Was bitte ist Bio-Mineralwasser?

Was verbirgt sich dahinter, und was kann an Wasser eigentlich Bio sein?

Abwarten und hoffen, dass es besser wird, war nie sein Ding. Schon seit den Siebzigerjahren ist Franz Ehrnsperger Vorkämpfer in Sachen Bio und Umweltschutz. Wenn es sein muss auch bis vor den Bundes­gerichtshof. Jüngstes Projekt ist das Bio-Mineralwasser-Siegel, mit dem Ehrnsperger und seine Mitstreiter der zunehmenden Wasserverschmutzung etwas entgegensetzen wollen. Was verbirgt sich dahinter, und was kann an Wasser eigentlich Bio sein? Eine Spurensuche. 
 
Gemeinsam für das Wasser: Bio-Mineralbrunnen wie Bad Dürrheimer aus Baden-Württemberg kämpfen für höchste Lebensmittel-Qualität in Zeiten von Nitrat und Co. © Bad DürrheimerPestizide und ihre Abbauprodukte, Nitrat sowie Rückstände von Chemikalien und Medikamenten belasten das Grundwasser, aus dem unser Leitungswasser gewonnen wird. Laut Umweltbundesamt sind bereits 36 Prozent der deutschen Grundwasservorkommen als „chemisch bedenklich" einzustufen. Die EU-Kommission sieht das deutsche Grundwasser in Sachen Nitrat gar auf dem vorletzten Platz in Europa – nur Malta ist noch schlechter. Und an Nachschub an wasservergiftenden Substanzen mangelt es in Deutschland wahrlich nicht: Allein 2015 wurden 49.000 Tonnen Pestizide auf deutschen Äckern ausgebracht. Bei Kunstdünger und Co. sieht es kaum anders aus.

Er bekämpft den Raubbau an unserem wichtigsten Lebensmittel: Der sanfte Bio-Rebell Dr. Franz Ehrnsperger. © Lammsbräu
Es sind Zahlen wie diese, die Dr. Franz Ehrnsperger keine Ruhe ließen. „Mir wollte einfach nicht in den Kopf, dass gerade wir als eigentlich wasserreiches Land einen solchen Raubbau an unserem wichtigsten Lebensmittel betreiben. Und wenn man sich die Entwicklungen anschaut, war klar, dass schnell etwas passieren musste, um zumindest die letzten wirklich reinen Quellen auch für zukünftige Generationen zu erhalten", so Ehrnsperger. Der Bio-Pionier der ersten Stunde, der – auf der Suche nach den besten Rohstoffen für sein Bier – schon in den Siebzigern begann, seine knapp 380 Jahre alte Familienbrauerei Neumarkter Lammsbräu komplett ökologisch aufzustellen, handelte. Seine Folgerung: „Es musste beim Wasser ganz offensichtlich wieder so laufen wie zuvor schon bei Obst, Gemüse und nicht zuletzt auch beim Bier. Abwarten und darauf hoffen, dass sich in Sachen Lebensmittelqualität und Umweltschutz von alleine etwas in die richtige Richtung bewegt, hilft einfach nichts. Um Dinge zum Besseren zu wenden, muss man vorangehen und zeigen, dass es konkrete Wege gibt, mit und nicht gegen die Natur zu wirtschaften."
 
Also machte sich Ehrnsperger gemeinsam mit Wasserexperten und anderen Mitstreitern ans Werk. Das Ergebnis: die Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser, der mittlerweile alle großen Bio-Verbände von Demeter, Naturland und Bioland über Biokreis bis hin zum Bundesverband Naturkost Naturwaren BNN angehören. Das Ziel ist die Bekämpfung der Wasserverschmutzung durch den Übertrag der in anderen Bereichen seit Jahrzehnten bewährten Bio-Idee auf das Wasser, unser wichtigstes Lebensmittel. Franz Ehrnsperger: „Die Bio-Idee allgemein baut auf zwei Kerngedanken auf, die auch auf die Herausforderungen im Wasserbereich anwendbar sind: Erstens, bei Lebensmitteln immer ganz genau hinzuschauen, damit die Verbraucher trotz aller menschengemachter Umweltverschmutzung verlässlich höchste Qualität auf den Teller oder ins Glas bekommen; zweitens, die Lebensmittel so nachhaltig und umweltschützend zu erzeugen, dass auch zukünftige Generationen noch diese höchste Qualität bekommen können. Mit unserem Bio-Mineralwasser-Siegel haben wir beides direkt auf das Wasser übertragen.

