Forschende am Fraunhofer-Institut für Holzforschung entwickeln mit Partnern in Chile Dämmmaterialien aus pflanzlichen Reststoffen
Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen sind in Chile bisher weitestgehend unbekannt.
Forschende am Fraunhofer WKI haben mit Partnern in Chile Dämmmaterialien aus pflanzlichen Reststoffen entwickelt. Weitestgehend ungenutzte pflanzliche »Abfälle«, die in der chilenischen Land-, Forst- oder Holzwirtschaft anfallen, können so sinnvoll genutzt werden. Die Verwendung von Dämmstoffen aus lokalen Rohstoffen trägt zu einer Verbesserung der Umweltbilanz des Bauwesens in Chile bei und eröffnet neue, bisher ungenutzte Wertschöpfungsmöglichkeiten.
Für das Bauwesen werden derzeit gewaltige Mengen an petrochemischen und mineralischen Ressourcen verbraucht – auch in Chile. Bauteile und Dämmstoffe aus Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen (NawaRo) sind umwelt- und klimafreundlicher. »Mit unserem Projekt eröffnen wir Möglichkeiten, speziell einheimische Holzarten und landwirtschaftliche Reststoffe zu nutzen. So tragen wir zur nachhaltigen Land- und Waldbewirtschaftung in Chile bei. Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen sind in Chile bisher weitestgehend unbekannt. Der bevorzugte Dämmstoff ist dort expandiertes Polystyrol, also ein erdölbasiertes Produkt. Unser Projekt dient somit auch dazu, den Anteil von nachwachsenden Rohstoffen im chilenischen Bauwesen zu erhöhen und damit die erdölbasierten Ressourcen zu schonen«, erläutert Norbert Rüther, Projektleiter am Fraunhofer WKI.
Die Forstwirtschaft in Chile ist nach dem Bergbau der zweitgrößte Exportbereich. Das liegt nicht zuletzt an den riesigen Monokulturen exotischer Pflanzen wie Kiefer und Eukalyptus, für die seit den 1970er-Jahren große Naturwaldflächen gerodet wurden. Aktuell gibt es etwa 2,3 Millionen Hektar Schnellwuchsplantagen in Chile – 17 Prozent der gesamten Waldfläche. Probleme wie Bodenerosionen, fehlende Biodiversität und ein Ungleichgewicht des Ökosystems führen zur einer Rückorientierung auf die natürlichen Ressourcen des Landes.
Die Forschenden haben drei unterschiedliche Dämmungen aus pflanzlichen »Abfällen« der chilenischen Land-, Forst- oder Holzwirtschaft hergestellt, welche die typischen Einbauarten im Wohnungsbau abdecken:
- Druckfeste Dämmplatten für die Außenwanddämmung im Wärmedämmverbundsystem, Kellerdeckendämmung oder Aufsparrendämmung.
- Flexible Dämmmatten für die Zwischensparrendämmung, Geschossdeckendämmung oder Dämmung von hinterlüfteten Fassaden.
- Einblasdämmung zur Dämmung von konstruktiven Hohlräumen.
»In unserem Projekt wollten wir herausfinden, ob sich Rest- und Abfallstoffe zur Herstellung von bauphysikalisch tauglichen Platten- oder Mattenwerkstoffen eignen. Wir haben ein Holzelement entwickelt, das vollständig aus einheimischen, nachwachsenden Rohstoffen besteht«, so Rüther. Zum Einsatz im Bau müssen die Materialien die hohen Anforderungen an die Statik von Gebäuden erfüllen, die sich durch die verschärfte Erdbebensituation in Chile ergeben, sowie Schall- und Brandschutznormen und energetische Anforderungen.
Nicht nur für Chile resultieren aus dem Projekt wichtige Erkenntnisse. »Wenn überwiegend nachwachsende Rohstoffe für den Bau von Gebäuden verwendet werden, wird der Atmosphäre CO2 entnommen und in den Baustoffen gebunden. Nach Ablauf der Nutzungszeit eines Gebäudes können die Baustoffe als Rohstoff für weitere Produkte wie Konsumartikel verwendet werden. Am Ende einer langen Wertstoffkette können die Materialien schließlich schadstofffrei verbrannt und somit zur Energieerzeugung eingesetzt werden. Über die gesamte Nutzungsphase wachsen neue Rohstoffe nach – im Idealfall mehr, als für die Produkte genutzt werden. So entsteht ein nachhaltiger Kreislauf, den wir für die Zukunftsfähigkeit des Bauwesens – auch in Deutschland - dringend benötigen«, erläutert Rüther.
Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über den Projektträger Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) gefördert.
Zum Hintergrund
Nachhaltigkeit durch Nutzung nachwachsender Rohstoffe steht seit 75 Jahren im Fokus des Fraunhofer WKI. Das Institut mit Standorten in Braunschweig, Hannover und Wolfsburg ist spezialisiert auf Verfahrenstechnik, Naturfaser-Verbundkunststoffe, Bindemittel und Beschichtungen, Holz- und Emissionsschutz, Qualitätssicherung von Holzprodukten, Werkstoff- und Produktprüfungen, Recyclingverfahren sowie den Einsatz von organischen Baustoffen und Holz im Bau. Nahezu alle Verfahren und Werkstoffe, die aus der Forschungstätigkeit hervorgehen, werden industriell genutzt.
Kontakt: Fraunhofer-Institut für Holzforschung | anna.lissel@wki.fraunhofer.de | www.wki.fraunhofer.de
Technik | Green Building, 16.12.2021
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