das Wesen der Unternehmen nicht im Ziel, Erträge zu generieren, sondern in der Notwendigkeit organisierter Kooperation. Die Lebensformel der Unternehmung lautet folglich H3O – Humans with Humans for Humans in need of Organisation. Diese Lebensformel weist den Weg für zukunftsfähiges Wirtschaften. Unternehmen sollen organisierte Kooperationssysteme sein, wo Menschen mit Menschen für Menschen einen substantiellen Nutzen stiften, der Mehrwerte schafft, Ressourcen schöpft und das gesamte System gesund wachsen lässt.
Lernen von der Natur
Um diese Erfolgsformel zu durchdringen hilft ein Blick in die Natur. Sie ist weder nachhaltig – will heißen geizig und ausschließlich an Knappheit orientiert, die es sparsam zu organisieren gilt – noch erwächst in ihr aus einem egoistischen Wettbewerb im Umgang mit knappen Ressourcen kollektiver Wohlstand. Sie sehen, die Mythen unserer vermeintlich erfolgreichen Betriebswirtschaftslehre sollten abgelöst werden durch die wahren Erfolgsprinzipien natürlicher und wirtschaftlicher Wertschöpfung, die da sind: Freiheit, Vielfalt, Kleinteiligkeit, Regionalität und ressourcenschöpfende Mehrwertstiftung.
Betrachten wir einen Pfau im Amazonasbecken: Kein Oberaffe aus der Waldkrone schreibt ihm vor, wie lange sein Federschweif zu sein hat oder nach welchen Regeln der Kunst er sein Rad zu schlagen habe. Solange der Vogel seine Pfauin bezirzen kann, dabei vor Feinden fluchtfähig bleibt und dazu für sein Umgebungssystem einen symbiotischen Nutzen stiftet, anstatt Raubbau zu betreiben, wird er dort weiter leben können. Der Vorteil symbiotischer Nutzenstiftung als Voraussetzung für individuellen Erfolg wiederholt sich auf der Ebene von Ökosystemen. Die stabilsten Systeme sind jene, die sich entlang der fünf Erfolgsprinzipien der Natur in immer kleineren Nischen ausdifferenzieren und so einen ressourcenverschwendenden Überflusskreislauf aktivieren, aus dem sich das System nährt und wächst. Die Natur ist also kein geschlossener Kreislauf, bei dem auf schonende Weise knappe Ressourcen geteilt und verteilt werden, sondern eine offene Rückkopplungsschleife wachsender Verschwendung.
Net-WorksEin Beispiel ressourcenschöpfender Geschäftsmodelle
Das an der NASDAQ gelistete und in 110 Ländern tätige US-amerikanische Unternehmen Interface Inc. ist mit einem Umsatz von knapp einer Mrd. US-$ in 2013 der Weltmarktführer für modulare Bodenbeläge und Teppichböden im Office- und Großgebäudebereich. Die Bodenbeläge werden aus Kunststoffen gewebt. Zur Herstellung des Materials werden umfangreiche Ressourcen an Erdöl und Energie verbraucht. Vor einigen Jahren hat Interface seinen Rohstoffbezug auf eine komplett neue Strategie umgestellt. Diese zielt nicht nur darauf ab, nachhaltige Recyclingprozesse in Gang zu bringen, sondern verfolgt zudem das Ziel, auf lokaler Ebene ressourcenschöpfende Wirtschaftskreisläufe zu etablieren. Hierzu hat Interface das Projekt „Net-Works" ins Leben gerufen. Net-Works ist ein Teilprojekt der vom Gründer Ray Andersen entwickelten Langfriststrategie Mission Zero, welche darauf angelegt ist, den kompletten Ressourcenverbrauch von Interface zu 100 Prozent mit recycelten oder erneuerbare Ressourcen abzudecken. Im Rahmen davon kauft Interface weggeworfene Netze lokaler Fischer auf, die im Ökosystem der Meere großen Schaden anrichten würden. Das Unternehmen nutzt die Netze als Rohstoff für die Herstellung seiner Teppichfliesen und schafft gleichzeitig für die lokale Bevölkerung vor Ort umweltschonende Einnahmequellen. Damit etablieren sich regionale Wirtschaftskreisläufe, die nicht mehr auf Überfischung und Ressourcenraubbau gründen, sondern auf einer Ressourcenschöpfung, die die lokalen Ökosysteme entlastet. |
Sie trägt sich selbst, weil die beteiligten Organismen im symbiotischen Austausch für das System einen Mehrwert stiften, der das System immer kleinteiliger und reichhaltiger werden lässt. Die genannten fünf Prinzipien natürlichen Erfolgs weisen den Weg für zukunftsfähige Geschäftsmodelle und zukunftsfähiges Wirtschaften. Nicht Größe, Marktmacht oder Dominanz entscheiden, sondern Kleinteiligkeit, Vielfalt und ressourcenschöpfende Nutzenstiftungen.
