Führen mit Gefühl
Intuition hilft beim erfolgreichen Wandel. In den Köpfen der Chefetagen fängt es an.
Permanenter Veränderungsdruck bestimmt den Arbeitsalltag in vielen Unternehmen. Was gestern galt, wird heute anders gemacht. Will man die Menschen mitnehmen, reicht rein rationales Denken nicht. Intuition hilft beim erfolgreichen Wandel. In den Köpfen der Chefetagen fängt es an.

„Transformationen scheitern zu etwa 80 Prozent am – oft passiven – Widerstand der Mitarbeitenden. Und an mangelnder Kompetenz der Führungskräfte, den Wandel zu moderieren und voranzutreiben", sagt Dr. Wolfgang Freibichler, Partner bei Porsche Consulting und Experte für neue Formen der erfolgreichen Zusammenarbeit. Er begleitet das Top-Management bei Transformationen. „Ein verblüffender Hauptgrund für das Scheitern oder Verzögern des Wandels ist oft ein wissenschaftlich überholtes Verständnis der Funktionsweise des menschlichen Gehirns." Der Change-Experte ist überzeugt, dass die Einbeziehung von Erkenntnissen aus der Verhaltensökonomie es ermöglicht, „Menschen sowohl durch instinktives als auch durch rationales Denken anzusprechen". Freibichler und sein spezialisiertes Team haben fünf Wirkungskräfte identifiziert, mit denen der notwendige Wandel gelingt.

Der Schlüsselbegriff lautet Strategic Change Management. Zugegeben: Die dahinterliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse sind nicht alle brandneu, werden aber in der Praxis noch zu selten angewendet. Freibichler sieht den entscheidenden Unterschied zum traditionellen Veränderungsmanagement „in der Art und Weise, wie Menschen am Arbeitsplatz in solchen Sondersituationen mitgenommen werden – und vor allem wer sie mitnimmt". Sein Rat: „Menschen im Wandel mitzunehmen ist Chefsache, ganz oben in der Unternehmensführung."
Der Instinkt bleibt keine Nebensache
Freibichler betont, dass Führungskräfte bei ihrer Kommunikation neben der bewussten Ebene, dem Verstand, auch die unbewusste Ebene, die Instinkte, ansprechen sollten. Zudem sollte die Emotion eine übergeordnete Rolle spielen: „Es gilt, nicht nur logisch, sondern auch psychologisch zu kommunizieren und zu handeln. Menschen vergessen Fakten. Sie werden sich aber immer daran erinnern, wie sie sich in einer bestimmten Situation gefühlt haben." Modernes Führen erfordere viel Gefühl – echtes Mitgefühl, und zwar individuell für jeden Einzelnen.

Zweite Kraft für eine erfolgreiche Veränderung: die Kommunikation. „Auch die muss von der Unternehmensspitze selbst ausgehen", betont Freibichler. „Zur Vorbildrolle von Top-Führungskräften gehört es, einen Wandel mit Glaubwürdigkeit, Empathie und auch der nötigen Autorität einzuleiten. Und das nicht nur einmal, sondern kontinuierlich während der gesamten Transformation. Die Botschaft muss emotional formuliert sowie einheitlich und über sämtliche von der Zielgruppe genutzten Kanäle kommuniziert werden. Und sie kann nicht oft genug wiederholt werden, wenn sie den Prozess des Wandels wirkungsvoll prägen soll."
Zudem sei ein Dialog auf Augenhöhe aller Ebenen der Belegschaft notwendig. Dabei müssen, so Freibichler, beide Gehirnhälften, also Ratio und Instinkt, gleichermaßen angesprochen werden: „Chefs sollten aufstehen und immer zuerst selbst in den direkten Austausch mit ihrem Personal gehen, und zwar in allen Etagen. So lassen sich inhaltlich unbegründete Vorbehalte und Befürchtungen im individuellen Dialog entkräften. Dann weichen Ängste und Sorgen. Gleichzeitig ergeben sich auf emotionaler Ebene gute Chancen, dass sich der Enthusiasmus der Chefs auf die Belegschaft überträgt."
Allerdings müssen den Worten dann Taten folgen. So gelte es etwa, Leitlinien und Kennzahlensysteme im Unternehmen anzupassen – das ist das dritte Instrument des Strategic Change Management. Es gehört zum notwendigen organisatorischen Rahmen, der die Voraussetzung für das Erreichen des visionären Ziels der Transformation ist. Freibichler: „Ohne die Anpassung des regulatorischen Kontexts werden sich neue positive Verhaltensmuster kaum durchsetzen können."
Vorbilder in der Chefetage
Die vierte Kraft des Wandels ist eine moderne, auf die Realitäten der Zukunft ausgerichtete Interpretation der Arbeitsabläufe. „Bestehende Formen der Zusammenarbeit sollten zu agilen Arbeitsmethoden über Ressortgrenzen hinaus weiterentwickelt werden, um Kreativitäts- und Innovationspotenziale freizusetzen, die andernfalls innerhalb noch zu oft vorhandener Silos ungenutzt blieben", sagt Freibichler. Stichwort: New Work. „Die Unternehmen sind aufgerufen, dafür die physischen und digitalen Arbeitsbereiche entsprechend neu zu gestalten."
Von den Führungskräften könne man erwarten, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen, ihre Vorbildfunktion ausfüllen, am besten durch „beobachtbares Verhalten". Dazu gehörten auch klassische Merkmale. So sind für Freibichler die nicht selten noch vorhandenen hermetisch abgeriegelten Chefetagen „Machtsymbole von vorgestern". Er betont: „Nur wenn sich Chefs ehrlich, transparent und wirklich zugänglich zeigen, sich auch physisch in offene Arbeitsbereiche mit verschiedensten Hierarchien eingliedern, kann der so wichtige Austausch mit allen Beteiligten gelingen."
Der fünfte Schlüssel zum Erfolg sind die neuen, zukünftig wichtigen Fähigkeiten. Laut einer Umfrage unter den 100 größten Unternehmen in Deutschland besitzt nur jeder vierte Beschäftigte heute schon die Kompetenzen, die künftig aus unternehmerischer Sicht benötigt werden. Freibichler: „Ausgefeilte Modelle für bessere Zusammenarbeit und gute Arbeitsumgebungen allein sind wertlos, wenn die Belegschaft nicht so genau weiß, wie sie die angestrebte Umgestaltung eigentlich in die Praxis umsetzen soll." Deshalb müssten Unternehmen zuerst attraktive Angebote für die Aus- und Weiterbildung ihres Personals schaffen, die alle in die Lage versetzen, „sich weitgehend selbstbestimmt und individuell zu entwickeln". Zugekaufte Trainingsangebote „von der Stange" eigneten sich dafür nicht.

Der Experte für den Wandel verspricht seinen Klienten aus Erfahrung: „Wenn Unternehmen die fünf Kräfte der Veränderung optimal kombinieren und dirigieren, werden sie Verhalten und Denkweise der Belegschaft mit den Transformationszielen ihrer Organisation in Einklang bringen."
Info: Text erstmalig erschienen im Porsche Consulting Magazin.
Kontakt: Porsche Consulting GmbH, Jan Boris Wintzenburg | jan_boris.wintzenburg@porsche-consulting.com
Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
Wirtschaft | Führung & Personal, 20.01.2022

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