UN-Weltwasserbericht 2019
„Niemanden zurücklassen“
2,1 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem und durchgängig verfügbarem Trinkwasser. 4,3 Milliarden Menschen können keine sicheren Sanitäranlagen nutzen. Besonders betroffen sind dabei ohnehin diskriminierte Gruppen. Das zeigt der Weltwasserbericht 2019 „Niemanden zurücklassen", den die UNESCO im Auftrag der Vereinten Nationen erstellt hat.
"Sicheres Wasser und sichere sanitäre Einrichtungen sind Menschenrechte. Doch für Milliarden Menschen sind diese Rechte nicht verwirklicht: Über 2 Milliarden leben ohne sicheres Trinkwasser, 844 Millionen müssen mindestens eine halbe Stunde täglich für die Wasserbeschaffung aufwenden oder sie haben gar keinen Zugang. Das müssen wir ändern durch höhere und effektivere Investitionen in die Infrastruktur wie Wasseranschlüsse und Sanitärversorgung, gerechte Gebühren sowie mehr Forschung und Innovation", fordert Ulla Burchardt, Vorstandsmitglied der Deutschen UNESCO-Kommission.
Selbst in Europa und in Nordamerika haben den aktuellsten Daten zufolge 57 Millionen Menschen keine Wasserleitungen in ihren Häusern. Auch der Zugang zu grundlegenden Sanitäranlagen bleibt 36 Millionen Menschen in Europa und Nordamerika verwehrt.
„Die Situation hier in Deutschland ist sehr gut: Fast 100 Prozent aller Haushalte sind an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen und haben Zugang zu sicheren sanitären Anlagen. Unser Trinkwasser erfüllt laut Umweltbundesamt nahezu alle Qualitätsanforderungen", betont Burchardt. „Allerdings gibt es Handlungsbedarf bei den Gewässern, denn nur sieben Prozent der deutschen Flüsse und Bäche sind in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand. Deshalb brauchen wir unter anderem eine neue Landwirtschaftspolitik", so Burchardt weiter.
Erneuerbare Wasserressourcen unter Druck
Über zwei Milliarden Menschen weltweit leben in Staaten mit hohem Wasserstress. In diesen Staaten werden mehr als ein Viertel der erneuerbaren Wasserressourcen genutzt. Jüngste Schätzungen zeigen, dass über 50 Staaten von Wasserstress betroffen sind: 31 Länder nutzen zwischen 25 Prozent und 70 Prozent der erneuerbaren Wasserressourcen wie etwa Mexiko oder China, weitere 22 Länder mehr als 70 Prozent. Dazu zählen beispielsweise Ägypten oder Pakistan.
Ulla Burchardt erklärt: „In Deutschland werden seit 15 Jahren weniger als 20 Prozent der erneuerbaren Wasserressourcen genutzt. Wir sind hier also auf dem richtigen Weg. Doch wir sind Mitverursacher der großen Probleme in anderen Weltregionen - durch den Import etwa von Baumwolle oder Rindfleisch, deren Herstellung teils gewaltige Wasserressourcen benötigt."
Erhebliche Unterschiede zwischen und innerhalb von Ländern weltweit
Die Hälfte der Menschen weltweit mit unzureichendem Zugang zu sicherem Trinkwasser lebt in Afrika. Lediglich 24 Prozent der Bevölkerung Subsahara-Afrikas haben Zugang zu sicherem Trinkwasser. Nur 28 Prozent nutzen sanitäre Einrichtungen, die sie nicht mit anderen Haushalten teilen müssen.
Doch nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb von Ländern stellen die Autoren des Weltwasserberichts große Unterschiede fest – zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land. Slum-Bewohner zahlen häufig zehn bis zwanzig Mal so viel für Wasser wie Bewohner von wohlhabenden Vierteln und erhalten dafür Wasser von oft schlechterer Qualität.
