Ein Blick ins Jahr 2028
Human Ressources im digitalen Zeitalter
Diesen Beitrag von Dr. Reza Moussavian und Elisa Binzberger, Deutsche Telekom AG, finden Sie im B.A.U.M.-Jahrbuch 2019 - New Work.
Es ist das Jahr 2028, das erste Jahr nach der großen und kontroversen Diskussion, ob und wie weit sich Menschen über Bio-Hacking und andere Technologien selbst „upgraden" dürfen. Entgegen einer breiten Offensive von Arbeitnehmerverbänden und Gewerkschaften dürfen Unternehmen bei signifikant höherer Qualifikation Menschen mit Sensor-Implantaten, Daten-Kontaktlinsen, neuronalen Mini-Robotern und KI-Agenten, die mit dem Bewusstsein gekoppelt sind, „einfachen" Menschen vorziehen.
Zweiklassengesellschaft?
Während die USA, die BRICS-Länder1 und technologie-affine asiatische Nationen wie Korea oder Japan sowie Großbritannien und Australien das Bio-Hacking und damit die faktische Schaffung einer mit Technologie verschmolzenen Humanbevölkerung aktiv fördern, zeigt sich die deutsche Öffentlichkeit skeptisch. Ein EU-weites Referendum zur selbstbestimmten Nutzung des Bio-Hacking erhielt 2027 nach monatelangen Querelen eine hauchdünne Mehrheit. Bei den Gegnern überwog die Angst vor einer Zweiklassengesellschaft und Diskriminierung jener, die aus ethischen oder wirtschaftlichen Gründen kein Upgrade bekommen. Außerdem befürchteten die Gegner einen Rückfall im globalen Wettbewerb, wenn die Technologie gestoppt würde.
Zwar sind die EU-Staaten seit dem Referendum bemüht, analog zu staatlicher Bildung und Gesundheitsvorsorge flächendeckende Konzepte für das Bio-Hacking einzuführen, doch wer es sich leisten kann, sucht zum Upgrade private Anbieter auf, die mit ihren Sensor-, Daten- und Kommunikationstechnologien den staatlichen Förderprogrammen deutlich überlegen sind. In der Tat gab es seit dem Inkrafttreten des Gesetzes weniger Firmeninsolvenzen als in den Vorjahren und erstmals seit drei Jahren wurde wieder ein Außenhandelsplus der EU erzielt.
HR wird zum „Human Connector"
Der neue Arbeitsmarkt, in dem unter anderem upgegradete Menschen (Cyborgs) und Künstliche Intelligenz eine Rolle spielen, erfordert ganz neue Konzepte für eine Personalfunktion. Neben dem noch neu zu regelnden Arbeitsrecht ist Human Ressources (HR) in der Unternehmenskultur gefordert. Erfolgreich sind die Unternehmen, welche die Diversität von Menschen untereinander begleiten und mitgestalten, im Austausch mit modernster, de facto souveräner Technologie. Die Organisationsform des digitalen Cyborg-Zeitalters ist das Netzwerk, und die Rolle der HR ist primär die des Human Connectors (HC).
Der Arbeitsalltag in einer HC-Abteilung im Jahr 2028 könnte so aussehen
Fiona: Guten Morgen, äh… Philip? Wie kann ich Ihnen helfen? Bitte entschuldigen Sie meine altertümliche Frage, aber ich habe keine Daten und Prediction zu Ihrem Anruf vorliegen. Mein Name ist Fiona, meine ID ist einfach.vernetzen.sinn.
Philip: Hi, Fiona, hier spricht Philip, meine ID lautet berge.kabel.vene. Ich bin noch neu im Netzwerk und habe noch keinen Bio-Sensor, daher keine Daten und Predictive Analytics zu meinem Anruf. Ich habe vorletzte Woche neu angefangen und hatte letzte Woche meine Einführungstage. Danke nochmals für dieses großartige Event.
Fiona: Was hat dir denn besonders gefallen?
