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Ausbau der Erdgas-Infrastruktur: Brückentechnologie oder Risiko für die Energiewende?

Studie der Scientists for Future zur Diskussion um Erdgas

Der geplante Ausbau von Erdgas-Infrastruktur in Deutschland lässt sich nicht klimapolitisch begründen und birgt zahlreiche finanzielle Risiken. Zudem wird damit die geplante Energiewende verzögert. Dies sind die Kernaussagen einer neuen Studie, die am 28.01.2021 von den Scientists for Future (S4F) veröffentlicht wurde. 
 
Scientists for Future (S4F) veröffentlicht Studie 'Ausbau der Erdgas-Infrastruktur: Brückentechnologie oder Risiko für die Energiewende?' © GORBACHEVSERGEYFOTO, pixabay.comScientists for Future (S4F) veröffentlicht Studie 'Ausbau der Erdgas-Infrastruktur: Brückentechnologie oder Risiko für die Energiewende?' © GORBACHEVSERGEYFOTO, pixabay.com
Noch vor zehn Jahren war die Begründung für die Nutzung von Erdgas (Methan), dass es als Brückentechnologie für den Übergang in ein künftiges, fossilfreies Energiesystem gebraucht werde, weil es im Vergleich zu Kohle weniger CO2 ausstoße. Bei der Nutzung von Erdgas entstehen jedoch neben CO2 auch Methanemissionen und neuere Studien belegen, dass die Umweltfreundlichkeit von Methan weitaus zu positiv eingeschätzt wurde. Satellitenbeobachtungen, präzisere Messungen und differenziertere Betrachtungen des Gesamtzyklus zeigen, dass Erdgas in seiner Wirkung als Treibhausgas genau so klimarelevant sein kann wie Kohlendioxid: "Neben der direkten Klimawirkung von Methan wurde auch die Gesamtmenge an Treibhausgasemissionen, die bei der Nutzung von Erdgas entstehen, lange unterschätzt," stellt S4F-Mitglied Claudia Kemfert fest. "Der vergleichsweise positiv erscheinende Wert für die spezifischen CO2-Emissionen von Erdgas relativiert sich stark, wenn nicht nur die direkten Emissionen, sondern die Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus berücksichtigt werden."
 
Direkte Methanemissionen entstehen bei Förderung, Lagerung, Transport und Verbrauch. Gerade hier hat sich das Bild in den letzten Jahren dramatisch verändert, seitdem Leckagen von Methan aus Pipelines und anderen Teilen der technischen Infrastruktur besser erfasst werden können. Dazu stellt Erdgasexpertin Hanna Brauers (S4F) fest: "Methanemissionen, die durch Leckagen, bewusstes Ablassen oder Abfackeln insbesondere bei der Erdgasförderung entstehen, wurden bisher nicht oder nicht vollständig in die Berechnung der Klimawirkung von Erdgas einbezogen."
 
Der Transport von Erdgas als Flüssiggas erzeugt zusätzliche Treibhausgas-Emissionen. Diese entstehen bei Flüssigerdgas-Importen, beispielsweise aus Qatar oder den USA, insbesondere durch die energieintensive Verflüssigung/Kühlung auf -160 °C und liegen in der Größenordnung der notorisch leckagebehafteten Pipeline-Importe aus Russland.
 
Auch bedeutet ein weiterer Ausbau der Erdgasstrukturen ein erhebliches Risiko für die Finanzierung der Energiewende. Derzeit basieren immerhin 25 % des deutschen Primärenergieverbrauchs auf Erdgas. Eine Deckungslücke wird es jedoch in Zukunft nicht geben, die meisten Zukunftsszenarien zeigen eine Abnahme des Erdgasverbrauchs. Mithin wird der weitere Ausbau von Erdgas-Infrastruktur zum finanziellen Risiko: in Europa ist Deutschland das Land mit den zweithöchsten Gasinvestitionsplänen. Rund 18,3 Milliarden Euro sind für Kraftwerke, Gasnetze und Flüssigerdgas-Terminals in Planung. Bei sinkendem Erdgasverbrauch drohen vorzeitige Stilllegungen und Unternehmensklagen auf Basis der Europäischen Energiecharta. Zudem fehlen diese Gelder für den Ausbau Erneuerbarer Energien.
 
Das Argument der Brückentechnologie hat aktuell eine Weiterung erfahren: will man anstelle fossiler Erdgasversorgung eine Wasserstofftechnologie und -infrastruktur aufbauen, sollen sich - so lautet die Begründung - dafür Teile der Erdgas-Transportstruktur eignen. Ob die zukünftige Nutzung von Wasserstoff den Ausbau der Erdgasinfrastruktur erfordert, muss schon aus energiewirtschaftlichen und klimapolitischen Gründen hinterfragt werden. Wichtiger wäre es, den Aufbau von europäischen Kapazitäten zur Wasserstofferzeugung ausschließlich aus erneuerbaren Energien und damit auch den Ausbau von erneuerbaren Energien voran zu treiben .
 
 
Scientists For Future (S4F) ist ein überparteilicher und überinstitutioneller Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen, die sich für eine nachhaltige Zukunft engagieren. Scientists for Future bringen als Graswurzelbewegung den aktuellen Stand der Wissenschaft in wissenschaftlich fundierter und verständlicher Form aktiv in die gesellschaftliche Debatte um Nachhaltigkeit und Zukunftssicherung ein. 
 
Kontakt: Scientists For Future (S4F) | kontakt@scientists4future.orgwww.scientists4future.org

Technik | Energie, 28.01.2021

     
        
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