Zwei glänzende Seiten der Medaille
Übersichtskarte: Der Zustand von Grund- und Leitungswasser. Zum Vergrößern auf die Graphik Klicken. © Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser e.V.
Konkret verbirgt sich hinter dem Bio-Mineralwasser-Siegel auf der einen Seite ein zeitgemäßes Reinheitsgebot für Wasser. Basierend auf ständigem Monitoring sowie der Auswertung aktuellster amtlicher Daten und wissenschaftlicher Studien, z.B. im regelmäßig erstellten „Schwarzbuch Wasser" (siehe Übersichtsgrafik für dessen zentrale Ergebnisse), setzten die Wasserexperten der Qualitätsgemeinschaft für Bio-Mineralwasser strenge Grenzwerte fest, die den Menschen wirksamen Schutz vor Schadstoffen wie Nitrat, Pestiziden und ihren Metaboliten, Rückständen aus Anti-Babypillen und Schmerzmitteln sowie anderen Stoffen aus dem chemischen Arsenal der Landwirtschaft, Industrie und Medizin bieten. Möchte ein Mineralbrunnen das Bio-Mineralwasser-Siegel tragen, muss er dauerhaft gegenüber einer unabhängigen Kontrollstelle nachweisen, dass sein Wasser diese strengen Grenzwerte immer einhält. Damit soll Bio-Mineralwasser die Sicherheitslücken der teils noch auf dem Stand der Siebzigerjahre befindlichen Vorschriften für konventionelles Mineral- oder gar Leitungswasser schließen. Trotz einer seit damals völlig veränderten Gefährdungslage erfolgten nämlich nur zögerliche Anpassungen der Rahmenbedingungen für das Inverkehrbringen von Wasser (siehe Kasten für einen Vergleich der Vorschriften für Bio-Mineralwasser, konventionelles Mineralwasser und Leitungswasser).

Der Verzicht auf Ackergifte freut auch Tiere, Blumen und Ackerwildkräuter: Sichtbare Resultate der Förderung des Ökolandbaus und der Biodiversität bei zwei Projekten der Bio-Mineralbrunnen Ensinger und Lammsbräu. © EnsingerAuf der anderen Seite ist das Bio-Mineralwasser-Siegel auch ein pro-aktives Wasserschutzkonzept. Wer Bio-Mineralwasser-Brunnen sein möchte, verpflichtet sich zum aktiven Einsatz für unser wichtigstes Lebensmittel und dazu, dieses Engagement sowie die damit erzielten Fortschritte in regelmäßigen Audits nachzuweisen. Konkret müssen sich die Bio-Mineralwasser-Brunnen vom Einsickern des Regens in den Boden bis zur Abfüllung in die Flasche um ihr Wasser kümmern und die Risiken von Verunreinigungen auch für die Zukunft minimieren. Zum weiteren Pflichtprogramm gehört der Wasserschutz auch über das eigene Quelleinzugsgebiet hinaus. Dies erfolgt insbesondere über die nachhaltige Förderung des Ökolandbaus, der durch den konsequenten Verzicht auf Pestizide und Co. den Schadstoffeintrag in das Wasser wirkungsvoll unterbindet. Außerdem sind die Bio-Mineralwasser-Quellen absolut nachhaltig zu bewirtschaften und die Getränke so ressourcen- und umweltschonend wie möglich herzustellen.
 
Last but not least unterstützen die Mitglieder die Umweltbildung z.B. in Schulen. Beides, die Einhaltung der Grenzwerte und das Engagement in Sachen Wasserschutz, ist von den Bio-Mineralbrunnen in absoluter Konsequenz und Transparenz gegenüber den Verbrauchern nachzuweisen. So sind die Etiketten von Bio-Mineralwasser umfangreicher als bei konventionellem Mineralwasser. Der aktuelle Stand der Bio-Mineralwasser-Richtlinien und die aktuellen Prüfergebnisse der Wässer sind stets auf der Website der Qualitätsgemeinschaft und auf den Websites der Mineralbrunnen downloadbar. „Wir wollten einfach, dass die Menschen immer ganz genau wissen, was sie trinken und ob die Brunnen tatsächlich so nachhaltig sind, wie sie sagen. Das war bis jetzt weder beim Mineral- noch beim Leitungswasser der Fall", so Ehrnsperger.

