Den Fußabdruck minimieren
Unternehmen kauft der Industrie die CO2-Rechte weg. Ein Interview mit Ruth von Heusinger.
Frau von Heusinger, wie
funktioniert das Konzept Ihres Unternehmens?
ForTomorrow ermöglicht Einzelpersonen
und Familien, auf einfache Art und Weise klimaneutral zu leben. Der Ausgleich
funktioniert über zweierlei Maßnahmen: Einerseits pflanzen wir Bäume in
Deutschland, die das ausgestoßene CO2 wieder aus der Luft holen. Und
andererseits nutzen wir den europäischen
Emissionshandel und kaufen den großen
Emittenten in Europa, beispielsweise Kohlekraftwerken, Emissionsrechte weg. So
werden sie gezwungen, entsprechend weniger CO2 auszustoßen. Das
bedeutet, sie müssen umrüsten oder abschalten. Damit macht ForTomorrow den
EU-Emissionshandel für private Personen zugänglich– und das ohne Profitorientierung.
Wie
geht das, einem Kohlekraftwerk Emissionsrechte wegzukaufen?
Wir können nur allgemein sagen, dass
wir durch das Kaufen eines Emissionsrechts den CO2-Ausstoß innerhalb
der EU um eine Tonne reduzieren. Einen Einfluss darauf, in welcher Anlage diese
Tonne eingespart wird, beziehungsweise welches Kohlekraftwerk abgeschaltet oder
umgerüstet wird, haben wir nicht. Über das marktwirtschaftliche System wird
entschieden, wo die Tonne CO2 eingespart wird. Jedoch kann man im
Markt bereits beobachten, wenn Emissionsrechte knapper und damit teurer werden,
werden zuerst die europäischen Kohlekraftwerke abgeschaltet oder auf Gas
umgerüstet.
Wie
viel kostet es, zum Beispiel einem Kohlekraftwerk die Emissionsrechte für
umgerechnet eine Stunde zu entziehen?
Im Moment kostet es 1250 Euro, um so
viele Emissionsrechte zu kaufen, dass zum Beispiel ein kleines
Steinkohlekraftwerk für eine Stunde abschalten muss.
Was war Ihr größter Erfolg
bislang?
Bisher leben mit ForTomorrow 210 Personen
klimaneutral. Seit der Gründung haben wir mit den Klima-Abos und Einzelspenden
viel für unser Klima tun können. Da die Emissionsrechte frei gehandelt werden,
können wir nur wissen, dass wir den CO2-Ausstoß in der EU bereits um408 Tonnen reduziert haben. Das entspricht der Abschaltung eines
Kohlekraftwerks für 8 Stunden und 49 Minuten. Zusätzlich pflanzten wir
1640 Bäume in Deutschland, um auch CO2 aus der Luft zu holen.
Bei der CO2-Kompensation wird immer wieder
kritisiert, dass es eine Art Freikaufen des eigenen Lebensstils ist. Wie sehen
Sie das?
Die freiwillige CO2-Kompensation ist enorm
wichtig. Wir können noch so CO2-arm leben und einsparen – aber
irgendwann wird jeder von uns an eine Grenze stoßen. Wenn es noch keine klimafreundlichere Alternative gibt,
beispielsweise weit entfernte Ziele zu erreichen, um Verwandte zu treffen. Auch
bei Produkten wie einem Laptop gibt es noch keine klimafreundlichen Optionen.
Außerdem gibt es Bereiche, auf die man keinen direkten Einfluss hat, wie den
Brennstoff der Zentralheizung in der Mietwohnung. Unsere Abonnenten sehen das
übrigens genauso. Sie sind sich sehr bewusst, dass
es nur ein erster Schritt ist.
Was kostet es, den eigenen
CO2-Ausstoß zu kompensieren?
Wir haben verschiedene Abo-Modelle:
Mit 20 Euro pro Monat kompensiert man sich als Durchschnittsdeutscher. Ab 30
Euro pro Monat kompensiert man gleich die Familie mit, basierend auf dem
durchschnittlichen CO2-Ausstoß von Erwachsenen und Kindern in
Deutschland. Und ab 2 Euro pro Monat kann man auch einen Betrag frei wählen.
Wenn man den eigenen CO2-Ausstoß bereits genau berechnet hat, kann man
genau diesen kompensieren.
Was tun Sie selbst für ein klimaschonendes Leben?
Als Familie haben wir bereits viel umgestellt.
Beispielsweise haben wir in unserem Haus eine Photovoltaikanlage installiert,
sind auf Ökogas umgestiegen, fahren mit dem Zug in den Urlaub und versuchen,
mehr vegan zu leben. Was mich überrascht, ist, wie sehr man von der
Gesellschaft in eine klimaschädliche Richtung gedrängt wird. Zum Beispiel haben
wir kein Auto und bekommen immer wieder die Frage, ob wir mit zwei kleinen
Kindern nicht ein Auto brauchen und wann wir endlich eines kaufen. Und auch das
Neubauhaus, das wir gekauft haben, hat standardmäßig einen Carport. Ich hoffe,
dass sich diese gesellschaftliche Denkweise, dass jeder ein Auto haben muss,
bald ändert.
Ruth von Heusinger ist Diplom Physikerin. Sie arbeitete erst im Bereich erneuerbare Energien und im Emissionshandel bei Statkraft und anschließend im Markt der freiwilligen CO2-Kompensation bei atmosfair. 2019 gründete sie die gemeinnützige GmbH ForTomorrow.
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