Wenn die Zucht zur Qual wird

Tierische Trends, die zur Tierquälerei werden

Sie sind im Trend: kurzköpfige Hunde wie der Mops, die Französische Bulldogge oder der Boston Terrier. Einige von ihnen schnarchen und röcheln, und genau das finden viele Menschen niedlich. Dass dahinter meist ein ernsthaftes gesundheitliches Problem steckt, erkennen sie erst später. Denn zum Extrem getrieben kann dieser „Trend" zur Tierquälerei werden: der „Qualzucht".
 
Sie leiden an Immunschwäche, Gebissfehlstellung, frieren schnell und bekommen Sonnenbrand – für Nackthunde und -katzen ein rasse­typisches Krankheitsbild und Merkmal zugleich. © Rony Michaud, pixabay.comSie leiden an Immunschwäche, Gebissfehlstellung, frieren schnell und bekommen Sonnenbrand – für Nackthunde und -katzen ein rasse­typisches Krankheitsbild und Merkmal zugleich. © Rony Michaud, pixabay.com
Seit längerer Zeit zeichnet sich zum Leid vieler Hunde der Trend ab, ihnen gezielt einen kurzen, runden Kopf anzuzüchten. Dadurch schieben sich Ober-und Unterkiefer mitsamt allen umliegenden Strukturen zusammen und werden ineinander gepresst. Bei der von Menschen gemachten Kurz- oder Rundköpfigkeit (Brachyzephalie) ist die Haut über der Nase und im Gesicht in Falten gelegt. Die Augen treten hervor und der Schädel ist kugelrund geformt. Dadurch entsteht ein Kindchenschema, das offensichtlich viele Menschen anspricht. Bestimmte Hunde wurden daher nach und nach auf immer rundere Köpfe mit kurzen Schnauzen und großen, hervorstehenden Kulleraugen gezüchtet. Solche Hunderassen, zu denen unter anderem der Mops, die Französische Bulldogge oder der Boston Terrier gehören, sind Modehunde, die als besonders niedlich gelten und in der Öffentlichkeit allgegenwärtig sind. Doch durch die angezüchtete Kurz- beziehungsweise Rundköpfigkeit leiden die Tiere an Atemnot. In besonders schweren Fällen kann diese sogar phasenweise zur Bewusstlosigkeit führen, da das Gehirn nur ungenügend mit Sauerstoff versorgt wird. Bei längerer Dauer führt das zu Gehirnschäden oder schlimmstenfalls zum Tod. Anstrengung, stressige Situationen oder hohe Umgebungstemperaturen verstärken die Atemnot. Da diese Rassen ihre Körpertemperatur nur schwer regulieren können, besteht außerdem die Gefahr, einen Hitzschlag zu erleiden
 
Seltsame Schönheitsideale
Doch die Kurzköpfigkeit ist kein Einzelfall. Nackthunde und Nacktkatzen zählen ebenfalls zu den Qualzuchten: Die haarlos gezüchteten Tiere haben eine Immunschwäche, Gebissfehlstellungen, frieren schnell, bekommen rasch einen Sonnenbrand und ihre Nachkommen sind oft nicht lebensfähig. Bei rein weißen Katzen gibt es problematische Züchtungen, die aufgrund einer genetischen Kopplung mit der Fellfärbung taub sein können. Und auch vor den kleinen Heimtieren macht die Qualzucht nicht halt: So gibt es auch unter den Meerschweinchen nackte Rassen. Manche Widderkaninchen leider unter ihrer überproportionalen Ohrlänge, die sie in ihren Bewegungen behindert. Zudem wird über die großen Ohren zu viel Körperwärme abgeführt.
 
Augen auf beim Tiereinkauf
forum sprach mit Lisa Hoth, der Fachreferentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund.
 
© Lisa Hoth© Lisa Hoth
Was raten Sie Menschen, die sich für Hunderassen wie den Mops interessieren?
Ich kann von der Anschaffung eines kurzköpfigen Hundes nur abraten. Liegt eine Qualzucht vor, muss ein Tier meist immer wieder medizinisch behandelt werden. Zukünftige Hundebesitzer können die Entwicklung dieser Rassen maßgebend beeinflussen. Wird der kurzköpfige Hund nicht mehr gekauft, wird sich auch das Zuchtziel ändern.
 
Welche Hilfe gibt es für kurzköpfige Hunde?
Manchen Hunden kann operativ geholfen werden. Oft sind allerdings mehrere Eingriffe über einen längeren Zeitraum notwendig. Die Kosten für eine solche Behandlung liegen bei 700 bis 4.000 Euro. Nachkontrollen und Folgebehandlungen bei Komplikationen sind hier noch nicht eingerechnet. Es ist absurd, dass der Mensch einen Hund nach einem falschen Idealbild anatomisch so krank züchtet und ihn anschließend operieren lässt.
 
Warum lässt sich diese Art der Zucht nicht verbieten?
Das Qualzuchtgutachten gibt nur einen kleinen Ausschnitt der betroffenen Tierarten wieder, und es umfasst auch nicht die aktuellen Entwicklungen der letzten Jahre. Diese Tatsache bereitet dem Vollzug Schwierigkeiten. Im Moment können Ämter und Gerichte immer nur Einzelfallentscheidungen treffen, nicht aber bestimmte Zuchtlinien generell ausschließen.
 
Was fordern Sie?
Es braucht dringend eine Erweiterung des Paragraf 11b des Tierschutzgesetzes oder ein zusätzliches Gesetz, das klar definiert, was als Qualzucht gilt. Nicht nur die Zucht, sondern auch die Haltung und der Verkauf von Tieren aus Qualzucht sollten verboten ­werden.
 
Kaum rechtlicher Schutz
Das Tierschutzgesetz legt in Paragraf 1 fest, dass einem Wirbeltier ohne vernünftigen Grund keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden dürfen. Paragraf 11b, der sogenannte Qualzuchtparagraf, besagt, dass es verboten ist, Wirbeltiere zu züchten, wenn als Folge bei der Nachzucht Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen, untauglich sind oder derart umgestaltet sind, dass hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten. Auch ist die Zucht untersagt, wenn die Nachkommen in der Haltung unter Schmerzen leiden, die vermeidbar gewesen wären. Übersetzt heißt das, dass extreme Züchtungen nach dem deutschen Tierschutzgesetz eigentlich verboten sind. Die Formulierung im Tierschutzgesetz ist jedoch schwammig und die Behörden haben Schwierigkeiten, Verstöße rechtlich zu verfolgen. Allerdings gibt es zusätzlich ein Qualzucht-Gutachten des damaligen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten von 1999, an dem der Deutsche Tierschutzbund von Anfang an mitgearbeitet hat. Es soll den Behörden helfen, diese Züchtungen zu erkennen und konkret dagegen vorzugehen. Doch die Veterinärämter und Juristen brauchen noch mehr konkrete Vorgaben, die einen besseren Vollzug ermöglichen. Leider sind viele Rassestandards immer noch so konzipiert, dass die Zuchtziele mit manchen Aspekten einer Qualzüchtung verbunden sind.

Nadia Wattad arbeitet seit 2014 als Redakteurin beim Deutschen Tierschutzbund. Für das Mitgliedermagazin DU UND DAS TIER schreibt sie über die Tierschutzthemen, die den Verband bewegen – von Heimtieren, über Tiere in der Landwirtschaft und in der Natur bis hin zu Tierversuchen und Alternativmethoden.

Umwelt | Naturschutz, 01.03.2019
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2019 - Time to eat the dog erschienen.
     
        
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