Viele Unternehmen unterschätzen Risiken des Klimawandels
Nur etwa die Hälfte der DAX-30-Unternehmen berichtet zu ökonomischen Risiken durch den Klimawandel
Die Folgen des Klimawandels bergen ökonomische Risiken für Unternehmen. Eine aktuelle Studie des Umweltbundesamts (UBA) zeigt, dass nur etwa die Hälfte der DAX-30-Unternehmen öffentlich zu diesen Risiken berichtet. Keines der untersuchten 100 größten Unternehmen informiert darüber, ob die Unternehmensstrategie gegenüber einem stärkeren Klimawandel resilient und mit einer anspruchsvollen Klimaschutzpolitik kompatibel ist. UBA-Präsident Dirk Messner: "Der Klimawandel wirkt sich immer stärker auf unsere Wirtschaft aus. Das haben wir in den vergangenen Jahren bereits gesehen - und mit fortschreitendem Klimawandel werden diese Risiken größer. Mich erstaunt daher, dass viele Unternehmen sich offenbar nicht ausreichend mit den finanziellen Risiken des Klimawandels für ihr Geschäft auseinandersetzen und Klimafolgen langfristig unter die Lupe nehmen. Klimamanagement gehört als ein Baustein des Nachhaltigkeitsmanagements und der Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle in jede Unternehmensstruktur."
Als Ursachen der physischen Risiken des Klimawandels sehen die untersuchten DAX-30-Unternehmen vor allem Extremwetterereignisse, veränderte Niederschlagsmuster und erhöhte Durchschnittstemperaturen. Sie erwarten, dass sich diese Risiken in Produktionsrückgängen, steigenden Rohstoffkosten und Gebäudeschäden auswirken und schätzen die potenziellen Schäden durch die physischen Folgen des Klimawandels auf einen Gesamtwert von mehreren Milliarden Euro in den nächsten zwei bis vier Dekaden. Gleichzeitig gehen die DAX-30 Unternehmen nicht davon aus, dass die relevanten physischen Risiken mittel- bis langfristig deutlich zunehmen werden. Wissenschaftliche Untersuchungen des Umweltbundesamtes zeigen im Gegensatz zu den Einschätzungen der Unternehmen, dass die Schäden durch den Klimawandel in den nächsten Jahrzehnenten deutlich zunehmen werden.
Die Unternehmen sollten dabei auch berücksichtigen, dass die globalen Versorgungsketten mit Rohstoffen und Zwischenprodukten sowie der inländische Warenverkehr über Wasserstraßen zukünftig stärker durch Klimawandelfolgen beeinträchtigt werden können. Sechs Prozent (55 Milliarden Euro) der deutschen Importe und vier Prozent (knapp 50 Milliarden Euro) der Exporte verteilen sich auf zwölf Länder oder Regionen, die als besonders vulnerabel (verwundbar) gegenüber dem Klimawandel gelten (s. Abschlussbericht Folgen des globalen Klimawandels für Deutschland). Bereits in den Sommern 2018 und 2019 führten niedrige Pegelstände durch andauernde Trockenheit zu Lieferengpässen und Produktionseinstellungen bei Unternehmen, die stark vom schifffahrtsbasierten Lieferverkehr abhängig sind. Unternehmen sollten sich daher mit klimabezogenen Risiken auseinandersetzen und - in diesem Beispiel möglicherweise durch angepassten Schiffsbau oder Verkehrsverlagerung auf die Schiene - entsprechend vorsorgen.
Bei den Risiken, die aus Sicht des Unternehmens für die Geschäftsentwicklung wesentlich sein können, werden physische Risiken durch die tatsächlichen Folgen des Klimawandels wesentlich weniger berichtet als Risiken infolge einer wirksamen Klimaschutzpolitik. "Tatsächlich wirkt sich der Klimawandel aber auch auf die Wirtschaft immer stärker aus. Sei es im Inland, als der Schiffsverkehr teils zum Erliegen kam, weil die Flüsse infolge der Trockenheit nicht genug Wasser führten. Sei es im Ausland, wenn etwa eine Flutkatastrophe in Asien dazu führt, dass Lieferketten unterbrochen werden und die heimische Produktion stillsteht", so Dirk Messner.
