Die Transformation der Antriebe
Womit fahren wir morgen?
Diesel, Benzin, Strom, Wasserstoff, E-Fuels: Womit fahren wir morgen? Diese Frage beherrscht nicht nur die Autoindustrie, sondern sorgt auch an Stammtischen für harte Kontroversen. Doch es zeichnet sich ab: Fossil ist out, Strom ist in. forum schafft Einblick und räumt auf mit Mythen.
Bei der derzeitigen Diskussion, wie die gegenwärtige Antriebstechnologie im Fahrzeug durch effizientere und nachhaltigere Alternativen ersetzt werden kann, sind im Wesentlichen drei Möglichkeiten im Gespräch:
- Der Weiterbetrieb des Verbrennungsmotors auf Basis so genannter E-Fuels
- Der elektrische Antrieb mit Wasserstoff als Zwischenspeicher
- Der elektrische Antrieb mit Batterie als Zwischenspeicher
Alle diese Optionen sollen letztlich mit elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen betrieben werden, mit der entweder der Ausgangsstoff Wasserstoff hergestellt oder die Batterie geladen wird. Worin unterscheiden sie sich dann?
Option 1: Weiterbetrieb des Verbrennungsmotors mit E-Fuels
E-Fuels sind künstliche Kraftstoffe, die in Chemieanlagen erzeugt werden können, wobei man aus Wasserstoff (H2) und CO2 flüssige Kohlenwasserstoffe synthetisiert. Bei diesem Weg könnte man das bereits vorhandene Tankstellennetz für diese synthetischen Kraftstoffe nutzen und die Fahrer müssten ihre Fahr- und Tankgewohnheiten nicht ändern. Befürworter meinen, dass man damit sofort und übergangslos in eine CO2-arme Zukunft starten könne, ohne dass zunächst ein umfangreiches Ladenetz, z.B. für E-Autos, installiert werden muss. Der künstliche Kraftstoff erzeuge im Optimalfall nur die Menge an CO2, die auch für seine Herstellung benötigt wurde.
Dies reicht jedoch nicht, um unsere Klimaziele erreichen zu können. Der synthetische Kraftstoff hat nämlich nur dann einen klimagünstigen Effekt, wenn der dazu notwendige Wasserstoff und die Prozessenergie auf Basis erneuerbarer Energien erzeugt werden. Derzeit wird der Wasserstoff aber zu 96 Prozent aus fossilen Quellen, wie z.B. Erdgas, gewonnen, was den möglichen positiven Klimaeffekt zunichtemacht, denn die Erzeugung von einem Kilogramm Wasserstoff setzt ganze zwölf Kilogramm CO2 frei. Gegenwärtig ist „grüner" Wasserstoff nur in minimalen Mengen vorhanden und auch die Nationale Wasserstoffstrategie sieht bis 2030 eine Produktion vor, die maximal dazu ausreichen wird, lediglich einen Teil der deutschen Stahlindustrie zu versorgen.
Nun heißt es, man könne den Wasserstoff für den Prozess ja auch in Chile oder Saudi-Arabien erzeugen, wo der Strom aus Sonne und Wind deutlich günstiger erzeugt werden kann. In der Tat sind Projekte in Vorbereitung, die zum Beispiel in Chile bis zu 550 Millionen Liter Kraftstoff pro Jahr erzeugen sollen, dies macht aber nur etwas mehr als ein Prozent der derzeitigen Verbrauchsmenge der Bundesrepublik Deutschland von 47 Milliarden Liter pro Jahr aus. Aktuell sind keine konkreten Planungen bekannt, über die E-Fuels in so großen Mengen bis 2030 erzeugt werden können, dass damit ein nennenswerter Teil der Fahrzeugflotte in Deutschland versorgt werden könnte. Zudem ist der gesamte Prozess der Herstellung sehr energieaufwändig.
Nach aktuellen Zahlen sind zur Erzeugung eines Liters E-Diesel etwa 27 Kilowattstunden Energieaufwand erforderlich (Ludwig-Bölkow-Stiftung 2020). Um damit 100 Kilometer weit fahren zu können, müssen bei einem Verbrauch von etwa sieben Liter E-Diesel also 27 mal 7, das heißt 189 Kilowattstunden Energie aufgewendet werden. Im Vergleich dazu verbraucht ein batterieelektrisches Fahrzeug gleicher Größe
etwa 18 bis 20 Kilowattstunden Energie pro 100 Kilometer. Das bedeutet, dass man vollelektrisch mit der gleichen Energiemenge etwa 1.000 Kilometer weit fahren könnte. Gleichzeitig gilt es zu beachten, dass die typischen Nachteile eines Verbrennungsmotors wie Lärmentwicklung, Ruß- und Stickoxid-Emissionen weiterhin bestehen blieben. E-Fuels werden aus Klimasicht deshalb bis auf Weiteres keinen merklichen Beitrag zur Absenkung der Treibhausgase leisten können. Dennoch werden sie unabdingbar und vor allem – als erstes – in Anwendungen benötigt, in denen aus heutiger Sicht keine Elektrifizierung sinnvoll ist, wie in großen Flugzeugen und Schiffen.
