Zeit für den großen Wandel?
Thomas Jorberg im forum-Interview
Die GLS Bank ist ein Pionier in der Bankenbranche und steht für den etwas anderen Umgang mit Geld, Investments und Finanzierungen. Fritz Lietsch sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Jorberg über Wege aus der Krise und den Weg der großen Transformation in eine enkeltaugliche, klimagerechte Zukunft.
Thomas, was beschäftigt dich im Moment ganz besonders?
Da steht natürlich Corona und alles was damit zusammenhängt im Vordergrund. Das Virus hat sehr viele Veränderungen herbeigeführt, auch bei uns in der Bank: Von heute auf morgen mussten mehr als 50 Prozent der Mitarbeitenden von zu Hause arbeiten. Unsere IT- Abteilung hat jedoch schnell reagiert und alle wichtigen Bereiche sofort mit entsprechender Hard- und Software versorgt, so dass keine Unterbrechung in Finanzierungen und Kundenservice entstand. Corona hat mir verdeutlicht, dass Resilienz ein wichtiger Bestandteil der eigenen Gesundheit, aber auch der ganzen Gesellschaft ist. Im Bereich der Wirtschaft hat sich gezeigt: Wer vor allem sozial-ökologisch verantwortlich handelt, ist auch ökonomisch besser aufgestellt.
Wie entsteht eine stabile Gesamt-Resilienz?
An unserem Geschäftsmodell lässt sich das gut darstellen. Unsere Bank ist seit jeher klar fokussiert auf die Finanzierung von Branchen, die Grundbedürfnisse der Menschen abdecken. Ob das die erneuerbaren Energien, der Bereich Wohnen oder Ernährung bzw. ökologische Landwirtschaft sind – das sind alles lebensnotwendige Bereiche unseres Alltags. Sie sind stabile Branchen in der Krise, denn sie werden für die Grundversorgung der Menschen benötigt. Sorge machen mir Solo-Selbständige und Kulturschaffende. Sie sind sehr hart betroffen von Corona-Maßnahmen. Das war auch einer der Gründe, weshalb wir die Kunstnothilfe ins Leben gerufen. Hier sammeln wir Fördergelder für Künstlerinnen und Künstler, die durch Corona in finanzielle Engpässe gekommen sind. Es wurden bereits über 226.000 Euro gesammelt.
Was verstehst du unter Transformation?
Die GLS Bank war schon immer eine Bank für die „Transformation" in Richtung Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit. Bereits in der Pionier-Phase in den 70er bis Mitte der 90er Jahre, also in der Gründerzeit der sozialen und ökologischen Transformation, hat unsere „etwas andere Bank" viele Einzelinitiativen, zusammengebracht und wegweisende Projekte und Unternehmen finanziert. Da waren wir Vorreiter auch in der Finanz- und Bankenwelt. Doch nun denken wir einen Schritt weiter: In der jetzigen Phase möchten wir die Transformation beschleunigen. Dazu können wir Unternehmen mit einem authentischen Wandlungswunsch begleiten und tun es jetzt schon. Von konventioneller hin zu einer nachhaltigen Ausrichtung. Genügend Expertise und Know-How ist bei uns jedenfalls vorhanden.
Wie passiert das konkret?
Wir unterstützen jene, die aus Überzeugung ihr Unternehmen grundlegend umgestalten wollen, dabei, ihre Ziele, etwa Klimaneutralität oder Biodiversitätsschutz, zu erreichen. Dafür haben wir gemeinsam mit Partnern Instrumente und Indikatoren entwickelt, um die Wirkung der Kreditnehmer zu messen. Seit Anfang des Jahres erheben wir bestimmte Wirkindikatoren und können somit auch Unternehmen innerhalb der verschiedenen Branchen vergleichen. Die ersten Branchen sind ausgewertet – z.B. die Branche Ernährung und dies zeigt: nicht jeder Öko-Hof oder Bio-Hersteller ist schon klima-effizient aufgestellt. Das Reporting dient uns aber gleichzeitig auch dem Unternehmen als Spiegel für mögliche Verbesserungen. Man sieht konkret: Wer trägt wie zur Erreichung welcher Ziele, zum Beispiel der Sustainable Development Goals (SDG) oder des 1,5-Grad-Zieles, bei.
