Nicht Angela Merkel, sondern die Ölscheichs bestimmen, wie schnell sich die Erde erwärmt
Thünen-Vorlesung von Hans-Werner Sinn
Die bisherige Klimadiskussion stellt einseitig auf die Minderung der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen ab und vergisst dabei das Angebot. Anlässlich der Thünen-Vorlesung des Vereins für Socialpolitik erinnerte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn daran, dass Angebot und Nachfrage gemeinsam die extrahierten Mengen an fossilen Brennstoffen und damit die Geschwindigkeit bestimmen, mit der der Kohlenstoff aus der Erde in die Luft gelangt und dort den Treibhauseffekt erzeugt.
Die verbrauchsmindernden Maßnahmen der EU sind seiner Meinung nach nutzlos, wenn Ölscheichs und die anderen Eigentümer fossiler Brennstoffe ihr Angebot nicht verknappen. Der Beitrag solcher Maßnahmen sei dann nicht nur klein, sondern null. Sinn erklärt: "Der Weltmarktpreis wird bei starrem Angebotsverhalten nämlich so weit unter das Niveau gedrückt, das andernfalls erreicht worden wäre, dass jene Länder, die sich nicht um den Klimaschutz scheren, genau so viel mehr fossile Brennstoffe verbrauchen, wie die EU einspart. Die Chinesen beschleunigen ihren CO2-intensiven Expansionskurs weiter und die Amerikaner fahren noch mehr SUVs als ohnehin schon."
Die Verbesserung der Hausdämmung, der Umstieg auf Biodiesel und der Bau von Autos mit niedrigeren Verbrauchswerten sei, wenn die Ölscheichs stur bleiben, genauso nutzlos wie Windmühlen oder Solardächer, mit denen in Deutschland Strom und Wärme erzeugt werden sollen. Auch Frankreichs Atommeiler würden dann keinerlei Beitrag leisten. All diese Energien würden einfach nur additiv zur fossilen Energie hinzu treten. "Nicht Angela Merkel bestimmt, wie schnell die Erde sich erwärmt, sondern Hugo Chávez, Mahmud Ahmadineschad, die Oligarchen Putins, die arabischen Ölscheichs und noch ein paar andere Potentaten", erklärt Sinn.
Eine Verkleinerung des Ressourcenangebots durch eine Verbrauchseinschränkung der Industriestaaten erwartet Sinn kaum. Das Angebot an fossilen Lagerstätten, die die Natur bereithält, sei unabhängig von den Preisreaktionen, die die Verbraucherländer herbeiführen können. Sinn bezweifelt, dass man die Ressourcenanbieter durch preissenkende Maßnahmen veranlassen kann, die Extraktion aufzuschieben. Welche Angebotsreaktionen zustande kommen, hänge davon ab, welchen zeitlichen Verlauf der Nachfrageeinschränkungen die Anbieter erwarten. Zwar stimme es, dass heutige Nachfrageeinschränkungen, die in der Zukunft nicht fortgesetzt werden, die Ressourcenanbieter veranlassen, die Extraktion aufzuschieben. Doch für die Zukunft erwartete Nachfrageeinschränkungen würden ihnen den Anreiz geben, mehr in der Gegenwart zu extrahieren. Was wirklich passiere, hänge davon ab, wie viel Nachfrageeinschränkung in der Gegenwart und wie viel in der Zukunft realisiert und erwartet wird.
Wenn es zu einer Verlangsamung des Ressourcenabbaus kommen solle, müsse die Nachfrageeinschränkung mit fortschreitender Zeit abgeschwächt werden, damit die Ressourcenanbieter einen Anreiz hätten, ihre Extraktion auf die Zeit höherer Preise aufzuschieben. "Das ist aber praktisch kaum realisierbar", stellt Sinn fest. Vielmehr werde mit wachsender Erderwärmung der Ruf nach Politikmaßnahmen immer lauter, so dass die Maßnahmen später aller Voraussicht nach nicht abgeschwächt, sondern verschärft würden. Da die Ressourcenanbieter das wüssten, kämen sie dieser Entwicklung durch verstärkte Extraktion zuvor. Dies könne einer der Gründe dafür sein, dass der Weltverbrauch an fossilen Brennstoffen und der Ausstoß an Kohlendioxid in den letzten Jahren trotz der Ausweitung des Umweltschutzes in der EU noch weiter zugenommen habe. Sinn spricht hier vom "grünen Paradoxon" der Umweltpolitik.