Um klimabezogene Risiken in den Finanzmärkten wirksam zu berücksichtigen, sollte der Staat Unternehmen zu einer entsprechenden Berichterstattung verpflichten. Mit diesen Informationen können Investoren und Banken klimabezogene Risiken in ihren Portfolios besser erkennen und steuern. "Informationen zur Zukunftsfähigkeit von Unternehmen im Klimawandel sind für Investoren und Kunden zentral. Unternehmen sollten daher stärker verpflichtet werden, umfassend und öffentlich zu klimabezogenen Risiken zu berichten. Das schafft mehr Transparenz und Vergleichbarkeit und stellt die Weichen für mehr Investitionen in klimaresiliente und klimafreundliche Techniken. Der ehemalige Präsident der britischen Zentralbank, Mark Carney, der ein Pionier in diesem Feld ist, weist seit Jahren auf diese Sachverhalte hin", so Dirk Messner.
Unter anderem ein internationales Netzwerk von Zentralbanken und Finanzaufsichten sowie der Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung fordern ebenfalls eine klimabezogene Berichterstattung gemäß den Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD). TCFD besteht aus Experten der Finanz- und Realwirtschaft und wurde vom Financial Stability Board der G20 eingerichtet, um Finanzmarktakteure bei der frühzeitigen Erkennung von klimabezogenen Risiken zu unterstützen. Es ist absehbar, dass klimarelevante Risiken auch stärker als bislang Bestandteil der Novellierung der europäischen Corporate Social Responsibility-Richtlinie (CSR-Richtlinie) sein werden, die große, kapitalmarktorientierte Unternehmen seit 2018 zu einer nichtfinanziellen Erklärung über wesentliche Nachhaltigkeitsrisiken verpflichtet.
Einen Vorschlag für einen einheitlichen Anforderungsrahmen an ein unternehmerisches Klimamanagement hat das UBA in der Studie Klimamanagement in Unternehmen entwickelt. Ein weiteres laufendes Vorhaben befasst sich mit der Evaluierung und Weiterentwicklung der CSR-Berichterstattung.
Weitere Informationen
Der Bericht Management von Klimarisiken in Unternehmen: Politische Entwicklungen, Konzepte und Berichtspraxis ist Teil des bis 2022 laufenden Forschungsvorhabens "Ökonomie des Klimawandels. Neue Managementinstrumente zur Minderung von Klimarisiken in Staat und Wirtschaft", das die Frankfurt School of Finance and Management gemeinsam mit der Munich Climate Insurance Initiative und der Agentur akzente im Auftrag des UBAs durchführt.
Die vorliegende Untersuchung stützt sich auf alle aktuellen Nachhaltigkeitsberichte und Nichtfinanziellen Erklärungen der 100 größten deutschen Unternehmen. Zu letzterem sind im Wesentlichen große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten durch die europäische Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (CSR-Richtlinie) verpflichtet. Außerdem wurde die Berichterstattung der DAX-30-Unternehmen in der Datenbank "Climate Change 2019" von der Organisation CDP sowie einige Nachhaltigkeitsberichte ausgewählter mittelständischer Unternehmen analysiert. Die Ergebnisse sind für die Berichterstattung großer Unternehmen in Nachhaltigkeitsberichten und Nichtfinanziellen Erklärungen repräsentativ. Zudem zeigt der Bericht auf, in welchen politischen Prozessen zu nachhaltiger Finanzwirtschaft klimabezogene Risiken berücksichtigt werden und leitet auf Basis von Leitfäden zum Management von Klimarisiken in Unternehmen eine einheitliche Struktur für ein klimabezogenes Risikomanagement ab. Dieses soll Unternehmen bei der systematischen Auseinandersetzung mit klimabezogenen Risiken und entsprechendem Vorsorgehandeln unterstützen.
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