Haustiere
Die Schattenseiten unserer Tierliebe
Früher waren Katzen für die Mäuse- und Rattenjagd zuständig, Hunde wurden als
Wach-, Jagd- und Hütehunde eingesetzt. Heute sehen wir hauptsächlich Spür- und
Blindenhunde, doch die meisten sind einfach Haustiere ohne besonderen
Auftrag. Woher kommt es also, dass wir immer mehr Haustiere halten, besonders
in innerstädtischen Bereichen? Warum halten wir immer mehr sogenannte „Exoten"
als Haustiere? Warum gilt es auch die CO2-Bilanz von Pferden zu hinterfragen,
und wie sehr schaden Katzen der Biodiversität… Teil 3 der Serie „Tierische
Geschäfte"
gibt Antworten, die für Überraschungen sorgen.

Haustiere sind gut für uns!
Sind wir gut für unsere Haustiere?
Umfragen zufolge fühlt sich jeder zehnte Deutsche einsam,
und so wird ein Haustier schnell zum Ersatz für die fehlenden
sozialen Kontakte: als bester Freund, Kindersatz, Therapeut
und Mittel gegen die Einsamkeit. Haustiere tun uns gut,
behaupten nicht nur die Besitzer, auch zahlreiche wissenschaftliche
Studien, Mediziner und Therapeuten bestätigen
die Wirkung der Mensch-Tier-Beziehung. Wer mit Tieren lebt,
lebt länger, geht weniger zum Arzt und verursacht weniger
Gesundheitskosten – und das nicht nur bei Menschen, die
unter dem Alleinsein leiden. Kein Wunder: Haustiere schenken
Aufmerksamkeit und Zuneigung, geben einem das Gefühl
gebraucht zu werden, schaffen Struktur im Tagesablauf und
sorgen für Bewegung (zumindest Hunde).
Die positiven Wirkungen sind auch am Arbeitsplatz zu verzeichnen.
Bürohunde verringern Stress und erhöhen die
Motivation der Mitarbeiter. Das Oxytocinlevel steigt sogar
nachweislich durch die Anwesenheit des pelzigen Kollegen.
Dadurch sinkt der Blutdruck und die Herzfrequenz, was den
Abbau des Stresshormons Cortisol begünstigt.
Was für die Besitzer gesteigerte Lebensqualität bedeutet,
ist für die Wirtschaft bares Geld. Denn die Deutschen lassen
sich ihre Tierliebe einiges kosten: Circa neun
Milliarden Euro im Jahr geben sie für ihre 13,4
Millionen Katzen, 8,6 Millionen Hunde und
rund 13 Millionen sonstigen Kleintiere aus.
Alleine 4,5 Milliarden Euro entfallen auf die
Hundehaltung. Laut Angaben der Universität
Göttingen sind etwa 185.000 bis 200.000
Arbeitsplätze dem Wirtschaftsfaktor Heimtierhaltung
zu verdanken.
Für das Wohl des Tieres ist nichts zu teuer!
Angefangen bei den Anschaffungskosten, über Futter- und Tierarztkosten, bis hin zum
Hochzeitskleid für Hunde und Friedhöfe für
Kleintiere: Den Deutschen sind ihre Lieblinge
einiges wert. So kann man für einen
reinrassigen Welpen mit Papieren schon mal
schnell 1.600 Euro zahlen. Und dann hat das
Tier ja noch nichts zu essen oder gar anzuziehen.
Die Probleme reichen von Fragen über die richtige, artgerechte Ernährung
bis hin zu den nötigen Accessoires für Tier
und Halter. Solange wir Nacktkatzen züchten, müssen wir
damit rechnen, dass sie im Winter schnell frieren. Und
auch Hunde haben es gar nicht leicht, wenn sie aus der
Zimmertemperatur in die Winterkälte kommen. Da kann
ein wärmender Pullover schon von Vorteil sein. Hoffentlich
weiß der Hund es auch zu schätzen, dass Herrchen
den Pulli im Partnerlook, für bis zu 900 Euro, nach Maß
anfertigen ließ...