Politikmaßnahmen, die wirklich gegen die Erwärmung der Erdatmosphäre helfen, seien rar und hätten wenig mit dem gemein, was derzeit in der Bundesrepublik und Europa staatlich gefördert und öffentlich diskutiert wird. "Zu den sinnvollen Maßnahmen gehört die Einführung von weltweiten Quellensteuern auf Kapitalerträge nebst einer Schließung der Steueroasen, so dass den Ressourcenbesitzern die Anlagealternativen genommen werden", erklärt Sinn. Außerdem könne ein wirklich lückenloses Emissionshandelssystem, das alle Nachfragerländer zu einem weltweiten Monopson vereint, den Ressourcenexporteuren die gewünschten Mengen aufzwingen. Besonders sinnvoll sei es, die technischen Möglichkeiten zur Sequestrierung des Erdöls auszuschöpfen. "Die höchste Priorität sollte aber die Wiederaufforstung der Wälder haben, denn Wälder sind der größte von den Menschen kontrollierbare Kohlenstoffspeicher auf Erden", unterstreicht Sinn. Derzeit werde durch den Raubbau an Wäldern mehr Kohlendioxid freigesetzt als durch den gesamten Verkehr. Wenn ein Aufbau von Wäldern an die Stelle des Raubbaus trete, könne die Erderwärmung deutlich verlangsamt werden.
Wissenschaftliche Hintergrundaufsätze für die Thünen-Vorlesung sind:
Quelle/Kontaktadresse:
ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V.
Internet: http://www.ifo.de
Foto: IFO-Institut
Die verbrauchsmindernden Maßnahmen der EU sind seiner Meinung nach nutzlos, wenn Ölscheichs und die anderen Eigentümer fossiler Brennstoffe ihr Angebot nicht verknappen. Der Beitrag solcher Maßnahmen sei dann nicht nur klein, sondern null. Sinn erklärt: "Der Weltmarktpreis wird bei starrem Angebotsverhalten nämlich so weit unter das Niveau gedrückt, das andernfalls erreicht worden wäre, dass jene Länder, die sich nicht um den Klimaschutz scheren, genau so viel mehr fossile Brennstoffe verbrauchen, wie die EU einspart. Die Chinesen beschleunigen ihren CO2-intensiven Expansionskurs weiter und die Amerikaner fahren noch mehr SUVs als ohnehin schon."
Die Verbesserung der Hausdämmung, der Umstieg auf Biodiesel und der Bau von Autos mit niedrigeren Verbrauchswerten sei, wenn die Ölscheichs stur bleiben, genauso nutzlos wie Windmühlen oder Solardächer, mit denen in Deutschland Strom und Wärme erzeugt werden sollen. Auch Frankreichs Atommeiler würden dann keinerlei Beitrag leisten. All diese Energien würden einfach nur additiv zur fossilen Energie hinzu treten. "Nicht Angela Merkel bestimmt, wie schnell die Erde sich erwärmt, sondern Hugo Chávez, Mahmud Ahmadineschad, die Oligarchen Putins, die arabischen Ölscheichs und noch ein paar andere Potentaten", erklärt Sinn.
In Deutschland ist es schon zu einer deutlichen Verlangsamung der Förderung gekommen - es gibt schlicht und einfach nichts mehr zu fördern
Eine Verkleinerung des Ressourcenangebots durch eine Verbrauchseinschränkung der Industriestaaten erwartet Sinn kaum. Das Angebot an fossilen Lagerstätten, die die Natur bereithält, sei unabhängig von den Preisreaktionen, die die Verbraucherländer herbeiführen können. Sinn bezweifelt, dass man die Ressourcenanbieter durch preissenkende Maßnahmen veranlassen kann, die Extraktion aufzuschieben. Welche Angebotsreaktionen zustande kommen, hänge davon ab, welchen zeitlichen Verlauf der Nachfrageeinschränkungen die Anbieter erwarten. Zwar stimme es, dass heutige Nachfrageeinschränkungen, die in der Zukunft nicht fortgesetzt werden, die Ressourcenanbieter veranlassen, die Extraktion aufzuschieben. Doch für die Zukunft erwartete Nachfrageeinschränkungen würden ihnen den Anreiz geben, mehr in der Gegenwart zu extrahieren. Was wirklich passiere, hänge davon ab, wie viel Nachfrageeinschränkung in der Gegenwart und wie viel in der Zukunft realisiert und erwartet wird.