Die Branche wacht auf
© Lammsbräu
Gerade diese ungewohnte Konsequenz schien aber manchem in der bis dahin komplett konventionell aufgestellten Mineralbrunnenbranche Angst zu machen. Zeitweiliger Widerstand regte sich, der sogar in der oben angeführten Klage vor dem BGH gipfelte. Bio-Mineralwasser sei auch nichts anderes als konventionelles Mineralwasser, so der Tenor. Die Richter am BGH sahen das allerdings anders. Auch sie überzeugten das Bio-Mineralwasser-Konzept und seine strengen Richtlinien. Sie urteilten letztinstanzlich für Ehrnsperger und seine Mitstreiter. Und auch in der Branche selbst fand und findet das Konzept immer mehr Anhänger. Mittlerweile tragen Getränke von neun Mineralbrunnenbetrieben aus ganz Deutschland das Bio-Mineralwasser-Siegel der Qualitätsgemeinschaft. Neben Ehrnspergers Neumarkter Lammsbräu gehören dazu Bad Dürrheimer und Ensinger aus Baden-Württemberg, Labertaler Heil- und Mineralquellen aus Bayern, die PreussenQuelle Rheinsberg aus Brandenburg, Voelkel aus Niedersachsen sowie Carolinen, Gehring-Bunte und Landpark Bio-Quelle aus Nordrhein-Westfalen.
 
© PreussenQuelle
Was beispielsweise Bad Dürrheimer dazu bewegt, sich den strengen Bio-Mineralwasser-Richtlinien zu stellen, fasst Ulrich Lössl, Geschäftsführer des Mineralbrunnens aus dem süddeutschen Kurort, folgendermaßen zusammen: „Für uns stellt ein verantwortungsvoller Umgang mit natürlichen Ressourcen die Basis unseres Wirtschaftens dar. Die Bio-Mineral­wasser-Zertifizierung unterstreicht unseren Anspruch auf eine ausgewogene Verknüpfung von wirtschaftlichem und umweltbewusstem Handeln sowie gesellschaftlicher Verantwortung." Was das genau heißt, erklärt Lössl am Beispiel der eigenen Quelle: „Unser Wasser ist durch mächtige Deckschichten und die intakte Natur im Kurort Bad Dürrheim bestens gegen schädliche Umwelteinflüsse geschützt. Damit das aber auch so bleibt, beobachten wir unsere Region genau, fördern den Ökolandbau und bringen uns auch über unser Quelleinzugsgebiet hinaus aktiv zu Themen des Wasserschutzes ein." Konkret wird dieses Engagement unter anderem in der Zusammenarbeit des Bio-Mineralbrunnens mit der solidarischen Landwirtschaft Baarfood in Villingen-Schwenningen oder dem Umweltzentrum Schwarzwald-Baar-Neckar sowie der Naturschutzstiftung des Schwarzwaldvereins.
 
Als Mitinitiator setzt sich Bad Dürrheimer in einem aktuellen Projekt durch das Anlegen von Blühwiesen zudem für die Förderung der Artenvielfalt und den Bodenschutz ein. Projekte, deren nachhaltiges Gelingen Franz Ehrnsperger freuen: „Was durch die Bio-Mineralwasser-Brunnen und ihr aktives Engagement in ihren Regionen vielerorts gerade entsteht, könnte man lokale Reservate reinen Wassers nennen. Netzwerke bilden sich, in denen man sich gegenseitig bei einer wirklich nachhaltigen und auf Pestizide und Co. verzichtenden Wirtschaftsweise unterstützt. Je mehr Bio-Mineralwasser-­Brunnen es werden, desto großflächiger wird der Schutz des Wassers. Und genau das ist unser Ziel."

 
Von Fritz Lietsch

Umwelt | Wasser & Boden, 01.09.2018
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/03 2018 - Wasser - Grundlage des Lebens | Bildung erschienen.
     
        
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