Unternehmer-Initiative fordert Bleiberecht für Geflüchtete, die hier arbeiten
Unternehmer-Initiative schlägt zweistufiges Verfahren für ein Aufenthaltsrecht für erwerbstätige Geflüchtete vor
Die Unternehmer-Initiative „Bleiberecht durch Arbeit" hat bei einer Pressekonferenz in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg in Berlin konkrete Vorschläge präsentiert, um Geflüchteten mit einem festen Arbeitsplatz eine sichere Aufenthaltsperspektive zu gewähren. Dafür soll es klar definierte Kriterien geben, die überprüft werden: Die Geflüchteten müssen sich am Arbeitsplatz bewähren, sichtbaren Integrationswillen zeigen, ihre Identität klären und sie dürfen nicht straffällig werden. Eine Lösung, die für alle Seiten große Vorteile hätte: Die Geflüchteten können ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, die Sozialsysteme werden entlastet, die Unternehmen können ihre dringend benötigten Arbeitskräfte fest einplanen und für die Behörden verringert sich der Bearbeitungsaufwand. Die Unternehmen fordern die Bundesregierung auf, die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Die Initiative „Bleiberecht durch Arbeit", der sich mittlerweile mehr als 120 Unternehmen und drei Verbände aus Baden-Württemberg und Bayern angeschlossen haben, möchte ihre Praxis-Erfahrung in die Politik einbringen. „Damit wollen wir erreichen, dass die gesetzlichen Grundlagen der Zuwanderung, die derzeit von der Bundesregierung ausgearbeitet werden, auch tatsächlich praktikabel sind und den Anforderungen der Realität entsprechen", so Gottfried Härle, Geschäftsführer Brauerei Härle. Seit kurzem hat die Initiative eine eigene Homepage.
Als Vertreter der Unternehmer-Initiative reisten Antje von Dewitz, Geschäftsführerin VAUDE, Gottfried Härle, Geschäftsführer Brauerei Härle, Markus Winter, Geschäftsführer IDS Holding, und Thomas Osswald, Geschäftsführer Autohaus Osswald, nach Berlin, um ihre Vorschläge nicht nur der Presse, sondern auch beim Ministerium für Arbeit und Soziales vorzustellen. Die 120 Unternehmen der Initiative „Bleiberecht durch Arbeit" erwirtschaften einen Jahresumsatz von über 50 Milliarden Euro mit rund 550.000 Mitarbeitern, davon circa 2050 Geflüchtete. Gemeinsam engagieren sie sich überparteilich für Geflüchtete in Arbeit und treten für eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ein. „Wir möchten unseren Beitrag zur Integration leisten und der sozialen Spaltung in Deutschland entgegenwirken. Integration funktioniert am besten über Arbeit, das zeigen unsere Erfahrungen. Zugleich brauchen wir in vielen Bereichen dringend Arbeitskräfte, um unsere Wirtschaftskraft zu erhalten und weiteres Wachstum zu ermöglichen", so Antje von Dewitz. Dafür gibt es auch einen starken Rückhalt in der Bevölkerung. Laut einer Umfrage des ZDF-Politbarometers sprechen sich 78% der Befragten für ein Bleiberecht von Geflüchteten in Arbeit aus.
Akuter Arbeitskräftemangel und wirtschaftlicher Schaden
„Der Arbeitskräftemangel ist eines der größten Probleme, das Betriebe derzeit haben. Ob Handwerks- oder Dienstleistungsbetriebe, Altenpflege, Gastronomie oder in der Produktion – überall fehlt es an Arbeitskräften. Ohne Menschen mit Migrationshintergrund könnten viele Betriebe und Einrichtungen dicht machen. Wir brauchen diese Menschen dringend, um unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand zu sichern", so Gottfried Härle. Dies gilt nicht nur für Baden-Württemberg und Bayern, sondern auch für andere Bundesländer, wie Thomas Kohl bestätigt, der ein Gebäudereinigungsunternehmen in Sachsen-Anhalt führt und dort eine ähnliche Initiative gründen möchte. Gemeinsam mit Roland Frisch, einem Unternehmer aus Sachsen, kam er nach Berlin um sich mit der Unternehmer-Initiative aus Süddeutschland auszutauschen.
