Keine Zeit für Klimaschutz?
Christoph Quarch erinnert zur COP29 daran, trotz Regierungskrise, Wirtschaftskrise, Inflation und Krieg in der Ukraine eine effiziente Klimapolitik zu verfolgen
Alle Jahre wieder … im November tagt die Weltklimakonferenz – nun schon zum 29. Mal. Gastgeber der diesjährigen COP29 ist Aserbeidschan, ein Land dessen Exportwirtschaft zu 90 Prozent aus dem Handel mit fossilen Brennstoffen besteht. Die Erwartungen an die Konferenz sind deshalb nicht sonderlich hoch; und sie werden zusätzlich getrübt durch das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in den USA, die mit Donald Trump einen ausgewiesenen Klimaleugner ins Weiße Haus befördert haben. Das ist bedenklich, denn die Dringlichkeit wirkungsvoller Klimaschutzmaßnahmen steigt. Erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen wird die Klimaerwärmung in diesem Jahr die kritische 1,5 Grad-Grenze überschreiten. Die Alarmglocken klingeln hierzulande gleichwohl nicht. Woran liegt das das? Darüber reden wir mit dem Philosophen Christoph Quarch.
Herr Quarch, wie erklärt sich der Philosoph, dass die Klimakrise in unseren Breiten keine besondere Aufmerksamkeit mehr auf sich lenkt?

Aber wie kommt es, dass Politiker bei den Wählern punkten können, wenn sie die Herausforderungen des Klimawandels beiseiteschieben und Klimapolitik als etwas Nebensächliches abtun? Das funktioniert doch nur, wenn die Menschen auf diese Haltung anspringen.
Diese Frage treibt mich auch um. Es ist ja nicht lange her, dass Klimaschutz auf der politischen Agenda in Deutschland ganz oben stand. Aber dann wählten wir eine Bundesregierung und einen grünen Wirtschaftsminister, die mit den Klimaschutz-Vorgaben von UNO und EU ernst zu machen versuchten, doch dann plötzlich wollte niemand mehr etwas davon wissen. Ich denke, das hat zwei Gründe, die sich gegenseitig puschen. Erstens wurde alles Grüne – völlig ungeachtet seiner Dringlichkeit und Sinnhaftigkeit – zum Feindbild von AfD und Union, die sich zweitens davon versprechen, eine reformunwillige und missmutige Bevölkerung als Wähler zu gewinnen.
Machen Sie es sich damit aber nicht ein bisschen leicht. Sie tun so, als sei das mangelnde Interesse an Klimapolitik das Produkt politischer Stimmungsmache. Aber hat es nicht auch damit zu tun, dass es gegenwärtig einfach dringlichere Themen gibt: Regierungskrise, Wirtschaftskrise, Inflation, Krieg in der Ukraine – um nur ein paar Stichworte zu nennen.
Nein, ich glaube nicht. Rechtspopulisten schüren ja bereits seit langem Zweifel an der Dringlichkeit einer effizienten Klimapolitik – wenn sich nicht gleich den kompletten Klimawandel leugnen - , um all diejenigen für sich zu gewinnen, die in keiner Weise bereit sind, sich selbst oder ihren Lebenswandel zu verändern: Menschen, die den Verbrennungsmotor und die Ölheizung für ihre Identitätsfindung benötigen und die unter keinen Umständen ihre liebgewonnenen Gewohnheiten preisgeben wollen. Liebgewonnene Gewohnheiten und starre Glaubenssätze sind aber in Zeiten rasanter Veränderungen ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können. Die Automobilindustrie macht ja gerade vor, wohin es führt, wenn man sich den Realitäten verweigert und meint, immer so weitermachen zu können wie bisher: ins Aus.
Aber es ist doch sehr menschlich, am Bewährten und Alten festhalten zu wollen. Menschen, die solches tun, als ignorante Realitätsverweigerer zu beschimpfen, dürfte uns kaum weiterbringen.
Das ist richtig, wir müssen die Menschen mitnehmen. Und hier steht die Politik in der Pflicht. Deshalb ist es unverantwortlich, wenn Leute wie Merz und Söder aus parteipolitischem Kalkül alles Grüne – und damit auch eine mutige Klimapolitik blockieren und bekämpfen. Diese Art von Ignoranz ist unverzeihlich, die Bequemlichkeit und Transformationsmüdigkeit weiter Teile der Bevölkerung hingegen sind nur beklagenswert. Wobei ich nicht glaube, dass man sie damit erklären oder entschuldigen kann, dass sie etwas Menschlich-Allzumenschliches sind. Der Mensch verdankt seinen evolutionären Erfolg vor allem dem Umstand, dass er die Zukunft bewusst antizipieren und sich proaktiv an Veränderungen anpassen kann. Dass wir das in Sachen Klima nicht zu tun bereit sind, scheint mir eher ein Symptom für den Verlust der menschlichsten aller Fähigkeiten zu sein: unserer Kreativität. Das müssen wir ändern.

Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."
In seinem neuen Buch "Begeistern! Wie Unternehmen über sich hinauswachsen" geht's um Fragen wie diese:
Wie kommt der Geist in unsere Unternehmen? – Durch Begeisterung! Und wie entsteht Begeisterung? Anders als die meisten glauben.
Als forum-Redakteur zeichnete Christoph Quarch verantwortlich für den Sonderteil „WIR - Menschen im Wandel".
Gesellschaft | Politik, 14.11.2024

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