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Neue Strategien zur Gebäudekühlung

Bedingt durch den Klimawandel und die zunehmende Ausbildung von ausgeprägten Wärmeinseln im städtischen Bereich ist zu erwarten, dass die Anzahl der Klimaanlagen zur Raumkühlung und damit der Stromverbrauch im Sommer in städtischen Gebieten enorm steigen wird. Die von den Klimaanlagen zusätzlich generierte Abwärme hat wiederum einen unerwünschten Effekt auf das ­Mikroklima, der sich in weiterer Folge negativ auf die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen auswirken wird. Dies hat das österreichische Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) früh erkannt und forscht im Rahmen der Projekte „Haus der Zukunft" bzw. seit 2013 „Stadt der Zukunft" intensiv im Bereich der nachhaltigen und energieeffizienten Gebäudekühlung. Die geförderten Maßnahmen dienen der Erforschung und Entwicklung innovativer und energieeffizienter Kühlsysteme. Sie reichen dabei von Photonic Cooling über solarthermische Kühlanlagen bis hin zu stiller Kühlung und „Energieschwämmen".
 
Photonische Kühlung weckt hohe Erwartungen
Die Kühlung von Gebäuden und ganzen Stadtteilen wird in Zeiten des Klimawandels zur Herausforderung: Das Projekt SolarCooling Monitor bewertete die Leistung von zehn neu installierten solarthermischen Kühlanlagen. © Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNBBei der energiesparenden Strahlungskühlung durch Photonik sollen Materialien auf Dächer und Fassaden aufgebracht werden, die dort gespeicherte Wärme verstärkt an die Umgebung abgeben und somit eine Gebäudekühlung hervorrufen. Was gut klingt hat noch gehörige Schwierigkeiten zu überwinden. Das Projekt „Photonic Cooling – Effizientere Gebäudekühlung durch Nutzung von Photonik" sollte deshalb untersuchen, ob Strahlungskühlung speziell an sonnigen und klaren Tagen zur Reduktion von Wärmeinseln im städtischen Bereich sowie zur Verminderung des Stromverbrauchs von Klimageräten beitragen kann. Konkret wurden dabei kostengünstige photonische Oberflächen und Konzepte evaluiert, die einerseits eine große Reflexion der einfallenden Solarstrahlung (>97 Prozent) aufweisen und andererseits die Wärmeabstrahlung im Wellenlängenbereich zwischen 8 und 13 Mikrometer nicht behindern. Genau diese Strahlung kann die Erdatmosphäre durchdringen und auf diese Weise die Gebäudewärme direkt ins All abgegeben, ohne dabei die Atmosphäre aufzuheizen. In der Regel scheitert das Konzept zur Nutzung der photonischen Strahlungskühlung tagsüber daran, dass mehr Wärmeleistung durch solare Einstrahlung und/oder durch die warme Umgebungsluft aufgenommen wird als mittels Wärmestrahlung abgegeben werden kann. Obwohl der grundlegende Ansatz schon über einen längeren Zeitraum verfolgt wurde, ist es, bedingt durch die ständige technologische Weiterentwicklung sowie durch den zunehmenden Erkenntnisgewinn über die Wirkung von optischen und photonischen Strukturen, erst kürzlich gelungen, eine nennenswerte Kühlleistung auch während des Tages zu realisieren. Grund genug, das Verfahren wissenschaftlich zu untersuchen.
 
Fazit der Messungen und Versuche
Bei der Strahlungskühlung werden Materialien auf Dächer aufgebracht, die dort gespeicherte Wärme verstärkt an die Umgebung abgeben und somit eine Gebäudekühlung hervorrufen. © Joanneum ResearchDie Projektberechnungen des Einflusses von Klimaanlagen-Abwärme auf das städtische Mikroklima deuten darauf hin, dass die benötigte elektrische Energie zur Gebäudekühlung von derzeit 22 GWh/Jahr auf 95 (33 - 189) GWh/Jahr bis zum Jahre 2050 ansteigen wird. Es gilt also zu handeln! Im Testbereich der Photonic Cooling-Technologie wurden deshalb effiziente Funktionsmuster mit kostengünstigen, kommerziell verfügbaren Materialien realisiert und anschließend deren Wärmeabstrahlungsleistung experimentell bestimmt. Für die günstigsten Ausführungsformen von Photonic Cooling erfolgten Anmeldungen zum Patent. Aus einer im Rahmen des Projektes durchgeführten SWOT-Analyse lässt sich jedoch eine wesentliche Schlussfolgerung ziehen: Aus aktueller Perspektive bietet sich mittelfristig kein kommerzielles Verwertungspotenzial für Photonic Cooling. Das ökonomische Potential von Photonic Cooling lässt sich nur langfristig in Kombination mit innovativen Kühlkonzepten erschließen.
 