Philip: Sehr spannend war der Mensch-Maschine-Konflikt-Workshop. Da ich vor dem Netzwerk in einem cy-free Unternehmen gearbeitet habe, kannte ich die enge Zusammenarbeit mit Maschinen noch nicht so gut. Ich habe das Gefühl, dass ich nun für die Interaktionen gut gewappnet bin, habe mit meinem Maschinen-Mentor auch schon viele gute Gespräche geführt.
Fiona: Schön zu hören. Für viele, die noch aus älteren Strukturen kommen, ist das Thema Mensch- Maschine-Interaktion neu. Aber viele sagen bereits nach einigen Wochen, dass sie den Unterschied in der Kommunikation gar nicht mehr merken. Wir sind technisch sehr weit im Netzwerk und daher klappt das ganz gut.
Philip: Ja, das stimmt. Warum ich aber eigentlich anrufe, Fiona: Ich habe da ein paar Punkte, zunächst mal eine Frage. Gibt es über das Netzwerk die Möglichkeit, ein Upgrade zu erhalten? Ich bin wegen meines Alters im staatlichen Programm dafür erst in drei Jahren vorgesehen, aber es gibt da auch Wege über die betriebliche Weiterbildung, oder?
Fiona: Das ist im Prinzip richtig; wir wollen ja, dass alle vom Netzwerk profitieren und umgekehrt das Netzwerk auch von dir. Es gibt da aber klare Regelungen und einen Netzwerk-Verhaltens-Kodex. Das bedeutet, dass du erst einmal alle Vor- und Nachteile kennenlernen und bewerten sollst. Hierfür haben wir als HC-Abteilung einen Fahrplan entwickelt. Bei den Netzwerkern, die einen vergleichbaren Kontext wie du haben, dauert das in der Regel 38 Tage. Die Annahmequote liegt aktuell bei 94 Prozent.
Philip: Vielen Dank. Dann hätte ich noch ein anderes Thema: Ich habe zwei Projekte von draußen mitgebracht und sie im Projekt-Marktplatz gepostet. Es haben sich viele Leute gemeldet und ich habe vom Tool best-fit Kandidaten empfohlen bekommen. Bis auf eine Stelle habe ich bereits alle Rollen im Projekt über das Tool vergeben können. Nun geht es um diese letzte Stelle: Ich kenne jemanden, der dafür sehr geeignet wäre, aber er ist noch nicht im Netzwerk. Und er hat sein öffentliches Profil lange nicht mehr gepflegt, so dass unser Tool dort kein Alternativ-Score bilden konnte. Kann ich ihn dennoch nominieren?
Fiona: Natürlich, wir nehmen gerne neue Leute ins Netzwerk auf. Wir könnten dieses Projekt für den Kollegen als Eintrittsprojekt gestalten. Wir sind ja ein dateninformiertes Netzwerk, das heißt, wir wollen gerade kritische Personalentscheidungen auf Basis von Daten treffen. Aber wir vertreten auch den Grundsatz, dass mehr Daten zu mehr Unwissenheit führen. Was heißen soll, dass der Projektleiter letztlich die Verantwortung für seine Personalpolitik trägt.
Philip: Fiona, gibt es eigentlich eine Obergrenze für die Anzahl der Teilnehmer im Netzwerk?
Fiona: Diese Frage bekomme ich oft! Wie Du im Mensch-Maschine-Workshop vielleicht mitbekommen hast, zeichnet sich die Mensch-Mensch-, mehr aber noch die Mensch-Maschine-Beziehung dadurch aus, dass sie flexibel und in Bezug auf Zusammenarbeit skalierbar ist. Das heißt, wir können uns auf neue Geschäftsmodelle, neue KI-Formen oder Strategien anderer Wettbewerber flexibel einstellen, und so lange wir wachsen, können wir quasi endlos das Netzwerk erweitern. Damit das funktioniert, wurde die Verantwortung für das Thema Zusammenarbeit gebündelt und an HC übergeben.
