Der Schwarzwald am Scheideweg

Hier ist der Klimawandel schon Realität

Warme Sommer und milde Winter, seltenere Niederschläge, dafür mehr Starkregen – das ist die Zukunft des Schwarzwalds. Die Fichte wird ebenso zu den Verlierern des Klimawandels gehören wie der Tourismus – wenn hier kein Umdenken stattfindet.
 
Ortsbegehung: Beim B.A.U.M.-Gipfelgespräch werden immer auch ­regionale Brennpunkte unter die Lupe genommen. © Rainer KantUm ein Grad hat sich die bodennahe Luft seit Beginn der Industrialisierung weltweit im Durchschnitt bereits erwärmt. Auch im Schwarzwald ist der Klimawandel schon Realität und die Auswirkungen sind deutlich zu spüren. So sind die Ausschläge des Wetters in den letzten 30 Jahren stärker geworden. Es gibt insgesamt mehr Tage mit heißen Sommertemperaturen; selbst in den Höhenlagen steigen die Temperaturen häufig über 30 Grad. Auch die Winter haben sich verändert: Früher lag meist von November bis April eine geschlossene Schneedecke über dem Waldboden. Das ist jetzt die Ausnahme – auch zum Leidwesen der Tourismusindustrie.
 
Das wichtigste touristische Wintersportgebiet im Schwarzwald ist die Gegend um den Feldberg. In den vergangenen Jahren waren die Winter hier meist noch lang und garantierten Schneesicherheit und zumindest Kälte, um Schneekanonen einzusetzen. Doch die Tourismusbranche muss umdenken: Laut Andreas Matzarakis, Meteorologe an der Universität Freiburg, wird auch eine künstliche Beschneiung des Feldbergs ab 2030 nicht mehr möglich sein. Aber auch wenn durch milde, schneearme oder -freie Winter ein elementares Attraktivitätsmerkmal dieser Gegend verloren geht, so gibt es noch genügend andere Gründe, den Schwarzwald zu besuchen. Schon heute entwickelt die Tourismusindustrie neue Angebote: Wandern und Mountainbiking sind bei nahezu jedem Wetter möglich; Hochseilgärten, Kletterhallen, „Badeparadiese" und Funparks sind umsatzrelevant, sie entziehen sich der Witterung – allerdings meist auch dem Naturbezug.
 
Wesentlicher ist die Frage, wie sich die Klimaerwärmung auf Flora und Fauna auswirkt. Schon heute leiden viele Baumarten unter der Trockenheit und die Forstwirtschaft setzt in der Wiederaufforstung verstärkt auf die Eiche und die Douglasie. Insgesamt zählt der Hochschwarzwald mit seiner Vegetation zur subalpinen Klimazone mit Pflanzengesellschaften, die man bei uns in Deutschland sonst nur aus den Alpen kennt: Hier kommen Silberdisteln, Bärwurz, Augentrost, Blutwurz, Enziane vor, um nur die bekanntesten zu nennen.
 
Neben Tanne und Buche hat die heimische Fichte besonders mit dem Klimawandel zu kämpfen. Als Baumart, die Trockenheit meidet und die im winterkalten Kontinental- und Gebirgsklima zu Hause ist, bekommt sie bei zunehmenden Starkniederschlägen im Wechsel mit anhaltender Sommertrockenheit große Schwierigkeiten. Trockenheit macht sie zusätzlich anfällig für den Borkenkäfer, den sie durch den stark zurückgehenden Harzfluss in der Rinde nicht mehr abwehren kann.
 
Borkenkäferbefall und Luftschadstoffe bewirken den Verlust von Nadeln und dadurch eine lichtere Baumkrone; gleichzeitig wird das Feinwurzelsystem geschädigt. Als Flachwurzler ist die Fichte besonders auf wechselfeuchten Böden ein leichtes Opfer – vor allem, wenn sie durch den Klimawandel zusätzlich gestresst wird.
 
„Die einzigen Gipfelgespräche, die wirklich einen Sinn haben, sind die der Alpinisten." Getreu dieser Einschätzung von Luis Trenker lädt B.A.U.M. bereits seit rund 10 Jahren in Kooperation mit forum Nachhaltig Wirtschaften jeweils im Herbst zum B.A.U.M.-Gipfel­gespräch ein. Ziel dieser Veranstaltungsform ist es, sich fernab von Computer und Telefon Zeit zu nehmen für Networking und den Austausch mit anderen Nachhaltigkeitsengagierten. Das B.A.U.M.-Gipfelgespräch 2017 führte in den Südschwarzwald.
Im schlimmsten Fall droht durch die Klimaerwärmung die komplette Umwälzung der ganzen Artengemeinschaften des Schwarzwalds. Die Fichte wird einen Temperaturanstieg von mehr als 2 Grad sehr wahrscheinlich nicht überstehen. Kälteliebende Pflanzen haben durch den Temperaturanstieg keine Ausweichmöglichkeit und sterben durch nachrückende Pflanzen aus. Welche Auswirkungen der Klimawandel auf die zahllosen kleinen Arten wie Springschwänze, Milben, Steinkriecher etc. hat, die das Lebensnetzwerk des Waldes bilden und das Fundament für die Stabilität und Risikoversicherung darstellen, ist nicht abzuschätzen. Hier stoßen wir an die Grenzen unseres Wissens.
 
Ob der Mensch den Schwarzwald retten kann, ist fraglich. Aber er kann zumindest den negativen Einfluss seiner Lebens- und Wirtschaftsweise auf das Klima reduzieren. Und er kann die Abwehrkraft und die Anpassungsfähigkeit der Wälder stärken, indem er nachhaltige Formen der Waldbewirtschaftung fördert. Denn eins ist sicher: Ein naturnaher und strukturreicher Wald mit einem hohen Nischenangebot für Tier-, Pflanzen- und Pilzarten kann dem Klimawandel erheblich mehr entgegensetzen als ein homogener Wirtschaftswald.
 
Rainer Kant ist Senior Projektmanager bei B.A.U.M. e.V.*. Er studierte zuvor Forstwissenschaften und engagiert sich seit vielen Jahren für eine ­naturnahe Waldwirtschaft und den Erhalt der Biodiversität. Um auch andere Menschen für den Lebensraum Wald zu begeistern und auf die Verantwortung von Unternehmen für den Schutz von Wäldern hinzuweisen, bietet er u.a. Waldführungen an.
 
* Herzlichen Dank an Dorothea Scheidl-Nennemann für ihren Input.

Umwelt | Klima, 10.04.2018
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2018 - Digital in die Zukunft? Tierische Geschäfte! erschienen.
     
        
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