Wenn es zu einer Verlangsamung des Ressourcenabbaus kommen solle, müsse die Nachfrageeinschränkung mit fortschreitender Zeit abgeschwächt werden, damit die Ressourcenanbieter einen Anreiz hätten, ihre Extraktion auf die Zeit höherer Preise aufzuschieben. "Das ist aber praktisch kaum realisierbar", stellt Sinn fest. Vielmehr werde mit wachsender Erderwärmung der Ruf nach Politikmaßnahmen immer lauter, so dass die Maßnahmen später aller Voraussicht nach nicht abgeschwächt, sondern verschärft würden. Da die Ressourcenanbieter das wüssten, kämen sie dieser Entwicklung durch verstärkte Extraktion zuvor. Dies könne einer der Gründe dafür sein, dass der Weltverbrauch an fossilen Brennstoffen und der Ausstoß an Kohlendioxid in den letzten Jahren trotz der Ausweitung des Umweltschutzes in der EU noch weiter zugenommen habe. Sinn spricht hier vom "grünen Paradoxon" der Umweltpolitik.
Politikmaßnahmen, die wirklich gegen die Erwärmung der Erdatmosphäre helfen, seien rar und hätten wenig mit dem gemein, was derzeit in der Bundesrepublik und Europa staatlich gefördert und öffentlich diskutiert wird. "Zu den sinnvollen Maßnahmen gehört die Einführung von weltweiten Quellensteuern auf Kapitalerträge nebst einer Schließung der Steueroasen, so dass den Ressourcenbesitzern die Anlagealternativen genommen werden", erklärt Sinn. Außerdem könne ein wirklich lückenloses Emissionshandelssystem, das alle Nachfragerländer zu einem weltweiten Monopson vereint, den Ressourcenexporteuren die gewünschten Mengen aufzwingen. Besonders sinnvoll sei es, die technischen Möglichkeiten zur Sequestrierung des Erdöls auszuschöpfen. "Die höchste Priorität sollte aber die Wiederaufforstung der Wälder haben, denn Wälder sind der größte von den Menschen kontrollierbare Kohlenstoffspeicher auf Erden", unterstreicht Sinn. Derzeit werde durch den Raubbau an Wäldern mehr Kohlendioxid freigesetzt als durch den gesamten Verkehr. Wenn ein Aufbau von Wäldern an die Stelle des Raubbaus trete, könne die Erderwärmung deutlich verlangsamt werden.
Johann-Heinrich-von-Thünen-Vorlesung Mit der Johann-Heinrich-von-Thünen-Vorlesung wird seit dem Jahre 1986 einmal im Jahr ein verdientes Mitglied des Vereins für Socialpolitik für sein wissenschaftliches Lebenswerk geehrt. Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn ist der Vortragende des Jahres 2007. Er wurde von einer Auswahlkommission gewählt und vom Erweiterten Vorstand des Vereins nominiert. Die Vorlesung fand am 10. Oktober 2007 um 17.30 Uhr im Rahmen eines Festaktes in der Großen Aula der LMU München statt. Zu den früheren Thünen-Rednern gehörten unter anderen Wilhelm Krelle, Herbert Giersch, Karl Schiller, Reinhard Selten, Carl Christian von Weizsäcker und Otmar Issing. Hans-Werner Sinn (59) ist der bislang jüngste Laureat. Der 1873 von den so genannten Kathedersozialisten gegründete Verein für Socialpolitik ist heute die wissenschaftliche Gesellschaft der deutschsprachigen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. Seine Mitglieder stammen aus aller Welt, überwiegend aber aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Jahrestagung 2007 hat als Thema "Bildung und Innovation" und findet vom 9. bis 12. Oktober in München statt. |
Wissenschaftliche Hintergrundaufsätze für die Thünen-Vorlesung sind:
- Public Policies against Global Warming, CESifo Working Paper Nr. 2087, August 2007
- Pareto Optimality in the Extraction of Fossil Fuels and the Greenhouse Effect: A Note, CESifo Working Paper Nr. 2083, August 2007.
Quelle/Kontaktadresse:
ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V.
Internet: http://www.ifo.de
Quelle:
Umwelt | Klima, 22.10.2007
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