Philip: Spannend, was ihr bei HC so alles macht! Was gehört denn alles zu den Aufgaben der Human- Connectors-Abteilung?
Fiona: Gute Frage. Du findest einige Informationen dazu in deinem VR-Einführungspackage in der 4. Folge. Aber ganz kurz zusammengefasst: Die Menschen und Maschinen bei HC sind – wie der Name schon sagt – vor allem für Themen rund um Interaktion, Vernetzung und natürlich vor allem für die Menschen da. Darum beschäftigen wir uns an erster Stelle mit Coaching. Jeder im Netzwerk kann jederzeit Coaching-Angebote in Anspruch nehmen. Ein Coach ist auf das Thema Purpose spezialisiert; damit wollen wir sichergehen, dass jeder Netzwerker auch findet, was er für seinen Purpose hält.
Die zweite große Aufgabe ist für uns das Leiten und Prägen unseres „Ökosystems". Wir veranstalten viele Formate, die dem Netzwerk guttun, sei es, um die Kollegen besser zu vernetzen, mit ihnen neue Fertigkeiten zu entwickeln und Informationen und Best Practices aus dem Business zu teilen. Und schließlich Organisationsentwicklung: Wir hinterfragen kontinuierlich, ob die gegenwärtige Struktur immer noch die richtige ist, für das, was wir erreichen wollen. Wir führen aufwändige Analysen durch, um zu schauen, welche IT passt, welches Organisationsdesign für den Organisationszweck geeignet ist und wie zufrieden die Netzwerker damit sind. Die Wirksamkeit der IT und des Organisationsmodells hat für uns oberste Priorität – alles, was hier den Test nicht besteht, wird abgeschafft.
Du wirst sehen, Philip, wir sind in einer kontinuierlichen Transformationsphase – nur anders als früher in Unternehmen ist das bei uns nichts Negatives. Eigentlich wird es immer besser, weil wir Barrieren, die euch bei der Arbeit behindern – sei es IT oder Organisatorisches – aus dem Weg räumen. Das vielleicht als erste Antwort. Aber schaue dir gern noch die HC-Folge auf deiner VRBrille an.
Philip: Super, vielen Dank, Fiona, das war ein wirklich informatives und angenehmes Gespräch.
Fiona: Sehr gerne, Philip.
Philip: Bist du eigentlich eine Maschine oder ein Mensch?
Fiona: Ich bin eine Frau, also Mensch.
Philip: Entschuldige bitte, das war jetzt vielleicht etwas zu intim… (lacht)!
Fiona: Alles gut (lacht). Bei HC gibt es auch Maschinen im Interaction Service. Die identifizieren sich am Anfang aber auch als solche. Und unsere Netzwerkregeln sehen vor, dass die Maschinen keine menschlichen Emotionen nachahmen, wie Lachen beispielsweise, und sich eher auf Prozessfragen konzentrieren.
Philip: Verstanden – echt spannend bei euch. Aber ich glaube, auch nächstes Mal werde ich nach Fiona mit der ID einfach.vernetzen.sinn fragen ...
Dr. Reza Moussavian ist SVP HR Digital & Innovation bei der Deutschen Telekom. Sein Auftrag ist, die Digitalisierung von HR voranzutreiben sowie übergreifend die (digitale) Zusammenarbeit und Innovationsfähigkeit im Konzern zu verbessern. Davor hat er bei PWC, IBM und Detecon Zentral- und Ost-Europa, Mittlerer Osten, Asien und Afrika Internationalisierung und Aufbau neuer Geschäftsfelder begleitet.
Elisa Binzberger arbeitet im Bereich HR Digital & Innovation bei der Deutschen Telekom. Sie entwickelt Weiterbildungsformate für Führungskräfte und Mitarbeiter zur Unterstützung der digitalen und agilen Transformation und leitet bereichsintern die interne Kommunikation und den Think Tank.
Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Wirtschaft | Führung & Personal, 01.01.2019
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