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Hanf auf dem Weg zum Rohstoff für die Industrie

Der Rohstoff Hanf beginnt sich nach einem langen Nischendasein den Weg zurück in die Industrie zu bahnen. Dies belegt auch die „International Conference of the European Industrial Hemp Association (EIHA)", die als weltgrößte Hanfkonferenz der industriellen Nutzung von Hanf einen Weg bahnen möchte. forum sprach mit Michael Carus, dem Geschäftsführer der EIHA über die unglaublichen Potenziale der Nutzpflanze.

© nova Institut© nova Institut
Michael Carus ist Physi­ker und Gründer des nova-Instituts, einem Forschungs- und
Bera­tungsinstitut für Biotechnologie, nachhaltige Rohstoffversorgung und eine bio- und CO2-basierte Ökonomie. Seit über zehn Jahren ist er Geschäftsführer der European Industrial Hemp Association (EIHA).
Herr Carus, auf der EIHA-Konferenz in Köln unterschrieben letztes Jahr 191 ­Teilnehmer die „Cologne Declaration of Industrial Hemp". Was wollen Sie mit dieser erreichen?
Diese Erklärung soll ein deutliches Zeichen an die Politik senden. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um nicht berauschende Stoffe aus der Hanfpflanze wie Cannabidiol und Hanfextrakte als Nahrungsergänzungs- und Arzneimittel zu legalisieren. Zudem soll der in der EU für Nutzhanf erlaubte THC-Wert von 0,2 Prozent auf 0,3 Prozent angehoben werden, denn nur so können wir mit den Märkten in Kanada und den USA konkurrieren, wo weniger strenge Vorgaben herrschen. Dadurch werden in der Hanfindustrie weitere Jobs geschaffen und zweistellige Wachstumsraten beibehalten – bei gleichzeitig sicheren Produkten für die Verbraucher.

Schon in den 1930er-Jahren wurde in den USA mit Hanf als Rohstoff in der Automobilindustrie experimentiert. Warum hat sich das Material nie durchgesetzt?
Erdöl war sehr billig und somit auch die entsprechenden Kunststoffe. Naturmaterialien wurden verdrängt. Beim Hanf kamen Anbauverbote hinzu, die dem Drogenhanf galten, aber auch den Anbau von Industriehanf mit einbezogen.

Die Nachfrage nach Hanfprodukten steigt und in Europa auch die Fläche an kultiviertem Nutzhanf, jedoch nicht in Deutschland. Sind die Vorgaben für Nutzhanf hier zu restriktiv?
In Europa ist die Anbaufläche von Hanf von 8000 Hektar im Jahr 2011 auf 43.000 Hektar in 2018 angewachsen. In Deutschland gibt es für Hanf oder andere Naturfasern oder bio-­basierte Produkte insgesamt keine Marktanreize – ganz im Gegenteil zum Biokraftstoffbereich. Landwirte verdienen mit Mais, Weizen oder Zuckerrübe mehr als mit Hanf. In anderen Ländern sind die Rahmenbedingungen günstiger.
 
Die Größenordnung der industriellen Hanfproduktion ist beeindruckend.

Wie groß ist der Markt für Nutzhanf in Europa? Wie hoch das Marktpotenzial in Deutschland?
Das hängt von vielen Faktoren ab, wie z.B. vom Erdölpreis. Grundsätzlich könnten für Verbundwerkstoffe und Dämmstoffe einige 100.000 Hektar Hanf in Europa angebaut werden. Mit cottonisiertem, also zu feinen Baumwollfasern verarbeitetem Hanf für die Textilindustrie könnten weitere 100.000 Hektar genutzt werden. 2016 wurden in Deutschland 1.472 Hektar Hanf angebaut, knapp die Hälfte davon für Fasern und der Rest für Hanfsamen. Zum Teil fand auch eine Koppelnutzung statt, das heißt, dass auch die Hanfschäben (gebrochener, innerer Stängel) genutzt wurden. Das Marktvolumen der Hanffasern schätze ich auf etwa 800.000 Euro. Hinzu kommen die Schäben mit einem ähnlichen Betrag. Dazu noch Hanfsamen und Pharmazeutika. Insgesamt sind das auf Seiten der Produzenten 4 bis 5 Millionen Euro im Jahr. Hinzu kommen Importe aus anderen EU-Ländern und aus China. Natürlich ist das Marktvolumen der verarbeiteten Hanfprodukte, wie den Lebensmitteln, viel höher. Das schätze ich auf bis zu 20 Millionen Euro (2016) mit einer steigenden Tendenz. Dieses Jahr dürfte der Umsatz bereits deutlich höher liegen. Gerade hat Ritter Sport eine Sonderedition Hanfschokolade („Schoko & Gras") rausgebracht, die in wenigen Tagen ausverkauft war. Hanflebensmittel werden Mainstream.