Solar-thermische Kühlanlagen auf dem Prüfstand
Beim Projekt SolarCooling Monitor erfolgte eine Evaluierung von zehn neu installierten solarthermischen Kühlanlagen in Österreich sowie einer Großanlage in Lissabon. Die Ermittlung der Performance dieser Anlagen mittels Monitoring-Auswertung und Vergleichssimulationen sollte darüber Auskunft geben, wie ein Technologiesprung von Passivhäusern mit hoher Energieeffizienz zu Plusenergiegebäuden zu schaffen ist. Dafür scheint neben einer Reduktion des Heizwärme- und Kühlbedarfs des Gebäudes an sich die Integration von erneuerbaren Technologien zur Heizung und Kühlung unabdingbar. Solarthermische Kühlung bietet im Bereich Gebäudeklimatisierung große Potenziale zur CO2-Einsparung, Vermeidung von Sommerstromspitzen und Primärenergie-Einsparung. Ziel dieses Projektes war es, einen Überblick sowohl über die derzeitige Ausführungsqualität von solaren Kühlanlagen in Österreich als auch zu Energieeffizienz und Betriebsverhalten zu schaffen und Optimierungspotenziale für die nächste Generation von solaren Kühlanlagen aufzuzeigen.
 
Die Potenzialabschätzungen anhand dynamischer Simula­tionen haben gezeigt, dass das Optimum hinsichtlich Primär­energie-Einsparung in keiner der untersuchten solaren Kühlanlagen erreicht wurde. Die verhältnismäßig niedrigen Leistungen lassen sich auf ineffiziente Komponenten (Pumpen, Rückkühlung), zu komplexe Anlagentechnik, nicht optimale Auslegung der Gesamtanlage oder regelungstechnische Fehler zurückführen.
 
Lediglich solargestützte Desiccant Evaporative Cooling (DEC) Anlagen nehmen eine Sonderstellung für den österreichischen Markt ein, da durch das Feuchte-Rückgewinnungspotenzial im Winter sehr hohe Primärenergie-Einsparungen im Vergleich zu Referenz-Anlagen mit konventionellen Technologien erzielt werden können. Hinweis der Redaktion: Unter DEC versteht man die Kühlung der Luft durch Befeuchtung mit Wasser nach vorheriger Trocknung und Rückkühlung. Dieses Kühlverfahren kommt ohne Kältemittel und Kompressor aus und wird hauptsächlich zur Kühlung der Zuluft in raumlufttechnischen Anlagen eingesetzt.
 
Fazit der Untersuchungen
Nur bei einer sorgfältigen Planung, Ausführung und Betriebsüberwachung sind Primärenergie-Einsparungen bis zu 80 Prozent, bezogen auf konventionelle Kühltechnologien, erzielbar. Die Qualitätssicherung spielt eine wichtige Rolle. Das im Projekt erlangte Know-how wollen das BMVIT und das AIT – Austrian Institute of Technology gemeinsam mit ihren Partnern in der Baubranche verbreiten, sowie leicht handhabbare Auslegungstools zur Verfügung stellen.
 
Stille Kühlung auf dem Vormarsch
Die stille Kühlung in Verbindung mit der Entfeuchtung nach dem Schwammprinzip vereinigt viele Vorteile: Sie ist energiesparend durch Nutzung physikalischer Effekte, leise durch die Vermeidung von Gebläse und gesund durch die angenehme Strahlungskühle sowie Vermeidung von Zugluft. © Joanneum ResearchKonventionelle Klimatisierungssysteme sind energieintensiv, ihre Zugluft ist unangenehm, mit gesundheitlichen Risiken verbunden und geräuschintensiv. Deshalb entwickelt sich ein Trend zu sogenannten „stillen" Kühlsystemen. Darunter versteht man Flächenkühlungen, welche z.B. in Decken eingebaut werden und über ein Abkühlen der Oberfläche Räume ohne eingeblasene Kaltluft temperieren können. Dies wird als weitaus behaglicher empfunden als die gekühlte Zugluft. Diesen angenehmen Effekt der Strahlungskühle oder auch Strahlungswärme kennt man z.B. von kühlenden „alten Gemäuern" im Hochsommer oder Kachelöfen und Fußbodenheizungen im Winter. Außerdem benötigt Strahlungskühle, im Vergleich zu konventioneller Konvektionskühlung, weniger Energie, da Strahlungskühle bei geringerer Absenkung der Raumtemperatur den gleichen wahrgenommenen Effekt erzeugt. Zusätzlich benötigen stille Kühlungen geringere Spreizungen zwischen Vorlauf- und Rücklauftemperatur der Kühlflüssigkeit und können generell mit höheren Temperaturen angefahren werden, was zu Energie-Ersparnissen führt.
 