Option 2: Elektrischer Antrieb mit Wasserstoff als Zwischenspeicher
Wie bei den E-Fuels muss auch hier zunächst Wasserstoff erzeugt werden, der dann aufgereinigt, transportiert, unter einem Druck von 700 Bar in die Fahrzeugtanks gepresst und dann in einer Brennstoffzelle mit Luftsauerstoff wieder zu elektrischem Strom und Wasserdampf umgewandelt wird. Der so erzeugte elektrische Strom treibt dann die Elektromotoren an den Rädern an.
Die Vorteile sind das emissionsfreie Fahren, das Fahrgefühl eines Elektroautos sowie der schnelle Tankvorgang. Wie in Abbildung 1 gezeigt, emittiert ein Fahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb (FCEV) in seinem Lebenszyklus eine ähnlich geringe Menge an Treibhausgasen wie ein Batteriefahrzeug – falls er mit erneuerbarem („grünem") Wasserstoff betrieben wird. Sobald das FCEV aber mit dem derzeitigen „grauen" Wasserstoff aus Erdgas betrieben wird, ist sein CO2-Fußabdruck nahezu vergleichbar mit dem eines konventionellen Verbrenners. Mit so genanntem blauen Wasserstoff, bei dem das CO2 aus dem Erdgasprozess unterirdisch gelagert werden soll, wäre der CO2-Fußabdruck des FCEV sogar deutlich größer als der eines Diesels. Denn, wie eine kürzlich erschienene Studie von der Stanford University und der Cornell University zeigt, ist der Abtrennungs- und Lageraufwand für das CO2 unverhältnismäßig hoch und energieintensiv. Der auf mittlere Sicht mangelnde Positivbeitrag zum CO2-Flottengrenzwert ist einer der Gründe, weshalb Fahrzeughersteller den Einstieg in diese Technik scheuen.
Ein weiterer Nachteil ist die vielgliedrige, teure und verlustreiche Technologiekette. Der hohe Kaufpreis und die Unterhaltskosten der FCEV mit häufigen Serviceintervallen (alle 10.000 km) sowie die typischerweise geringen Kofferraumvolumina tragen zur Zurückhaltung der Kunden gegenüber der Technik bei. Die Abbildung 2 vergleicht die Verluste entlang der Wasserstoffkette, von der Wasserstofferzeugung bis zum Rad, mit denen des vollelektrischen Systems auf Basis eines elektrochemischen Speichers (Batterie). Die Grafik unterscheidet sich etwas von anderen Studien dieser Art, da sie auch die Verluste durch die Vorkonditionierung des Wasserstoffs auf 1.000 Bar und -40 °C an der Tankstelle berücksichtigt, was in anderen Studien teilweise fehlt.
Um konkurrenzfähig zu werden, müssten die Kosten der Kette in allen ihren Teilen etwa um den Faktor drei gesenkt werden, was derzeit aber noch nicht in Sicht ist. Auch hier gibt es das Problem, dass bis auf Weiteres praktisch kein grüner Wasserstoff zur Verfügung steht. Die Nationale Wasserstoffstrategie wird allenfalls einen Teilbedarf der Industrie abdecken können. Für den Verkehr reichen die angestrebten Mengen nicht aus. Der im Land erzeugte Wasserstoff würde, im Vergleich zur vollelektrischen Option, die Errichtung einer drei- bis vierfachen Überkapazität der Grünstromproduktion, insbesondere aus Wind, erfordern.
Deshalb wird, wie schon bei den E-Fuels, darauf verwiesen, dass man den H2 auch in sonnenreicheren Ländern erzeugen könnte. Doch dazu müsste auch noch die Transportfrage geklärt werden, denn das leichte Gas besitzt nur einen geringen Energiegehalt pro Volumen, weshalb die sehr energieintensive Umwandlung in Flüssigwasserstoff (-253 °C) als mögliche Lösung vorgeschlagen wird. Aber auch dieser besitzt eine Dichte von lediglich 70 Gramm pro Liter und man würde 50 große Kryoschiffe mit Flüssigwasserstoff benötigen (die es noch nicht gibt), um nur einen Öltanker zu ersetzen. Alternativ wäre ein Bündel von Gaspipelines durch das Mittelmeer denkbar, aber es ist nicht bekannt, dass so etwas geplant wäre. Zudem verhindert die politische Situation in den meisten Anrainerländern, dass sich Investoren entsprechend engagieren.