Auch das Wellnessangebot für Tiere sollte nicht zu kurz
kommen, denn auch Hunde können eine Massage durchaus
genießen. Und wenn Herrchen und Frauchen mal alleine
Urlaub machen wollen, warten Pensionen mit einem
verlockenden Angebot auf. Im Animal Resort Wesel beispielsweise
werden urlaubende Hunde in kleinen Chalets
untergebracht, welche laut Webseite nicht nur über eigene
Gärten verfügen, mit Fußbodenheizungen und Fenstern
bis zum Boden ausgestattet sind, sondern sogar eigene
Küchenzeilen bieten. Der Anbieter empfiehlt, dass man
heimische Geräusche aufnimmt, damit diese das Chalet
beschallen und das Tier beruhigen. Für die Beruhigung
der Besitzer sorgt wiederum die Videoüberwachung mit
eigener Webcam.
Lang lebe das Haustier…
Für das Wohlbefinden der Tiere gibt es etwa Aqua-Jogging
gegen Rückenprobleme und Akupunktur gegen Inkontinenz,
präventive Yogakurse für Hunde (genannt Doga) oder Antidepressiva
für gestresste Katzen. Im Bereich des Gesundheitsmanagements
für Vierbeiner hat sich in den letzten
Jahrzehnten wirklich viel getan. So gibt es nicht nur die klassischen
Tierärzte und –kliniken, sondern auch jeden anderen ganzheitlichen oder schulmedizinischen Zweig, den es sonst
für Zweibeiner gibt: Neben spezifischer Fachbehandlung
ergänzen Physiotherapie, Akupunktur, Homöopathie, Osteopathie
und Ernährungsberatung das Behandlungsspektrum.
Viele Haustiere in Deutschland werden mittlerweile besser
behandelt als so mancher menschliche Kassenpatient. Lediglich
die Organspende für Tiere ist derzeit in Deutschland
noch nicht möglich, da gesunden Tieren keine (Spender-)
Organe entnommen werden dürfen. In den USA existiert
dieses Verbot nicht. Der Organspender ist häufig aus dem
Tierheim und bekommt dafür ein Zuhause in dem Haushalt
des Empfängertiers. So ist der Deal.
…und es ruhe in Frieden!
Damit nicht genug. Wenn das Tierleben auf dieser Erde schließlich
beendet ist, wurde der Kadaver früher meist beim Tierarzt
gelassen, beziehungsweise im eigenen Garten vergraben.
Heute gibt es nicht nur Tierkrematorien, welche die Überreste
in einer passenden Urne übergeben, sondern auch eigene Tierfriedhöfe.
Der Friedhof Hamburg-Ohlsdorf, einer der größten Parkfriedhöfe Europas, überlegt derzeit, ob er es Menschen
ermöglicht, ihre tierischen Lieblinge neben sich in einer Urne
beerdigen zu lassen. Und wenn man sein verstorbenes Tier
stets bei sich tragen möchte, lassen sich aus der Asche oder
den Haaren des tierischen Mitbewohners Edelsteine pressen.
Was aber bedeutet all das für die Tiere?

Leider gibt es auch in Deutschland immer mehr Züchter,
die eher als Vermehrer zu bezeichnen sind. Mit tunlichst
geringem Aufwand und möglichst hoher Stückzahl verscherbeln
sie die Tiere schnellstmöglich über Online-Portale wie
ebay-Kleinanzeigen. Besonders in Osteuropa werden Tiere
unter schlimmsten Bedingungen massenweise gezüchtet,
im Netz für kleines Geld angeboten und dann als klassische
„Kofferraumdeals" auf Autobahnparkplätzen verkauft, mit
gefälschten Papieren und leider auch ohne Gesundheitsvorsorge
– die im schlimmsten Fall zwar auf dem Papier
bestätigt, aber nicht durchgeführt wurde. Meist krank, ob
durch Überzüchtung oder aufgrund mangelhafter Haltung
und Versorgung, überleben viele nicht einmal den Transport
oder versterben kurz darauf. Zudem steigt die Gefahr, dass durch den Schwarzhandel Krankheiten ins Land geschleppt
werden.
