Klimawandel
Jetzt ist er spürbar da!
Der Klimawandel ist wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Im Interview erklären die B.A.U.M.-Vorstände Dieter Brübach und Martin Oldeland, warum das Thema aktueller denn je ist.
Herr Oldeland, Herr Brübach, der Klimawandel ist mit #FridaysForFuture und Greta Thunberg in die öffentliche Diskussion zurückgekehrt. Ist das Thema wieder aktuell?
Oldeland: Das Thema war immer aktuell – und in Fachkreisen hat die Debatte auch nie nachgelassen. So beeindruckend und notwendig ich den Protest der Schülerinnen und Schüler finde: Ich glaube, dass noch weitere Aspekte das neu erwachte öffentliche Interesse befördert haben. Da ist zum einen der heiße und besonders trockene Sommer, der den lange beschworenen Klimawandel für die Menschen fühlbar gemacht hat – auch wenn es zwischen Wetter und Klima einen wichtigen Unterschied gibt, wie Wissenschaftler ja immer wieder betonen. Zum anderen nehmen die Menschen die Veränderungen in der Politik – z. B. in den USA und Brasilien – wahr, die zunehmende Abkehr vom Multilateralismus, wodurch die in Paris vereinbarten Ziele und weitere Abkommen in Gefahr geraten. Die Politik verspielt zunehmend das Vertrauen der Menschen in Bezug auf die Lösung der Klimaherausforderungen.
Brübach: Das in Paris von der Weltgemeinschaft beschlossene und gefeierte Klimaschutzziel – den Temperaturanstieg weltweit auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen – wird zunehmend schwieriger zu erreichen sein. Auch Deutschland wird die noch 2017 seitens der Bundesregierung bekräftigten Klimaschutzziele für das Jahr 2020 krachend verfehlen – Ergebnis einer wenig ambitionierten und wenig wirksamen Klimapolitik.
Was müsste die Politik tun?
Brübach: Energiewende und Klimaschutz brauchen neuen Schwung. Bei der Energiewende hakt es. Weder beim Netzausbau noch beim erweiterten Einsatz erneuerbarer Energien geht es voran wie eigentlich nötig. Die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung ist immer noch nicht auf den Weg gebracht. Im Bereich Verkehr sind die CO2-Emissionen seit 1990 sogar angestiegen. Elektroautos sind weit von nennenswerten Zulassungszahlen entfernt und eine umfassende Verkehrswende nicht in Sicht. Ein Tempolimit auf Autobahnen widerspricht angeblich dem gesunden Menschenverstand. So kann Klimaschutz nicht vorankommen!
Zumindest der Kohleausstieg wird ja nun Realität…
Oldeland: … aber schon mit Hintertür. Es war sicherlich eine gute Maßnahme, dass die Bundesregierung in der sog. Kohle-Kommission, die ja eigentlich „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" im Titel trägt, alle Akteure an einen Tisch geholt hat. Nun muss sich zeigen, wie der ausgehandelte Kompromiss in politisches Handeln umgesetzt wird. Einzelne führende Politiker der Koalition sprechen aber schon von der Unverbindlichkeit der Fristen und dem Recht, diese ggf. anzupassen. Aus unserer Sicht sollte der Ausstieg eher früher als später erfolgen. Das Klimaschutzgesetz, das die Bundesregierung für 2019 plant, muss nun schnell kommen und verbindliche Vorgaben machen.
B.A.U.M. ist ein Unternehmensnetzwerk. Was bedeutet eine zu zaghafte Klimapolitik für die Wirtschaft?
Oldeland: Die Chancen auf Innovation und wirtschaftliche Entwicklung könnten im Exportland Deutschland viel stärker genutzt werden. Andere Länder wie z. B. China übernehmen derzeit die technologische Führerschaft in wichtigen Segmenten der Umwelt- und Klimatechnologie. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) verwies in seinem Positionspapier „Klimapfade für Deutschland" auf Studien, wonach das Weltmarktvolumen der wichtigsten Klimatechnologien bis 2030 auf 1-2 Billionen Euro pro Jahr wachsen wird. Wir wissen nicht, ob Deutschland daran noch einen nennenswerten Anteil haben wird.
