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Klimawandel und Werbeausgaben - wie Marketing unserem Planeten einheizt

Der aktuelle Kommentar von Christian Kreiß

Werbung und Marketing verschlingen große Mengen an Ressourcen: Kraft, Geld, Zeit, Brain und Energie, und sind einer der größten Treiber der menschenverursachten Klimakrise. Werbung steht meines Erachtens im Zentrum unserer Klimakrise. Denn ohne das permanente Werbe-Sperrfeuer würde unser ganzes Wachstumsmodell, das uns ständig in mehr und neue Produkte und Dienstleistungen treibt, in „Haben" statt „Sein", in Gier statt Zufriedenheit, nicht funktionieren.

Werbung ist maßgeblich für die Klimakrise verantwortlich

© Mohamed Hassan, pixabay.com© Mohamed Hassan, pixabay.com
Die Werbeausgaben in Deutschland werden vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) für 2020 mit 45 Milliarden Euro beziehungsweise 1,3 Prozent vom BIP angegeben, die von etwa 900.000 Beschäftigten erbracht wurden. Diese Zahlen dürften aber deutlich zu niedrig sein, da viele Werbe- und Marketingaktivitäten beispielsweise von Führungskräften nicht oder nur teilweise in diese Berechnung einfließen. Andere Schätzungen belaufen sich auf 10 bis 20 Prozent unserer Konsumausgaben, die für Werbung ausgegeben werden, und damit 160 bis 330 Milliarden Euro pro Jahr.

2014 waren etwa im deutschen Druckgewerbe über 60 Prozent aller Arbeitnehmer mit Printwerbung beschäftigt, also gut drei von fünf Beschäftigten unserer Druckindustrie. Das sind riesige Papierberge, von denen die Mehrheit ungelesen im Müll landet. Allein in deutschen Briefkästen landeten 2014 jährlich 1,3 Millionen Tonnen Werbesendungen, pro Haushalt zweieinhalb Kilo jeden Monat. Das entspricht etwa 2,7 Millionen gefällter Bäume, um das Werbematerial für Deutschland zu produzieren. Die Werbesendungen erzeugten so viel Kohlendioxid wie 840.000 Autos, verbrauchten 1.157 Millionen kWh Strom und verschmutzten 4,62 Milliarden Liter Wasser. Kurz: Die Werbeindustrie verbraucht direkt und unmittelbar eine stattliche Menge von Ressourcen.

Kein realer Nutzen
Diesen hohen gesamtwirtschaftlichen Kosten steht de facto kein realer Nutzen gegenüber: Werbung nährt uns nicht, kleidet uns nicht, schafft uns kein Dach über den Kopf. David Graeber nennt sie daher „bullshit jobs", die im Wesentlichen nur gesamtgesellschaftliche Kosten und für die Betroffenen Frustration bringen. Werbung verteuert daher unmittelbar die beworbenen Gegenstände. Werbung informiert meistens nicht über Produkte – und soll laut Werbeprofis auch nicht informieren –, sondern ist im Normalfall strukturell irreführend. Bei der meisten Werbung geht es schlicht um eine Erhöhung der eigenen Marktanteile. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist Werbung damit eine Ressourcenverschwendung. Wenn es uns gelänge, kommerzielle Werbung zu Gewinnzwecken abzuschaffen, hätten wir eine Woche mehr Urlaub pro Jahr ohne ein einziges Produkt oder eine Dienstleistung zu entbehren.

Haben oder sein
Sehr viel schlimmer als der unmittelbare Ressourcenverbrauch ist jedoch die Auswirkung von Werbung auf unseren gesamten Umgang mit Mensch und Natur. Werbung hämmert uns 3.000 bis 10.000 Werbebotschaften pro Tag ein. Und praktisch alle haben eine einzige Aussage: kauft. Werbung treibt uns in Gier und Wirtschaftswachstum. Die Frage 'Haben oder Sein', die Erich Fromm vor über drei Jahrzehnten gestellt hat, wird durch Werbung eindeutig und täglich mit hunderten Milliarden von Botschaften beantwortet: haben statt sein.

Am Rande sei bemerkt, dass die systematische Unehrlichkeit von Werbung unter ethischen Gesichtspunkten fragwürdig ist, und dass Werbung gezielt die Gesundheit unserer Kinder untergräbt, indem fast nur ungesunde Lebensmittel beworben werden und dass sie unsere Pressefreiheit unterminiert, weil die Medien versuchen müssen, möglichst positiv statt objektiv über ihre Werbegeldgeber zu berichten.

Wettrüsten im Marketing

Christian Kreiß plädiert seit Jahren dafür, auf Werbung ganz zu verzichten.© privatChristian Kreiß plädiert seit Jahren dafür, auf Werbung ganz zu verzichten.© privat

Nach dem zutreffenden Motto „wer nicht wirbt, stirbt" muss praktisch jedes größere Unternehmen werben. Wenn das aber alle machen, löst es eine unsinnige Werbelawine aus, die allen zusammen und insbesondere der Allgemeinheit sowie der Umwelt schadet. Es handelt sich um eine Art Wettrüsten: Wer mehr Marketing betreibt, verschafft sich zwar vorübergehend einen Vorteil, zwingt damit aber die Wettbewerber nachzuziehen – bis einer dann die nächste Runde der Eskalation einläutet. Und da der erste, der das tut, einen Vorteil davon hat, findet sich immer wieder einer, der läutet. Solche Dilemma-Situation können nicht individuell, sondern nur gemeinsam gelöst werden.

Gegenmaßnahmen
Man bräuchte nur die derzeitige steuerliche Abzugsfähigkeit von Werbeaufwand abschaffen, und schon würde sich Werbung für die Unternehmen um mehr als ein Drittel verteuern. Zudem sollte man in einem Stufenplan eine systematische Werbeverteuerung einführen, beispielsweise eine Abgabe auf Werbeaufwand, oder eine Extra-Steuer auf Werbung. Diese sollte von Jahr zu Jahr steigen, bis Werbung nach dem Vorbild der Tabak- oder Alkoholsteuer schließlich so teuer wird, dass wirklich nur mehr die allernötigste Werbung geschaltet wird.

Darüber hinaus sollten wir wie in Skandinavien Kinderwerbung abschaffen sowie Werbung für schädliche Produkte wie Alkohol, Tabak, Glückspiel usw.

Wenn uns all dies gelänge, dann hätten wir eine realistische Chance, endlich eine Gesellschaft zu werden, in der Gier und Immer-Mehr-Haben-Wollen schwächer und schwächer werden und könnten dadurch langfristig zu einer menschlichen, umweltverträglichen Wirtschaftsweise kommen, die nicht nur die Menschen, sondern die gesamte Natur respektvoll und ehrfürchtig behandelt.

Christian KreißFrüher Investmentbanker, seit 2002 Professor für Finanzierung an der Hochschule Aalen und Autor zahlreicher Bücher, darunter das Buch "Werbung nein danke" (2016). Als Mitglied des Kuratoriums von forum Nachhaltig Wirtschaften skizziert er Wege in eine menschlichere Wirtschaft. Sein 1919 erschienenes Buch „Das Mephisto-Prinzip" kann auf dieser Website heruntergeladen werdenwww.menschengerechtewirtschaft.de 


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Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 24.10.2021

     
        
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