Marketing for future
Das nächste Kapitel wird aufgeschlagen
Marketing hat eine große Kraft. Und aus Kraft erwächst Verantwortung. Aus dieser Überzeugung hat Jan Pechmann das Bündnis für klimapositives Verhalten e.V. gegründet. Der Verein unterstützt Unternehmen dabei, nachhaltiger zu handeln und rückt klimafreundliches Marketing in den Fokus. So feierte im Sommer der Marketing for Future Award Premiere, der besonders gelungene, klimaschützende Marketingkampagnen auszeichnet. Und nun kommt die Fortsetzung der Geschichte...
Awards sind schön, aber was hilft das denen, die noch nicht so weit sind, ihre Produkte und Kampagnen mit Preisen auszeichnen zu lassen? Den etablierten Unternehmen, die gerade erst am Beginn ihrer klimafreundlichen Aktivitäten stehen? Oder den Start-ups, die ihre nachhaltigen Produkte ohne große Marketingbudgets in die Welt tragen müssen? Sie alle stehen vor der großen Herausforderung, den Berg der Nachhaltigkeit zu erklimmen und gleichzeitig jede Menge Tagesgeschäfte zu erledigen. Der Wille ist da, doch die Umsetzung fällt schwer.
Know-how for the future
Genau deshalb geht es beim Bündnis für klimapositives Verhalten aktuell vor allem um das Thema Befähigung. So bieten beispielsweise die Marketing-for-Future-Klimawerkstätten des Bündnisses regelmäßige Austauschformate mit Experten. Im Rahmen eines Mentoring-Programms unterstützen erfahrene Marketeers klimapositive Start-ups bei der Vermarktung ihrer nachhaltigen Produkte. In Best-Practice-Plauderstunden teilen erfahrene Marketing-Profis ihre Erfahrungen mit klimapositiven Marketing-Techniken mit anderen Mitgliedern des Bündnisses, die sich so für die eigene Arbeit inspirieren lassen können.
In Was-ist-Was-Werkstätten informieren sich die Experten des Bündnisses in Sach- und Fachfragen. Dabei bringen sich neben Personen auch die Unternehmen als Know-how-Geber ein – von Kreativagenturen wie Grabarz & Partner, Instituten wie dem Rheingold Salon bis hin zu Unternehmen wie zum Beispiel Oatly oder Unilever. Deren Beiträge umfassen neben der notwendigen Finanzierung vor allen Dingen persönliches Engagement, etwa als Lector, Jury-Mitglied und Berater, oder auch die Zusammenstellung wichtiger Informationen aus verschiedenen Bereichen von Kommunikation und Nachhaltigkeit. Das Partnerunternehmen diffferent etwa hat mit dem Whitepaper „Guter Konsum – Zielgruppen im Klimawandel" konkrete Anknüpfungspunkte für Unternehmen entwickelt, die ihre Kund*innen auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Konsum begleiten wollen.
Wie kann man Menschen erreichen und bewegen?
Über die Einteilung von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen werden im Whitepaper vier wirksame Hebel für guten Konsum identifiziert. Diese sollen dabei helfen, die Lücke zwischen dem Wunsch nach einer nachhaltigeren Lebensweise und dem tatsächlichen Warenkorb zu schließen.
Erstens: Zugang und Teilhabe schaffen
Unternehmen, deren Zielgruppen tendenziell eine geringe Formalbildung haben, einfache Jobs ausüben und eher schlecht verdienen („Prekäre" und „Junge Distanzierte" Milieus), müssen durch nachhaltige Angebote vor allem für Zugang und gesellschaftliche Teilhabe sorgen. Diese Konsument*innen wollen nicht die Welt retten, sondern vor allem ihren Alltag mit sehr begrenzten finanziellen Mitteln meistern. Zugang schafft man für diese Gruppen daher vor allem über Vertriebsstätten und -mechaniken. Man muss die Leute da abholen, wo sie sowieso sind – zum Beispiel beim Discounter. Kooperationen wie die von Bioland und Lidl oder auch die Initiative von Aldi Süd, bis zum Jahr 2025 ausschließlich nachhaltige Baumwolle in Textilien zu verwenden, zeigen hier einen möglichen Weg. Als zusätzliche Kaufanreize sind für diese Zielgruppen besonders Einsparpotenziale und Preisvorteile attraktiv, die sich durch Rabatte oder Sonderaktionen abbilden lassen. Wenn man ihnen umweltfreundliche Produkte günstig zugänglich macht, stärkt das auch das Gefühl der sozialen Teilhabe. Die Kommunikation sollte demnach eher „Tu dir etwas Gutes" betonen als „Tu der Welt etwas Gutes".