Die Unternehmen sind dem politischen Aufruf gefolgt, Geflüchtete zu integrieren. Viele dieser Mitarbeiter sind nun von Abschiebung bedroht. Für die Unternehmen wäre es mit einem großen wirtschaftlichen Schaden verbunden, wenn sie wertvolle, gut eingearbeitete Mitarbeiter verlieren. Hinzu kommt, dass diese Stellen nur schwer bzw. gar nicht nachbesetzt werden können. „Aufgrund des Arbeitskräftemangels verlagern schon jetzt immer mehr Betriebe, ihre Standorte ins Ausland. Wenn wir dieser Entwicklung nicht entgegenwirken, droht ein tiefgreifender volkswirtschaftlicher Schaden" so Gottfried Härle.
Vorschlag für ein Aufenthaltsrecht mit klaren Spielregeln
„Eines der größten Probleme ist die Rechtsunsicherheit, durch die alle Beteiligten zum Teil über Jahre im Ungewissen sind, die Mitarbeiter, die Unternehmen, aber auch die Behörden. Dies hat negative, ja lähmende Auswirkungen in jeder Hinsicht: Motivierte Menschen werden gebremst und verunsichert, die Identität wird aus Angst vor Abschiebung nicht preisgegeben, der bürokratische Aufwand ist immens. Das müssen wir dringend ändern – davon werden alle profitieren", so Antje von Dewitz. Dafür schlagen die Unternehmen ein zweistufiges Verfahren vor, das Geflüchteten, die sich am Arbeitsplatz bewähren und gut integrieren, eine gesicherte Aufenthaltsperspektive ermöglicht. Konkret heißt das: Geflüchtete mit einem festen Arbeitsplatz erhalten eine zunächst auf zwei Jahre befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Dazu zählt u.a., dass sie nicht straffällig geworden sind und dass sie einen sichtbaren Integrationswillen zeigen, z.B. durch die Teilnahme an Sprachkursen. Im Anschluss daran kann die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis um drei Jahre verlängert werden, wenn einige zusätzliche Kriterien erfüllt sind. So muss der Geflüchtete seine Identität durch die Vorlage von Passpapieren klären und eine zertifizierte Weiterbildung/Qualifizierung bspw. durch die IHK oder Handwerkskammer nachweisen. Obligatorisch ist auch die Vorlage eines Sprachzertifikats der Stufe A 2. Als weiteres Kriterium schlagen die Unternehmen die verpflichtende Teilnahme an einem Wertekurs auf Basis des Grundgesetzes vor.
Eckpunktepapier und Einwanderungsgesetzt: „Es tut sich was"
Mit diesem Vorschlag wendet sich die Unternehmer-Initiative an die Bundesregierung, die im Oktober in ihrem „Eckpunktepapier zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten" ankündigt: „Wir werden klare Kriterien für einen verlässlichen Status geduldeter Personen definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind." „Es tut sich was, das ist gut. Wir möchten dazu beitragen, dass es pragmatische, sinnvolle Lösungen gibt", so Gottfried Härle. Auch bei der Ausgestaltung des neuen Einwanderungsgesetzes bringen die Unternehmen ihre Forderungen ein, vor allem im Hinblick darauf, dass dabei nicht nur Fachkräfte, sondern auch angelernte Arbeitskräfte berücksichtigt werden. „Wir brauchen auch gesetzliche Rahmenbedingungen für Berufsbilder, die dringend in der Wirtschaft benötigt werden, wie LKW-Fahrer, Staplerfahrer, Reinigungskräfte, Arbeiter in der Fertigung oder Pflegekräfte", so Markus Winter. Dabei ist es den Unternehmen wichtig ein Vorurteil auszuräumen, dem sie immer wieder begegnen. „Die Geflüchteten werden nicht als billige Arbeitskräfte ausgenutzt. Es gilt: Gleicher Lohn für alle. So liegt die Bezahlung für angelernte Kräfte in unserer Manufaktur 40% über dem Mindestlohn, das gilt selbstverständlich auch für die geflüchteten Mitarbeiter", erklärt Antje von Dewitz.
Integration lohnt sich
Integration ist für die Unternehmen mit einem hohen Aufwand verbunden, doch es lohnt sich. Darin sind sich alle einig. „Integration ist kein Spaziergang. Als Unternehmen sind wir nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Integrationsdienstleister. So kümmern wir uns auch um die Sprachprobleme und Behördengänge unserer geflüchteten Mitarbeiter. Aber es ist schön zu erleben, wie im Unternehmen ein tolles Miteinander entstanden ist – das gibt mir die Kraft hierfür zu kämpfen", so Antje von Dewitz.
Weitere Informationen:
- Website der Initiative
- Online-Petition der Unternehmer-Initiative
- Weitere Infos zu diesem Thema im VAUDE Nachhaltigkeitsbericht
Gesellschaft | Migration & Integration, 18.11.2018
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