Das Unternehmen als Werteraum
Verknüpfen wir die Lebensformel für Unternehmen mit den fünf Erfolgsprinzipien der Natur, erlangen wir die Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit einzelner Unternehmen. Es müsste lauten: „Be valuable or die!", „Werde wertehaltig, oder stirb!" Werteorientierung ist dabei mehr als Erträge zu erwirtschaften. Unternehmen handeln werteorientiert, wenn sie nach innen gerichtet eine ethisch tragfähige Unternehmenskultur entwickeln und nach außen gerichtet ein Geschäftsmodell betreiben, das ressourcenschöpfende Mehrwertkreisläufe in Gang setzt.
Das Weltethos-Institut hat eine ethisch-ökologische, sprich ethikologische Messlatte für diese Entwicklung der unternehmerischen Wertehaltigkeit entwickelt. Würde, Gegenseitigkeit, Achtung, Partnerschaft, Fairness, Wahrhaftigkeit und Gewaltfreiheit lenken dabei das Unternehmen und macht es dabei hoch flexibel, leistungsfähig und unverwechselbar. Der unternehmerische Werteschöpfungsprozess entpuppt sich so als die strategische und operative Handlung, mit der ein Unternehmen zukunftsfähig wird.
Weltethos und ÖkologieDas am Weltethos-Institut in Tübingen gemeinsam mit Cultural Images entwickelte Modell ethikologischen Wirtschaftens bietet Unternehmen ein neues Paradigma der Zukunftsfähigkeit. Vorreiter aus Wirtschaft und Wissenschaft wie etwa die alternative Nobelpreisträgerin Hunter Lovins vom Club of Rome loben den Ansatz als herausragend. In Lehrformaten wie dem Businessplan-Seminar „Zukunftsfähige Geschäftsmodelle" der Universität Tübingen oder Seminaren wie dem gemeinsam mit B.A.U.M. e.V. entwickelten Fortbildungsangebot „Wettbewerbsvorteil Wertschöpfungsnetzwerke – was Unternehmen von Waldökosystemen lernen können" wird das Konzept Universitäten, Unternehmen, Managern und Studenten nahegebracht.
Das Weltethos-Institut ist ein 2012 gegründetes An-Institut der Universität Tübingen. Es wird von der Weltethos-Stiftung getragen, von der Karl Schlecht Stiftung finanziert und widmet sich der Weiterentwicklung des von Prof. Dr. Hans Küng begründeten Weltethos-Projekts. Dieses unterstützt die Suche nach einem globalen Grundkonsens bestehender Werte, unverrückbarer Maßstäbe und persönlicher Grundhaltungen in allen Belangen des menschlichen Miteinanders, insbesondere im Bereich der Wirtschaft. |
Ressourcenschöpfende Mehrwertkreisläufe
Eine werteorientierte Unternehmensführung konzentriert sich auf zwei Aufgaben der Werteschöpfung. Organisationsseitig und nach innen gerichtet auf die Entwicklung einer Unternehmenskultur, die das Unternehmen zu einem Hochleistungsteam in der Umsetzung seines Nutzenversprechens macht. Marktseitig und nach außen gerichtet auf die Entwicklung eines Nutzenversprechens, dass dem ethikologischen Prinzip ressourcenschöpfender Mehrwertstiftung verpflichtet ist.
Strategieentwicklung und Unternehmensführung in disruptiven Märkten.
ISBN: 3662492415 39,99 EUR | E-Book 29,99 EUR |
Drei Kriterien sind hier leitend: erstens das ökonomische und soziale Teilhabepotenzial, zweitens das menschliche Befähigungspotenzial sowie drittens das ökonomische, soziale und ökologische Ressourcenschöpfungspotenzial des Geschäftsmodells. Ethikologische Geschäftsmodelle orientieren sich somit an der Erfolgslogik der Natur. An die Stelle der ökonomischen Paradigmen von Wettbewerb, Knappheit, Wachstum, Ertrag und Wertschöpfungsketten treten die ethikologischen Paradigmen der Symbiose, des verschwenderischen Überflusses sowie der Organisation von Ressourcenschöpfungen und Mehrwertkreisläufen. Hierbei gilt: Auf je mehr Ebenen (Mensch, Unternehmen, Märkte, Gesellschaft, Natur) und in je mehr Bereichen (Ökonomie, Gesellschaft, Umwelt) für je mehr Beteiligte und Betroffene (Menschen, Unternehmen und andere betroffene Akteure) ein Geschäftsmodell Mehrwert stiftet, desto größer ist sein Ressourcenschöpfungspotenzial und desto trag-, ertrags-, leistungs- und zukunftsfähiger wird es sein. Bei der unternehmerischen Wertschöpfung sollten somit alle daran Beteiligten und davon Betroffenen aktiv eingebunden sein und gemeinsam profitieren.
Dr. Friedrich Glauner ist Gründer von Cultural Images, eine „Beratungs-Boutique" für nachhaltige Unternehmensführung. Als Autor, Dozent und Philosoph mit langjähriger Unternehmererfahrung begleitet er Unternehmen bei der Entwicklung werteorientierter Unternehmenskulturen und zukunftsfähiger Geschäftsmodelle.
Wirtschaft | CSR & Strategie, 10.04.2018
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2018 - Digital in die Zukunft? Tierische Geschäfte! erschienen.
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