Zweitens: Alternative Produkte und positive Rollen etablieren
Menschen des „Traditionellen" und des „Etablierten" Milieus sind sehr darauf bedacht, mit ihren Konsumentscheidungen den eigenen Lebensstandard zu erhalten, die eigene Gesundheit zu fördern und die eigenen Werte zu vertreten. Für die Traditionellen und die Etablierten ist nicht verhandelbar, ob sie etwas tun, sondern nur wie sie es tun. Wer sie überzeugen will, stärker klimapositiv zu handeln, muss ihnen gute Alternativen zu bewährten Konsumgütern an die Hand geben. So verzichten die etablierten Milieus beispielsweise nicht auf das eigene Auto, aber sie könnten sich vorstellen, ein anderes, aus ihrer Sicht besseres Auto zu fahren. So fühlt sich mit einem Taycan, Tesla oder BMW i3 auch ein Etablierter in seiner Rolle angemessen repräsentiert. Die eMobility Pioniere haben gezeigt, dass die Abkehr vom Verbrenner nicht die Abkehr von Status, Design und Stil sein muss. Ein anderes erfolgreiches Beispiel ist die Otto-Tochter Manufactum („Das Leben ist zu lang für kurzlebige Produkte"). Das Handelshaus bedient sehr erfolgreich den Wunsch nach langer Haltbarkeit, Zeitlosigkeit und Handwerkskunst. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, wurden 2020 in schwierigem Marktumfeld mehrere neue stationäre Filialen eröffnet. Gleiches gilt bei nachhaltiger Kleidung. Sie kann durch Betonung von Wertigkeit und Langlebigkeit zur attraktiven Alternative werden.
Beide Konsumentengruppen sehen sich als Vorbilder der Gesellschaft. In der Kommunikation können Unternehmen diese wahrgenommene Vorbildrolle adressieren, indem sie die Kund*innen bei der Ehre packen. Dabei sollte vermittelt werden, dass man den eigenen Status quo verändern, Neues ausprobieren muss, um in einer sich ändernden Welt weiter als gutes Beispiel vorangehen zu können.
Drittens: Positive Attribute und Mehrheitsfähigkeit schaffen
Bei der gesellschaftlichen Mitte („Junge Pragmatische" und „Bürgerlicher Mainstream") gibt es grundsätzlich schon eine Offenheit für klimafreundlichen Konsum. Sie machen gern mit – wenn es die anderen auch tun. Um diese Kundengruppen von bestimmten Aspekten des klimafreundlichen Verhaltens zu überzeugen, müssen sie mehrheitsfähig werden. Das wird funktionieren, da Marken hier den notwendigen Einfluss haben, um neue Konventionen zu prägen. Inzwischen bieten etwa alle großen Sportschuh-Hersteller nachhaltige Schuhe im Portfolio an. Seit Oktober hat die Schweizer Firma On sogar ein Abo-Modell für Laufschuhe aus recyclebarem Material im Angebot. Um den Mainstream dabei zu unterstützen, sich auf nachhaltigen Konsum einzulassen, braucht es ein anderes Storytelling mit positiven Attributen. Wo Second Hand als muffig, unmodisch und sozialschwach verstanden wird, bietet sich das Label „Pre-Loved" als Konsumform für moderne, kluge Menschen an. Gut inszeniert wird das beispielsweise durch Plattformen wie Vestiare Collective oder NONO vintage fashion, die Gebrauchtes von Premiummarken vertreiben und so auch dem Mainstream zu erschwinglichen Preisen zugänglich machen.
Viertens: Neue Produkte entwickeln
Die progressiven Zielgruppen („Kritisch-Kreative" und „Junge Idealisten") handeln bereits relativ umweltfreundlich. Gleichzeitig stehen sie vor der schwierigsten Hürde. Um noch besser zu werden, müssen sie umweltschädigende Konsummuster – wie die neuesten Gadgets zu besitzen, viel zu reisen und Auto zu fahren – ablegen, obwohl diese Ausdruck ihrer Identität sind und ein Verzicht oft mit dem Verlust des eigenen Status gleichgesetzt wird. Hier unterstützen Unternehmen mit komplett neuen Produkten. Spannend dabei: Dinge radikal anders zu machen hilft, den Vergleich mit der alten Welt abzuschalten und bietet den Zielgruppen die Möglichkeit, sich innerhalb ihres sozialen Umfeldes als First Mover zu platzieren. Die Kritisch-Kreativen und die Jungen Idealisten sind bereit, für nachhaltige Marken wie beispielsweise Patagonia oder VAUDE im Outdoorbereich einen hohen Preis zu zahlen. Das macht Nachhaltigkeit auch für die großen Konzerne wie H&M relevant, die gerade mit ihrer auf Nachhaltigkeit im Premiumsegment ausgerichteten Tochter Arket expandieren. Für die Jungen Idealisten können neue Produkte auch in Form alternativer Konsumprinzipien und Vertriebsmechanismen etabliert werden. Start-ups wie Too good to go oder Sirplus, die abgelaufene oder überschüssige Lebensmittel vor der Tonne retten, können hier genauso als Vorbild dienen wie nachhaltige Anlageformen, zum Beispiel von der GLS Bank oder der Umweltbank.
Kerrin Löhe ist Director bei der Strategie- und Designberatung diffferent. Sie ist passionierte Nachhaltigkeitsaktivistin und berät ihre Kund*innen mit dem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeitsstrategie und nachhaltigen Wachstumskonzepten inklusive Produktentwicklung.
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 01.12.2020
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