Das klingt schön, aber trägt das ausreichend zur GROSSEN Transformation bei?
Natürlich können wir das nicht allein, aber auch andere treiben jetzt die Transformation voran. Ein Beispiel ist die BaFin, die erwartet, dass transitorische und physische Nachhaltigkeitsrisiken in der Risikoeinschätzung eingepreist werden. Laut dem „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken" müssen Banken und andere Akteure aus der Finanzbranche künftig bei den Kunden ermitteln und feststellen, wie hoch diese Risiken sind.
Also zunächst, wie wirkt sich der Klimawandel auf die Kunden aus? Was bedeuten Trockenheit, Stürme, Überschwemmungen für den jeweiligen Kreditnehmer? Das sind Beispiele für physische Risiken. Dazu gehören ebenso die transitorischen Risiken, denn die zukünftigen Reglementierungen und Umbauten für eine CO2-freie Wirtschaft werden zwangsläufig fossile Industrieanlagen im Wert mindern. Ein Beispiel dafür ist eine CO2-Abgabe. Diese Risiken, die in der Wirtschaft einzelne Unternehmen betreffen, sammeln sich in den Büchern der Banken und werden hier zu einem noch größeren Problem für die Stabilität der Finanzbranche. Daher ist es essenziell, dass die Institute dies zukünftig in der Risikosteuerung berücksichtigen.
Sind es also die immer stärkeren Risiken, die den Finanzmarkt revolutionieren?
Ja, denn die Bewertung von Sicherheiten und Bonitäten werden zunehmend mit Klimadaten verknüpft. Und da wir unsere Klimaziele früher oder später unweigerlich erreichen müssen, werden Unternehmen, die nicht 1,5-Grad-kompatibel sind bzw. sich nicht danach richten, es ab einem bestimmten Zeitpunkt schwer haben, Finanzierungen zu bekommen.
Warum bist du da so sicher?
Angenommen wir würden den Klimawandel nicht erfolgreich in den Griff bekommen. Wir haben noch ein bestimmtes CO2-Budget, das irgendwann erschöpft ist. Wenn dann die Auswirkungen des Klimawandels so drastisch geworden sind, dass ihn keiner mehr leugnen kann, wird es einen Shutdown geben, wie wir ihn gerade erlebt haben – nur eben einen Klima-Shutdown. Jedes Unternehmen sollte sich daher schon jetzt fragen „Wie richten wir uns darauf ein? Wie werden wir davon ausgenommen?"
Was verhindert dann die längst nötige Transformation?
Die Transformation läuft schon, wenn auch noch viel zu langsam. Die Automobilindustrie etwa weiß genau, dass SUVs aussterben, kämpfen aber trotzdem um Abwrackprämien für Verbrenner. Die Energieversorger pokern um ihre Kohlekraftwerke und sehen trotzdem den Zwang in Erneuerbare einzusteigen. Auch die Stahlindustrie weiß, dass sie in Zukunft nur noch mit grünem Wasserstoff funktionieren kann. Trotzdem versuchen alle diese bisher erfolgsverwöhnten Branchen Entschädigungen vom Staat zu ertrotzen und den Wandel zu verzögern, um noch möglichst viel Geld herauszuhandeln. Auch im genossenschaftlichen Verband ist klar, dass CO2-Reduktion, ECO-Design, Kreislaufwirtschaft und der Schutz der Artenvielfalt höchste Priorität haben und doch wird die Transformation leider an den langsamsten Akteuren im Verbund ausgerichtet. Aber ich bleibe dabei: es passiert zwar noch nicht im nötigen Tempo, aber die Transformation findet gerade statt und beschleunigt sich stetig.
Wer oder was bremst dann Wirtschaft, Politik und uns alle noch immer?
Angst vor Veränderung spielt hier eine große eine Rolle. Das sieht man etwa in der Politik. Veränderungen in Form von Systemeingriffen werden abgeblockt. Mit den alten Regeln und Technologien wird noch immer viel zu viel Geld verdient, da will man möglichst nichts ändern. Vor allem wenn man selbst davon profitiert. Die CO2-Bepreisung etwa ist viel zu niedrig, aber wenigstens ein erster Schritt auf dem richtigen Weg.
