Der einzige Weg aus der Klimakrise heißt: Weniger!
Christoph Quarch hat sich vom Auftakt der COP 26 nicht viel erwartet, aber den Klimawandel durch CO2-Emissionshandel zu bekämpfen, erscheint ihm wie den Teufel mit dem Beelzebub austreiben zu wollen.
Seit dem 31. Oktober tagt im schottischen Glasgow die Weltklimakonferenz COP 26. Auf Einladung der Vereinten Nationen haben sich für die Dauer von zwei Wochen Vertreter und Repräsentanten der UN-Mitgliedsstaaten versammelt, um gemeinsam zu erwägen, wie es gelingen kann, die Klimaziele des Pariser Abkommens umzusetzen. Zahlreiche Regierungschefs ließen es sich nehmen, der Eröffnung durch UNO-Generalsekretär António Guterres beizuwohnen; unter ihnen Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in ihrer Ansprache dafür warb, nach Europäischem Vorbild Kohlenstoff-Emissionen zu bepreisen. Vielen Beobachtern und Kommentaren ist das entschieden zu wenig. Sie fordern, dass die Staatengemeinschaft endlich den Mut zu konsequenten und konkreten Klimaschutzmaßnahmen aufbringt. Doch bislang sieht es nicht danach aus. Warum eigentlich? Das wollen wir mit dem Philosophen Christoph Quarch besprechen.
Herr Quarch, gehören auch Sie zu denen, die vom Auftakt des Klimagipfels enttäuscht sind?
Nein, der Auftakt ist ziemlich genau so verlaufen, wie ich es erwartet hatte: Der globale Haupt-Klima-Sünder aus China ist gar nicht erst angereist, dafür vernimmt man einige markige Worte seitens des UNO-Generalsekretärs, einige kraftvolle Worte des US-Präsidenten und ein paar magere Worte aus dem Munde der bald Ex-Bundeskanzlerin. Dass sie so mager ausfallen würden, hat mich dann aber doch überrascht. Ich meine: Den Klimawandel durch CO2-Emissionshandel zu bekämpfen, erscheint mir, wie den Teufel mit dem Beelzebub austreiben zu wollen. Der ökonomische Mindset, der alles in Waren konvertiert und handelbar macht, ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Der neoliberalistischen Ökonomie verdanken wir das Schlamassel, vor dem wir heute stehen.
Die Bepreisung von Emissions-Rechten nötigt Unternehmen dazu, auf klimaschonende Technologien und Verfahren umzusatteln. Was ist falsch daran?
Vordergründig ist nichts falsch daran. Aber hintergründig umso mehr. Wer so tut, als sei Bepreisung und Handel von Emission-Lizenzen der Königsweg des Klimaschutzes, suggeriert fälschlicherweise, dass wir so weitermachen können wie bisher. Die Politik muss keine unpopulären Verbote aussprechen und der Konsument braucht auf nichts zu verzichten. Nein, der freie Markt wird alles richten. So stiehlt man sich aus der Verantwortung und setzt auf die falsche Karte. Die Logik des freien Marktes ist die Logik der Profitmaximierung: Immer mehr Konsum, immer mehr Wachstum – genau das, was uns mit Volldampf an die Wand fahren lässt. Mit diesem Mindset aus dem 18. Jahrhundert werden wir dem Klimawandel nicht gewachsen sein. Der einzige Weg aus der Klimakrise heißt: Weniger.
Aber Herr Quarch, wir leben in einer weltumspannenden Ökonomie, die den Gesetzen der Marktwirtschaft folgt. Das werden Sie nicht von heute auf morgen ändern können. Ist ihr Plädoyer für Verzicht und Weniger nicht völlig unrealistisch?
Ganz und gar nicht. Ich behaupte, dass es zutiefst realistisch ist. Schlicht, weil es den Realitäten des Lebens entspricht und nicht – wie die neoliberalistische Wirtschaftsordnung den theoretischen Konstrukten derer, die von ihr profitieren. Natürlich versuchen uns die Propagandisten der Marktwirtschaft weißzumachen, der Mensch sei von Natur ein Homo Oeconomicus: ein rationaler Egoist, der kein anderes Ziel kennt, als optimal seine Bedürfnisse zu befriedigen. Aber das ist pure Illusion. Der Homo-Oeconomicus ist ein Menschenbild, eine Theorie – aber nicht der Mensch. Der Mensch ist ein Teil eben der Natur, die der Homo Oeconomicus zerstört. Und die Biologie lehrt, dass das Grundprinzip der Natur Kooperation ist und nicht Egoismus: dass Wachstum Grenzen hat und nicht unendlich maximiert werden kann. Wir brauchen eine Ökonomie, die diesen Prinzipien folgt.
Aber woher soll diese Ökonomie kommen? Selbst wenn Sie mit Ihrer Forderung Recht haben sollten, wird uns kaum mehr die Zeit bleiben, darauf zu warten, dass sich das ökonomische Paradigma ändert.
Da liegt das Problem. Martin Heidegger hat in einem Interview aus dem Jahr 1966 angesichts der Dynamik des technischen Fortschritts gesagt: „Nur noch ein Gott kann uns retten." Ich glaube, er hat Recht. Gemeint ist ja nicht, dass wir alle darauf hoffen müssten, dass sich der Himmel öffnet und der Weltenschöpfer mit eiserner Faust die Menschheit an die Kandare nimmt. Nein, gemeint ist, dass es zu dem kommt, was Nietzsche eine „Umwertung aller Werte" nannte: dass es zu einem Wandel dessen kommt, was wir anbeten und wofür wir Opfer erbringen: Nicht länger materielle Güter, nicht länger Sicherheit, Bequemlichkeit, Befriedigung unserer Bedürfnisse; sondern ein lebendiges Leben im Einklang mit der Natur. Nur wenn der Geist der Lebendigkeit die Menschen begeistert, haben wir die Chance zu einer Disruption der Ökonomie – zu einem Ausweg aus der Klimakrise.
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."
In seinem neuen Buch "Begeistern! Wie Unternehmen über sich hinauswachsen" geht's um Fragen wie diese:
Wie kommt der Geist in unsere Unternehmen? – Durch Begeisterung! Und wie entsteht Begeisterung? Anders als die meisten glauben.
Als forum-Redakteur zeichnete Christoph Quarch verantwortlich für den Sonderteil „WIR - Menschen im Wandel".
Gesellschaft | Politik, 08.11.2021
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