Und was ist mit Tieren aus dem Tierschutzheim?
Selbst die Abnahme aus dem gut organisierten Tierschutz
birgt Gefahren. Susy Utzinger setzte sich sehr kritisch mit
diesem Thema auseinander und gründete schließlich die
SUST, eine Schweizer Tierschutzstiftung mit dem Zweck, das
Tierleid wirksam zu bekämpfen und darüber aufzuklären.
Utzinger glaubt, dass Mensch und Tier sich persönlich kennen
lernen sollten, bevor sie miteinander leben.
„Es reicht einfach nicht aus, ein Foto von einem niedlichen
Hund zu sehen, um zu wissen, ob man die nächsten Jahre mit
ihm verbringen möchte. Daher macht es auch keinerlei Sinn,
die Tiere auf Bestellung aus dem Ausland in die Schweiz beziehungsweise
nach Österreich oder Deutschland zu bringen,
damit sie hier nach kurzer Zeit den Besitzer wechseln müssen
oder aber doch wieder im Tierheim landen. Deswegen setzen
wir uns in erster Linie für Hilfe im Herkunftsland der Tiere
ein – aus unserer Sicht die nachhaltigste Art des Tierschutzes.
Ein weiteres Problem ist die Vielzahl der Tierschutzorganisationen.
Woran erkennt man, welche Organisation verantwortungsvoll
handelt und welche nicht? Und mit nicht
verantwortungsvoll meine ich nicht nur die Organisationen,
die tatsächlich kriminell handeln, sondern auch jene Organisationen,
bei denen der Tierschutz unprofessionell ausgeführt
wird und daher das Tier nicht ausreichend schützt."
Der Verband „Arbeitswelt Tierschutz Schweiz" hat daher
folgendes Ziel: eine Professionalisierung des Berufsbildes
der „Tierschutzfachperson". Man möchte hierbei den Tierschützer
zum Ausbildungsberuf machen, um damit den Anforderungen
des Tierschutzes gerecht zu werden.
Podenco oder Pudel?
Und dann ist da auch noch die generelle Frage, nach welchen
Kriterien wir uns für ein Haustier entscheiden. Selbst
wenn wir wissen, dass es ein Hund sein soll, steht man als
künftiger Hundebesitzer vor dem nächsten Rätsel: Was
für ein Hund soll es sein, was erwarten wir von dem Tier?
Häufig genug wird nach Optik gewählt, oder nach Trend.
Ob nun Richard Gere in einem Film von einem Hund der
Rasse Akita bedingungslos geliebt wird, ob Walt Disney mit
einem Zeichentrickfilm die Dalmatiner berühmt macht oder
ob die Obamas sich für einen portugiesischen Wasserhund
entscheiden, all dies hat Einfluss auf den Absatz bestimmter
Hunderassen. Nicht selten wird eine Rasse über Nacht so
berühmt, dass das Angebot der rasch wachsenden Nachfrage
nicht nachkommt.
Ein Beispiel: Esther Günther, heute Geschäftsführerin eines
großen Schweizer Fachgeschäftes für Hundebedarf, kommt
aus einer Züchterfamilie und hat bis vor einigen Jahren Rhodesien
Ridgebacks gezüchtet. Als der Ridgeback auf einmal
zu einem elitären Modehund verkam, stellte sie die Zucht
ein. „Mein letzter Wurf hatte zwölf Welpen und ich hatte
mehr als 60 ernsthafte Interessenten. Dennoch musste ich
zwei Welpen erheblich länger als gewünscht behalten. Die
Interessenten genügten meinen Anforderungen einfach
nicht. Der Ridgeback ist kein Hund, den man in Familien mit
kleinen Kindern führt. Denn er ist ein ungestümes Tier und
braucht Auslastung. Das Tier wächst zwar körperlich rasend
schnell, ist aber geistig erst mit circa drei Jahren erwachsen.