Was könnte den Prozess beschleunigen?
Aus meiner Sicht gibt es zwei Treiber von Veränderungen: Einsicht und Not. Corona hat gezeigt, dass Not alles auf den Kopf stellt und gleichzeitig vieles möglich macht! Hunderte von Milliarden, die niemals für Klimaschutz gedacht werden konnten, waren urplötzlich da. Das macht mir Mut. Und die Rechnung ist ganz einfach: Warten wir mit der Transformation zu lange, kommt ein Shutdown. Die Transformationskurve wird dann senkrecht. Die immer wieder vorgebrachte Argumentation, dass die notwendigen Veränderungen zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels zu disruptiv und zu teuer seien, greift nicht – und das wird gerade offensichtlich. Denn je länger wir warten, desto teurer und disruptiver wird es. Darum gehen Millionen von Kindern freitags auf die Straße, darum sprechen sich Bündnisse von Unternehmen klar für mehr Klimaschutz aus.
Folgt jetzt Einsicht bei Gesellschaft und Wirtschaft?
Ja, denn von den öko-sozialen Gedanken unserer Gründerzeit kommen wir jetzt in eine ökonomische Betrachtung. Was früher ökologisch motiviert war, bekommt jetzt eine ökonomische und eine Risiko-Argumentation. Da werden auch Politik und (Finanz-)Wirtschaft hellwach...
Wo kann die GLS Bank unterstützend wirken?
Das tun vor allem unsere mehr als 30.000 finanzierten Kundinnen und Kunden, die zeigen, dass es anders geht. Sie haben Signalwirkung und sind Leuchttürme in ihren Sektoren – etwa die Elektrizitätswerke Schönau im Bereich der Energie, das erfolgreiche Landwirtschaftsprojekt SEKEM in Ägypten (forum berichtete), oder das wegweisende Bauvorhaben Möckernkiez in Berlin zeigen wie Zukunft verantwortlich und kreativ gestaltet werden kann. Gerne tragen auch wir unseren Anteil zum Wandel bei und haben sicherlich die Finanzwirtschaft und auch unsere Kunden schon ein bisschen inspirieren können. Denn, wie bereits erwähnt: Die Veränderung muss finanziert werden. Wir geben deshalb auch Transformationskredite und begleiten Umbauprozesse sowohl bei unseren Kunden als auch im Finanzbereich. Wir entwickeln dafür Zukunftsbilder für unsere Branchen mit entsprechenden Messpunkte und KPIs, die auditiert werden können. So kann durch den Einfluss einer Bank Wirkung entstehen.
Auch im Anlagebereich haben wir das zum Beispiel mit dem B.A.U.M. Fonds bereits in die Praxis umgesetzt. Der Fokus dieses Partnerfonds, der von B.A.U.M e.V. in Hamburg aufgelegt wurde und auf kleine und mittlere Unternehmen spezialisiert ist, liegt auf der Begleitung von Unternehmen zu nachhaltiger Ausrichtung. Zusätzlich fördert die Performance-Fee des Fonds gezielt Umwelt- und soziale Projekte. Und last but not least unterstützen wir Initiativen und Studien, wie etwa jüngst die Studie von Fridays for Future zur Frage „Kann Deutschland das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens noch erreichen und wenn ja, wie?" Diese Fragen hat das Wuppertal Institut mit finanzieller Unterstützung der GLS Bank untersucht.
Bist du also zufrieden mit den gesellschaftlichen Fortschritten?
Ich bin zufrieden unzufrieden! (lächelt). Zufrieden darüber, was wir bereits erreicht haben, und unzufrieden darüber, dass es immer noch so langsam geht und weil ich noch so viele Handlungsfelder sehe, die bespielt werden sollten.
Lieber Thomas Jorberg, wir danken für das Gespräch und freuen uns auf weitere gemeinsame Schritte auf dem Weg der enkeltauglichen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft.
Lifestyle | Geld & Investment, 01.12.2020
Dieser Artikel ist in forum 04/2020 - Jetzt reicht's! erschienen.
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