Industrie 4.0
Nachhaltigkeit durch Effizienz
Diesen Beitrag von Judith Herzog-Kuballa, Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V finden Sie im B.A.U.M.-Jahrbuch 2017 - Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Laut einer Studie von PWC lassen sich mit Industrie 4.0 Effizienzsteigerungen von 18 Prozent erzielen. Doch für Conzelmann greift das Fokussieren auf Effizienzsteigerung zu kurz, denn Industrie 4.0 bedeutet für ihn in erster Linie das Angehen neuer Geschäftsmodelle. „Ich kenne sogar Effizienzsteigerungen, die auf 44 Prozent hochgehen", berichtet der Experte für Industrielösungen. „Bizerba sieht Industrie 4.0 eher als eine Kombination verschiedener Technologien an, die zu neuen Geschäftsmodellen führt." Im Mittelpunkt stehe dabei stets das Ziel, hochwertige Produkte in Losgröße eins zu den Kosten einer Massenproduktion herzustellen. Dazu komme die Internet-of-Things (IoT)-Technologie zum Einsatz mit dem Nebeneffekt, dass die Prozesse dadurch effizienter werden. Aus diesen Lösungen entstanden neue Geschäftsmodelle, die nicht nur beim Kunden, sondern auch bei Bizerba Umsatz, Marge und Effizienz erhöht haben.
Bizerba setzt auch in den Werken auf Digitalisierung. „Wir haben die Produktion zu etwa 70 Prozent digitalisiert, sind aber sicherlich noch nicht konform zu Industrie 4.0", sagt Conzelmann. „Anders sieht es bei den Produkten und Lösungen für unsere Kunden aus. Da gehen wir mit Blick auf Industrie 4.0 gemeinsam mit den Kunden in die Ablaufprozesse, um das Bestmögliche herauszuholen. Die Ergebnisse und Erfahrungen implementieren wir dann in unsere weitere Produktentwicklung." Bizerba setzt dabei auf Machine-to-Machine-Communication: Eine Maschine bestellt vollautomatisch bei einer anderen Maschine Verbrauchsmaterialien. Es kann sich um beliebiges Verbrauchmaterial auch von anderen Firmen handeln. Die Maschine kann aber auch Ersatzteile bestellen – lange bevor eine Maschinenkomponente ausfällt. Alle diese Maßnahmen zeigen, wie sich die Effizienz und damit die Nachhaltigkeit mit der Digitalisierung und Automatisierung von scheinbar trivialen Prozessen, wie etwa dem Bestellwesen deutlich verbessern lassen.
Digitalisierung ist nicht alles
Trotz der positiven Ergebnisse sieht Conzelmann aber auch Grenzen der Digitalisierung: „Es ist sinnvoll, sich auf die wichtigen Kenngrößen und Informationen zu konzentrieren. Denn was nützt es mir, wenn ich den Reifendruck meines Autos auf drei Stellen hinter dem Komma kenne, wenn mein Motor nicht startet." Daher rät er, vorerst bei etwa 80 Prozent Digitalisierung aufzuhören, um die restlichen 20 Prozent später anzugehen. Conzelmann: „Ich empfehle, auch mal einen Blick in andere Branchen zu wagen. Als sehr inspirierend empfand ich die Ideen des Zukunftsforschers Matthias Horx." Den exakten Plan für die effiziente und nachhaltige Industrie 4.0-Produktion kennt auch der Experte aus Balingen nicht, doch er hat schon Ideen für den Wandel. „Bis jetzt verknüpfen die Menschen die IT-Welt mit den Maschinen", erläutert Conzelmann. „Künftig verschmelzen eventuell die reale und die digitale Welt: Nur wenn Mensch und Maschine zum Team werden, lässt sich die Effizienz weiter steigern."
Optimierung von Kunststoffrecycling

Es geht dabei um die kontinuierliche Qualitätsüberwachung der Farbwerte und der Schmelze-Volumenfließrate (MVR) direkt an der Recycling-Maschine. Sobald die gemessenen Werte den definierten Toleranzbereich verlassen, erhält der Bediener automatisch eine Meldung und kann frühzeitig im Prozess gegensteuern – oder fehlerhaftes Material sofort aus dem laufenden Prozess ausschleusen. Noch einen Schritt weiter gehen die Österreicher mit ihrem neuen Manufacturing Execution System re360, das weltweite Produktions- und Recyclinganlagen virtuell verknüpft und so das Erfassen der Produktionsschritte des gesamten Maschinenparks ermöglicht. „Als Manager will man wissen, wie produktiv die Anlagen laufen und ob es Optimierungspotenzial gibt", sagt Breuer. „Die erforderlichen Rückschlüsse können nun aufgrund fundierter Analysetools aus dem System gezogen werden."
Anwender sollen die Online-Messungen künftig für die Produktion von wiederverwertbaren Kunststoffmaterialien und -produkten nutzen, um den Kunststoffkreislauf im Sinne von „Design for Recycling" zu schließen. Erste Erfolge in dieser Richtung gibt es bereits. Durch eine Kooperation mit Borealis, Hosokawa Alpine, Bobst und GEA konnten erstmals funktionelle Standbeutel, sogenannten Pouches, mit einer neuartigen Materialkombination produziert werden. Diese Pouches lassen sich vollständig zu Rezyklaten verarbeiten, die sich sowohl für Spritzgießanwendungen, aber auch für die Produktion von Blasfolien eignen. Online-Messungen und die Vernetzung von Prozess- und Maschinendaten dürfte diese nachhaltige Art der Kunststoffproduktion enorm vorantreiben. Ein weiterer Beweis, wie nachhaltig, innovativ und zugleich effizient Industrie 4.0 sein kann – wenn man es clever angeht.
Energiemanagement für Industrie 4.0
Digitale Nachhaltigkeit heißt aber auch, das Energiemanagement mit Industrie 4.0 zu verheiraten. Als Vorbild könnte hier das Facility Management dienen: Um beispielsweise das enorme Big Data-Volumen des Microsoft-Hauptquartiers mit seinen 145 Gebäuden in Echtzeit zu managen, zu visualisieren und zu analysieren, kommt Iconics-Software zum Einsatz. Allein durch die Energieeinsparungen hat sich die Investition in Software, Personal-Einsatz und weitere IT-Kosten innerhalb von 18 Monaten amortisiert. Das System kam bei Microsoft so gut an, dass es mittlerweile weltweit in vielen Niederlassungen zum Einsatz kommt. „Im Prinzip macht es keinen Unterschied, ob ich Energiemanagement im Gebäude oder in Fabriken betreibe", konstatiert André Lange, Geschäftsführer der ICONICS Germany GmbH aus Sankt Augustin. „Wesentliche Unterschiede gibt es nur bei den Key Performance Indicators: Bei Gebäuden und Campus-Anlagen interessiert beispielsweise der Energieverbrauch pro Quadratmeter, bei Fabriken der Energieverbrauch pro hergestelltem Produkt – also zum Beispiel von Kilowattstunden pro Auto."
Judith Herzog-Kuballa ist im VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V.) verantwortliche Referentin für die Nachhaltigkeitsinitiative Blue Competence. Seit 2011 arbeitet sie in der Abteilung Technik und Umwelt und betreut dort Themen rund um Nachhaltigkeit und unternehmerische Verantwortung.
Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Technik | Innovation, 01.01.2017

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