Man muss also sehr ausdauernd und konsequent sein. Als
der Ridgeback in Europa auf einmal bekannt wurde, wollten
sehr viele Menschen so ein Tier haben. Das ist erstens nicht
gut für den Genpool, da viel zu schnell zu viele Hunde gezüchtet
werden, und zweitens nicht gut für die Tiere, denn es
gibt vergleichsweise wenige Menschen, die all den Ansprüchen gerecht werden können, die so ein Hund stellt. Somit
habe ich die Zucht dann schweren Herzens eingestellt."
Sollten wir also keine Haustiere haben?
Im Gegenteil, denn wenn wir uns richtig informieren und
verantwortungsvolle Entscheidungen treffen, auch im Sinne der Tiere, können sowohl Hund wie auch Herrchen auf
vielen Ebenen von dieser Beziehung profitieren. Dafür ist
es elementar wichtig, sich mit den Bedürfnissen und Anforderungen
des jeweiligen Tieres auseinanderzusetzen und
kritisch abzuwägen, wie diese in den Alltag integriert werden
können. „Bevor wir uns eine neue Waschmaschine kaufen,
machen wir uns häufig schlauer als vor der Anschaffung
eines Haustieres. Dabei gibt es heute so viele Möglichkeiten,
sich einfach zu informieren", sagt Susy Utzinger. Viele
Organisationen und Verbände, Tierärzte und Trainer stehen
dem zukünftigen Besitzer gerne zur Seite.
Inken Rehburg arbeitete lange in der IT Branche. Der Neuanfang als Tierhomöopathin
und -ernährungsberaterin gab ihrer beruflichen Tätigkeit einen
für sie sinnstiftenden Inhalt. Mit Begeisterung beschäftigt sie sich
seitdem mit weiteren Formen der ganzheitlichen Medizin. Nebenher
arbeitet sie als freie Journalistin.
Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 01.03.2019
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2019 - Time to eat the dog erschienen.

Save the Ocean
forum 02/2025 ist erschienen
- Regenerativ
- Coworkation
- Klimadiesel
- Kreislaufwirtschaft
Kaufen...
Abonnieren...
24
MAI
2025
MAI
2025
28
MAI
2025
MAI
2025
UPJ-Jahrestagung 2025 - Wirtschaft in Verantwortung!
Preisverleihung des Deutschen Preises für Unternehmensengagement am Vorabend
10785 Berlin
Preisverleihung des Deutschen Preises für Unternehmensengagement am Vorabend
10785 Berlin
02
JUN
2025
JUN
2025
1. Bayerischer Transformationskongress für die Automobil- und Zulieferindustrie
Die Zukunft der Automobilindustrie in Bayern
85049 Ingolstadt
Die Zukunft der Automobilindustrie in Bayern
85049 Ingolstadt
Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol
Politik

Christoph Quarch analysiert die Streichung von Diversität und Geschlechtergerechtigkeit bei SAP
Jetzt auf forum:
Nachhaltigkeit wird zum Wettbewerbsvorteil – Sustainability osapiens Summit 2025
TARGOBANK Stiftung ruft Förderrunde zum Thema „Planetary Health“ aus
Wasserstoff – Heilsbringer oder Übeltäter?
Wohlstand, Ungerechtigkeit, Vertrauen?
vPOOL Logistics GmbH auf der transport logistic 2025 in München
Prior1 präsentiert IT Container Eco Fix: Das CO2-optimierte Rechenzentrum aus Holz
VINCI Startup Speed Dating 2025:„Create a Smarter Circular Economy“