In der Summe besitzt grüner Wasserstoff ein hohes Potenzial, als umweltfreundlicher Energieträger eingesetzt werden. Aus heutiger Sicht wird sich dies wegen der geringen Verfügbarkeit und den hohen Kosten aber zunächst auf sinnvolle Nischenanwendungen beschränken. Wenn es nicht gelingt, den Wasserstoff bald und auf effektivem Wege nach Nordeuropa zu bringen, wird diese Option eine Nischenanwendung bleiben.
Option 3: Elektrischer Antrieb mit Batterie als Zwischenspeicher
Wie in Abbildung 2 gezeigt, besitzt der vollelektrische Antrieb selbst beim gegenwärtigen Strommix das höchste Potenzial zur Einsparung von Treibhausgasen. Ein vollständiger Ersatz der gegenwärtig 47 Millionen Pkws durch Elektrofahrzeuge würde einen Mehrbedarf von circa 130 bis 150 Terawattstunden elektrischer Energie erzeugen, das entspricht etwa einem Viertel des derzeitigen Strommarktes. Bei einer Realisierung des Vorhabens binnen der nächsten 20 Jahre erfordert dies einen jährlichen Zubau von ein bis zwei Prozent an Erzeugungskapazität. Gleichzeitig spart das Land in einem solchen Szenario circa 500 Terawattstunden an fossiler Energie ein, welche derzeit vollständig importiert wird. Die Zielsetzung sollte also sein, dass sich Deutschland autark mit Energie versorgt.
Als Vorteile für den Nutzer sind die geringen Betriebskosten eines batteriebetriebenen E-Autos zu nennen, mit einem nahezu wartungsfreien Betrieb und geringen Kraftstoffkosten. Moderne Batterien lassen sich bis zu 2.000 Mal voll be- und entladen, bis die Batteriekapazität auf 80 Prozent gesunken ist. Bei einer Batteriereichweite von 500 Kilometer entspricht das etwa einer Million Kilometer, Tendenz steigend. Gleichzeitig bieten die Fahrzeuge die derzeit höchste Sicherheit. Bezogen auf die Zulassungszahlen brennen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor circa zwanzigmal häufiger als Batteriefahrzeuge.
Als nachteilig wird insbesondere der hohe Ressourcenverbrauch für die Batterieherstellung angeführt, für die seltene Rohstoffe wie Kobalt oder Lithium benötigt werden. Allerdings sinkt der Kobaltgehalt in modernen Batterien stetig (Tesla-Batterien enthalten nur noch 2,8 Prozent Kobalt im Pluspol) und es gibt bereits erste Modelle, welche rein auf Eisenbasis und kobaltfrei arbeiten, z.B. von BYD und Tesla in China. Autobauer wie VW und Renault sowie Tesla in den USA haben bereits angekündigt, ebenfalls diesen Weg einzuschlagen. Neben CATL, welches die aktuellen Eisenphosphatbatterien baut, stellen seit 2021auch weitere Batterieproduzenten auf kobaltfreie Materialien um, wie z.B. das NMX-Material von SVOLT.
Bleibt die Frage, ob es in 20 Jahren auch noch genügend Lithium geben wird, um den gesamten Bedarf zu decken. Aus heutiger Sicht lässt sich dieses eindeutig mit „Ja" beantworten. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass auch der Markt für Stationärspeicher mit circa 40 Prozent pro Jahr stark am Wachsen ist. Hier deutet sich aber eine Lösung an, denn kürzlich hat der weltweit größte Batteriehersteller CATL angekündigt, in Zukunft auch so genannte Natrium-Ionenbatterien herzustellen, eventuell auch für E-Autos. Diese enthalten weder Lithium noch andere kritische Rohstoffe und werden bereits derzeit als geeignet angesehen, zum Beispiel die Bleibatterie im Auto zu ersetzen und große Anlagen wie beispielsweise Windparks mit Speichern zu versorgen.
Maximilian Fichtner ist Professor für Festkörperchemie, stellvertretender Direktor am Helmholtz-Institut Ulm (HIU) und Sprecher des gemeinsamen Batterieclusters POLiS des KIT und der Universität Ulm.
Technik | Mobilität & Transport, 01.09.2021
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2021 mit Heft im Heft zur IAA Mobility - KRISE... die größte Chance aller Zeiten erschienen.
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