Herausforderung Taupunkt
Bei konventionellen stillen Kühlsystemen gibt es trotz aller Vorteile zwei Herausforderungen: Zum einen darf die gekühlte Oberfläche niemals den Taupunkt (abhängig vom Raumklima, meist ca. 16°C) unterschreiten, sonst bildet sich Kondenswasser an der kühlen Oberfläche. Dieses Kondenswasser kann zu Flüssigkeitsschäden führen oder die biologische Lebensgrundlage für Keime und Schimmel schaffen. Daher muss bei konventionellen stillen Kühlungen eine Regelung verbaut werden, die sicherstellt, dass die gekühlten Flächen niemals den Taupunkt unterschreiten. Die Folge: Man braucht große Kühlflächen.
 
Zum anderen erhöhen stille Kühlelemente die relative Luftfeuchtigkeit, da die kühle Luft weniger Feuchtigkeit aufnehmen kann. Die Folge: Man sollte mit einer konventionellen stillen Kühlung immer auch ein zusätzliches, entfeuchtendes Lüftungssystem einbauen.
 
Kühlen 2.0 – einfach genial!
Will man die hohe Leistung sowie Entfeuchtungsfunktion konventioneller Klimatisierung und die Effizienz und Behaglichkeit stiller Kühlsysteme verbinden und gleichzeitig auf ein entfeuchtendes Lüftungssystem verzichten, muss im Bedarfsfall eine Taupunkt-Unterschreitung im Flächenkühlelement möglich sein. Durch die dann bewusst akzeptierte Kondensation wird die Luft entfeuchtet und das anfallende Kondensat muss entweder im Kühlkörper gespeichert oder gezielt abgeführt werden, um die bereits erwähnten Negativwirkungen zu beseitigen.
 
Eine Speicherung im Raum erweist sich als vorteilhaft gegenüber dem Abführen, da durch das Rückverdunsten nach Abschalten der Anlage weiter gekühlt wird. Das klingt kompliziert, doch das Prinzip ist simpel. Bei Kondensation entsteht Wärmeenergie, welche über das Kühlsystem abgeführt werden muss und somit nicht zur Kühlung des Raumes beiträgt. Wird das Kondensat nun als flüssiges Wasser abgeführt, ist diese Energie verloren. Verdampft das flüssige Kondensat jedoch wieder, wird die gespeicherte Kühlenergie, ähnlich wie beim Schwitzen, freigesetzt. Damit wirkt die Kälteenergie im Verdunstungsprozess kühlend auf den Raum, anstatt im Abflussrohr verlorenzugehen. Diesen Effekt der Verdunstungskälte kennt man von Tonkrügen, Lehmputzen, Fassadenbegrünungen und Wasservorhängen. Um diesen Effekt bei modernen Flächenkühlungen zu erreichen, sind deshalb besondere Eigenschaften gefragt.
 
Die Lösung zeigt der Schwamm
Zur gewünschten Speicherung und Wiederverdunstung im Kühlkörper ist ein durchgehend poröses, feuchtebeständiges Material gefragt, das das Kondensat ähnlich einer Schwammstruktur aufnehmen und wieder abgeben kann. Dies wird technisch erreicht, indem die von kaltem Wasser durchflossenen Kühlregister in optimierten Schaumbeton gebettet werden. Der Porenanteil sowie die Porengrößen stellen sicher, dass die Kondensation innerhalb des Kühlelements selbst stattfindet. Das Kondensat wird dort gespeichert und die Oberfläche bleibt trocken. Wenn die Kühlung abgeschaltet wird, verdunstet die gespeicherte Feuchtigkeit und setzt damit Kühlenergie frei. Dies sorgt für maximale Effizienz des Systems. Durch den Entfall der Taupunktregelung steigt die Betriebssicherheit, da die Komplexität sinkt. Dieses Funktionsprinzip wurde in einer von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Feasibility-Studie von der TU Wien in Zusammenarbeit mit Obkircher Plus, einem Ingenieurbüro für technische Gebäudeausrüstung und technische Physik, untersucht und bewiesen. Die Entwicklung zum marktreifen Produkt mit dem Titel „Art of Climate" befindet sich in der finalen Phase, die ersten Referenzanlagen laufen laut Aussagen der Beteiligten einwandfrei. Die technischen Finessen sind mit zwei Patentanmeldungen geschützt.
 
Fazit des praxisnahen Projektes
Die stille Kühlung in der Art of Climate Technologie kann kurzfristig am Markt etabliert werden.
 

Technik | Green Building, 01.06.2019
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2019 - Afrika – Kontinent der Entscheidung erschienen.
     
        
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