In welchen Bereichen wird Hanf heute in Deutschland eingesetzt? Welche Anwendungsbereiche gab es früher, die heute in Vergessenheit geraten sind?
In Europa sind die wichtigsten Anwendungen Spezial-Leichtpapiere, Verbundwerkstoffe im Automobilbereich und Dämmstoffe. Die Hanfschäben werden als Tiereinstreu und für die Bauindustrie genutzt. Hanfsamen und Hanföl werden für hochwertige Lebensmittel verwendet, aus den Blättern und Blüten werden Pharmazeutika gewonnen. Diese Nutzungsvielfalt ist einzigartig.

Vor allem China investiert gerade auf großem Niveau in den Hanfanbau. Droht die EU den Anschluss zu verlieren?
Ja, auf jeden Fall. Das hat aber die europäische Textilindustrie ohnehin schon in gewissem Maße. In Europa ist es schwer, entsprechendes Kapital und Ressourcen zu bewegen, die notwendig sind, um in industrielle Maßstäbe zu kommen. Unsere großen Textilmarken könnten leicht einsteigen, sie tun es aber nicht. Kleine Firmen können das nicht stemmen. In China ist es einfacher, solche Projekte zu realisieren.

Welche Innovationen haben Sie bei Ihrem Besuch in der chinesischen Provinz Heilongjiang am meisten beeindruckt?
Die Größenordnung der industriellen Hanfproduktion ist beeindruckend. Die Fläche alleine in Heilongjiang stieg von 1.000 Hektar in wenigen Jahren auf heute 30.000 Hektar – das entspricht der gesamten Anbaufläche in Kanada oder Europa. In einem großen Forschungsprogramm an Universitäten in der Provinz Heilongjiang wurden in Zusammenarbeit mit der Ukraine und Kanada neue, ertragreiche Hanfsorten entwickelt, Koppelerntemaschinen für Stängel und Samen optimiert sowie biotechnologische Verfahren eingeführt, um umweltfreundlich mit Hilfe von Enzymen feine Hanffasern zu produzieren. Auf der Konferenz wurden sehr feine Hanfstoffe gezeigt, die es in dieser Qualität noch nie gegeben hatte. Ein Großabnehmer ist übrigens die chinesische Armee, die ihre Soldaten mit Hanfuniformen und -socken versorgt. Auch die Nutzung von Hanffasern in Verbundwerkstoffen für die Automobilindustrie wird dort sehr stark vorangetrieben.
 
Cannabidiol ist im Gegensatz zum THC der wenig psychoaktive, also berauschende Wirkstoff und ermöglich zahlreiche Einsatzgebiete in der Pharmazie. 

Gut zu wissen
Im Jahr 2018 wurde in Europa so viel Nutzhanf angebaut wie noch nie: Auf insgesamt 43.000 Hektar wurde die Pflanze kultiviert. Vorreiter mit etwa 14.000 Hektar ist Frankreich. Seit 1996 ist der Anbau von Nutzhanf auch in Deutschland unter bestimmten Vorgaben wieder erlaubt, nachdem 1982 sogar der Anbau von Faserhanf ohne berauschende Wirkung verboten wurde. Ende der 90er-Jahre wurde in Deutschland auf über 4.000 Hektar Nutzhanf angebaut – gegenwärtig liegen die Anbauflächen unter 2.000 Hektar. Doch das könnte sich nun ändern und zu einer Renaissance des Hanfs auch bei uns führen.
In welchen Bereichen wird Nutzhanf Ihrer Meinung nach in Zukunft vermehrt eingesetzt?
Verbund-, Dämm- und Baustoffe werden in großen Volumina nachgefragt, da kann Hanf einen relevanten Anteil erobern. Sollte cottonisierte Hanffaser am Textilmarkt auf Nachfrage stoßen, so können sich auch hier große Volumina entwickeln.

Inzwischen werden auch zahlreiche Forschungsprojekte rund um den Hanf gefördert und das Wissen um die Pflanze und ihre Nutzungen erweitert sich in großen Schritten. Größere Investitionen treiben die Technologieentwicklung voran.

Wie stehen Politik und Gesellschaft Ihrer Meinung nach zum Thema Hanf in fünf bis zehn Jahren? Wird Cannabis vollständig legalisiert sein?
Der Hanfbereich entwickelt sich kontinuierlich weiter. Fasern, Schäben und Samen/Öl werden sich weiter am Markt etablieren. Medizinische Anwendungen sind inzwischen bekannt und akzeptiert, auch hier entwickelt sich das Volumen weiter nach oben. Hanf als Medizin wird zunehmend weltweit legalisiert, alle paar Monate folgt das nächste Land. Auch die vollständige Legalisierung verfolgen heute mehr Länder als in den letzten 80 Jahren. Wenn hier positive Erfahrungen gemacht werden, nimmt dies sicherlich Einfluss auf die weitere Legalisierung.

Herr Carus, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei der Arbeit mit biobasierten Rohstoffen.


Umwelt | Ressourcen, 01.09.2018
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/03 2018 - Wasser - Grundlage des Lebens | Bildung erschienen.
     
        
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