Dabei sind Stadtbewohner meist weiterhin bessergestellt als Bewohner ländlicher Regionen. Im Jahr 2015 hatten nur zwei von fünf Personen in ländlichen Regionen Zugang zu fließendem Wasser, hingegen vier von fünf Personen in urbanen Räumen. In Städten waren 63 Prozent der Haushalte an ein Abwassersystem angeschlossen, in ländlichen Gebieten dagegen nur 9 Prozent.
Benachteiligte am stärksten betroffen
Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts, Alters, sozioökonomischen Status, ethnischen, religiösen oder sprachlichen Identität ohnehin benachteiligt oder diskriminiert werden, haben seltener Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen als andere.
Im Jahr 2010 verfügten beispielsweise 40 Prozent der First Nation-Gemeinschaften in Kanada über lediglich minderwertiges Trinkwasser. Bei indigenen Völkern in Kanada wurde daher eine überproportional hohe Anzahl der jährlich 90.000 Erkrankungen, die in Verbindung mit kontaminiertem Trinkwasser stehen, festgestellt.
Geflüchtete besonders gefährdet
Für Geflüchtete und Binnenvertriebene bestehen häufig hohe Hindernisse beim Zugang zu Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. In Kolumbien etwa, wo zwischen Mai und Juni 2018 mehr als 440.000 Menschen aus dem benachbarten Venezuela ankamen, fehlt in den Grenzstädten eine ausreichende sanitäre Infrastruktur.
Auch in dauerhaften Flüchtlingslagern ist die Wasserversorgung häufig besorgniserregend. In jordanischen Lagern nahe der syrischen Grenze stehen beispielsweise etwa 35 Liter Wasser pro Tag zur Verfügung, entgegen dem von der jordanischen Regierung für Bürger in Städten außerhalb von Amman festgelegten Ziel von 100 Liter pro Tag.
Doch auch der entgegengesetzte Fall kann eintreten, wenn humanitäre Hilfe Geflüchteten mehr Wasser als der lokalen Bevölkerung zur Verfügung stellt. Im südsudanesischen Maban etwa erhalten Flüchtlinge täglich 20 Liter Wasser. Anwohner hingegen gewinnen ihr Wasser per Hand aus einem Brunnen und kommen nur auf knapp 15 Liter Wasser pro Person und Tag. Spannungen sind häufig die Folge.
Empfehlungen
Um Ungleichheiten wirksam zu bekämpfen, empfehlen die Autoren des UN-Wasserberichts mehr Mut zu unkonventionellen Lösungen. Oft seien die besten Lösungen einfach zu teuer, so dass vielmehr auf die geeignetsten Lösungen gesetzt werden sollte. Sie empfehlen angesichts voraussichtlich gleichbleibender Investitionen mehr Systemeffizienz. Auch transparente und zielgerichtete Subventionen – gerade Quersubventionierung von benachteiligten Gruppen – bleibe ein wesentlicher Teil der Lösung. Mehr Flexibilität in den Gebührenstrukturen könne laut den Autoren zudem das Leistungsniveau für die verschiedenen und vor allem für marginalisierte Zielgruppen verbessern. Leitbild für die Umsetzung der Empfehlungen sollen eine „Good Governance" (verantwortliche staatliche Steuerung) und menschenrechtsbasierte Ansätze sein, um hierarchische Machtstrukturen zu überwinden und Rechenschaftspflicht, Transparenz, Legitimität, Bürgerbeteiligung, Gerechtigkeit und Effizienz zu steigern.
Hintergrund
Der Weltwasserbericht der Vereinten Nationen wird jährlich durch die UNESCO und deren World Water Assessment Programme (WWAP) für UN-Water erstellt. Dazu arbeiten 31 UN-Organisationen mit der UNESCO zusammen. Von 2003 bis 2012 erschien der Bericht alle drei Jahre. Seit 2014 wird er jährlich mit einem Themenschwerpunkt herausgegeben. Am 22. März ist Weltwassertag.
Hier finden Sie weitere Informationen und verschiedene Texte zum Weltwasserbericht.
Umwelt | Wasser & Boden, 20.03.2019
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