Was fordern die Unternehmen konkret?
Brübach: Unternehmen erkennen zunehmend die Bedeutung des Klimaschutzes für die Zukunft: nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für ihr eigenes Wohlergehen. Eine Ende 2017 von B.A.U.M. gemeinsam mit der Stiftung 2° und Germanwatch initiierte Unternehmenserklärung zum Klimaschutz forderte mehr Energieeffizienz, eine wirksame CO2-Bepreisung, einen Ausstiegspfad bei der Kohleverstromung und den Einstieg in die Verkehrswende. Mehr als 50 namhafte große wie mittelständische Unternehmen – darunter viele B.A.U.M.-Mitglieder – haben diese Erklärung unterzeichnet. Das Echo in Politik und Medien auf diese Erklärung war erfreulicherweise groß – sogar die Tagesschau berichtete.
Oldeland: B.A.U.M. versteht sich auch als starke Stimme klimaengagierter Unternehmen. Daher haben wir im Herbst 2018 die Plattform „Wirtschaft pro Klima" neu aufgelegt. Partner ist das Deutsche Klima Konsortium (DKK). Es finden hier Unternehmen zusammen, die sich für Klimaschutz aussprechen und auch im eigenen Unternehmen in Richtung Klimaneutralität vorankommen möchten. Von den gesammelten Bekenntnissen pro Klimaschutz soll ein starkes Signal aus der Wirtschaft an die Politik ausgehen. Gleichzeitig sollen die klimaengagierten Unternehmen vernetzt und durch Veranstaltungen, Kommunikation und Informationstools dabei unterstützt werden, Klimaneutralität zu erreichen. Weitere interessierte Unternehmen sind willkommen.
Klimaneutralität: was heißt das für die Unternehmen?
Brübach: EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete hat im Rahmen der Weltklimakonferenz Ende 2018 in Kattowitz eine Strategie vorgeschlagen, wie Europa als erste Volkswirtschaft der Welt bis 2050 klimaneutral wird. Dieser Anspruch wird auch an die Privatwirtschaft gestellt und lässt sich durchaus auch erreichen: durch eine ständige Reduktion von Emissionen und durch Kompensationsleistungen für Emissionen, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vermeidbar sind. Dafür werden die nicht vermiedenen Emissionen erfasst und durch Unterstützung entsprechender Klimaschutzprojekte an andere Stelle eingespart. Das ist kein „Ablasshandel", wie oft geschimpft wird, sondern durchaus zulässig. Klimawandel ist ein globales Problem und muss somit auch global gelöst werden: wo die Emissionen gespart werden, ist letztendlich nicht relevant.
Oldeland: Entscheidend ist aber, dass in die richtigen Klimaschutzprojekte investiert wird, denn die Projekte unterscheiden sich sehr in ihrem Anspruch und in ihrer Qualität. Es gibt Qualitätssiegel und Zertifizierungssysteme, die entsprechende Anforderungen sicherstellen. Aufgabe von B.A.U.M. ist es auch, die Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität und bei der Auswahl geeigneter Klimaschutzprojekte zu unterstützen.
Herr Oldeland, Herr Brübach, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Dieter Brübach und Martin Oldeland sind Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands des Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) e.V. Diese erste überparteiliche Umweltinitiative der Wirtschaft wurde 1984 gegründet und ist heute mit über 500 Mitgliedsunternehmen europaweit das größte Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften. B.A.U.M. unterstützt seine Mitglieder in Fragen des unternehmerischen Umweltschutzes und nachhaltigen Wirtschaftens. Der Schwerpunkt liegt auf praxisorientiertem Erfahrungsaustausch und Service.
Umwelt | Klima, 01.03.2019
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2019 - Time to eat the dog erschienen.
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